Nachruf

Nicht nur die Schatzkistl-Familie trauert um Madeleine Sauveur

Die Mannheimer Kabarettistin und Chansonnette Madeleine Sauveur ist im Alter von 71 Jahren gestorben und hinterlässt eine enorme Lücke in der Kleinkunstszene der Region

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Madeleine Sauveur © Sandra Mulhi

Mannheim. „Lassen Sie mich durch – ich bin Oma!“ Wer Madeleine Sauveur als komödiantische Großmutter mit der Verve einer Junggebliebenen erlebt hat, kann nicht fassen, dass die Musikkabarettistin den Kampf gegen ihre schwere Erkrankung verloren hat. Über drei Jahrzehnte stand die in Braunschweig aufgewachsene Wahl-Mannheimerin mit eigenen Programmen auf der Bühne. Ihrem Publikum hat sie „nie einen Marmorkuchen versprochen“ (so einer der Titel), aber es stets mit wunderbar gesungenen Chansons, skurrilen Geschichten und viel Humor unterhalten.

Auf der Zielgeraden zu der Premiere ihres insgesamt 16. Programms – das Coronavirus sollte es während der Pandemie komplett ausbremsen – erzählte Madeleine Sauveur, begeisterte Oma von drei Enkeln, dass sie weder eine Klischee-Großmutter noch „putzige Geschichten“ von ach so süßen Kindeskindern auf die Bühne bringen werde. Der Abend sei für Menschen ab 30 gedacht, „die sich trauen und Freude daran haben, jetzt schon an die Zukunft zu denken“. Aber eben diese Zukunft hat ihr die Krankheit, gegen die sie vergeblich kämpfte, jetzt genommen. Und Clemens Maria Kitschen verlor seine Bühnenpartnerin, die auch seine Lebensgefährtin war.

"Lassen Sie mich durch ich bin Oma"  war Madeleine Sauveurs 16. Programm. © Sandra Mulhi

Vom Partner „auf den Leib komponiert“

Auf ihrer Homepage hat Madeleine Sauveur die schicksalsträchtige Begegnung mit dem Klavier- und Akkordeonspieler, außerdem Komponisten und Intonateur eines mit Händen und Füßen betriebenen Ein-Mann-Orchesters so geschildert: „Als ich vor zwanzig Jahren einen Pianisten suchte, wurde mir Clemens von einem Kollegen mit den Worten angekündigt: Das ist der richtige Mann für Dich. Stimmt!“

Sie seien „hervorragend aufeinander eingespielt“, pflegte die unprätentiöse Künstlerin zu betonen und erzählte, dass Kitschen die von ihr geschriebenen Liedtexte nicht einfach nur vertonte. „Er hat sie mir auf den Leib komponiert.“ Obendrein, so schwärmte sie geradezu, verstehe der virtuose Mann am Klavier, „wahnsinnig flexibel“ auf ihr jeweiliges Tempo bei den Gesangsnummern einzugehen. Und das habe ihr gerade bei noch nicht lange gespielten Programmen „viel Sicherheit“ gegeben.

Ironische Sicht auf die Geburtsstadt

Als niedersächsische Kommune mit dem „schönen Dom und der Geschichte von Heinrich dem Löwen“ umschrieb die gebürtige Braunschweigerin ihre Heimatstadt, wo sie am 17. September 1951 auf die Welt kam. Überhaupt liebte Madeleine Sauveur Ironie. Und so gab sie an, in Heidelberg das Studium der Germanistik und Politikwissenschaften an den Nagel gehängt zu haben, als ihr die berufliche Perspektive klar wurde – nämlich wieder in die Schule zu müssen und Lehrerin zu werden.

25 Jahre lang alle Premieren im Schatzkistl

  • Madeleine Sauveur, geboren am 17. September 1951 in Braunschweig, ist mit ihren Programmen bundesweit aufgetreten, hat aber traditionsgemäß die Premieren im Mannheimer Schatzkistl präsentiert.
  • Seit 1998 begleitete sie am Piano ihr Lebensgefährte, der Musiker Clemens Maria Kitschen, der auch die Liedtexte vertonte.
  • Vor dem Start ihrer Bühnenkarriere 1992 hat sie einen Chanson-Meisterkurs bei Gisela May, Gesangsausbildung bei Brigitta Seidler-Winkler und ein Schreibseminar bei Christof Stählin absolviert. 2006 war sie Stipendiatin des GEMA-Förderseminars für Textschaffende.
  • Mit dem Schauspieler Volker Heymann gründete sie 2005 das Kabarettensemble „Mannheimer KultUrknall“.
  • Die in Mannheim heimisch gewordene Chansonnette und Kabarettistin bekam mehrere Auszeichnungen: Beispielsweise die renommierten „Emser Pastillchen“, den Braunschweiger Preis für „das schönste Liebeslied“, den Rostocker „Koggenzieher“ in Bronze und auch den „Reinheimer Satirelöwen“

 

Auf die Bühne habe sie schon als Kind gewollt. Allerdings schwebte ihr eine Karriere als Operndiva vor. Warum daraus nichts wurde, erklärte sie gern so: „Der Busen war nicht groß genug!“ Und deshalb habe sie statt Arien zu schmettern lieber Chansons gesungen und dazwischen erzählt. Obendrein veröffentlichte Madeleine Sauveur Geschichten, bevorzugt solche der unwahrscheinlichen Art – wie jene von Hermann, der völlig vergessen hatte, wie man Brot schreibt. Ihre schriftstellerische Motivation brachte sie einleuchtend-lakonisch auf den Punkt: „Da sonst meine Hirnwindungen verstopfen würden.“ Nein, diese waren nie verstopft. Und ihre Synapsen tanzten.

Als die in Mannheim lebende Mutter von zwei Söhnen und (später geschiedene) Ehefrau eines Kinderarztes nach Unterricht in Gesang, Tanz und Schauspiel beschloss, ihren nie vergessenen Kindheitstraum einer Bühnenlaufbahn umzusetzen, brachte sie 1992 ihren Premiere-Abend heraus – Titel: „Er, der Herrlichste von allen…?“ Herrlich fand es jedenfalls das Publikum, so dass sie weitermachte. Anfangs, so blickte sie Jahrzehnte später zurück, hätten Theater samt Verkleidungsorgien, außerdem bekannte Vorlagen ihr als Orientierung gedient. Davon künden erste Chansonabende, beispielsweise mit dem Motto „Davon geht die Welt nicht unter“ in Erinnerung an Zarah Leander.

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Es ging um Lebensgeschichten

Bei dem für die Bühne gebackenen Marmorkuchen ging freilich auch ein von Inspirationen getriebener Teig für eigene Songs und Texte auf – mit einer abendfüllenden Gesamtshow als „Glasur“. Im Gespräch mit unserer Zeitung schilderte Madeleine Sauveur vor einigen Jahren die bei ihr allmählich gereifte Erkenntnis, dass es in der Kleinkunst nicht darum gehe, in Rollen zu schlüpfen, sondern auf originelle Art Lebensgeschichten zu erzählen – „und die sollten authentisch rüberkommen“.

Genau das gelang ihr. Beispielsweise im Programm „Hin und weg – der Mann bleibt da“ mit einer berührenden Hommage an das kleine Glück, das man nicht bei Amazon bestellen kann. Dafür schleicht es sich manchmal mit Erinnerungen an: Als morgens die Mutter Zeitung las, dazu ihr Marmeladenbrot aß und den Kaffee mit einem sämigen Strahl aus der gelöcherten Kondensmilch-Dose verfeinerte.

Die Profikünstlerin wusste, dass zu einem Kabarettabend mehr gehört als das Platzieren von Programmnummern nebst Pointen. Ihre Plots gaben Prallem wie Poetischem ein Passepartout. Sie verlieh dem Leben eine starke Stimme. Ihr Credo „Ich höre was, was Du nicht sagst“, passte eigentlich immer – ob sie nun den inneren Schweinehund besang oder mit dem Hühneraugen-Blues dem meist nicht ganz jungen Publikum aus dem Herzen sprach. Und stets setzten die musikalischen Einlagen Flügel an.

Verlust für die Schatzkistl-Familie

„Die Schatzkistl-Familie verliert eine menschlich und künstlerisch großartige Frau“, kommentiert Kulturmacher Peter Baltruschat den Tod von Madeleine Sauveur. Sie war nicht nur bei der Eröffnung der Kleinkunstbühne vor 25 Jahren dabei. Die Premieren all ihrer Programme hat sie dort präsentiert – stets umjubelt. Und das Motto von 2004 „Gewusst wie?!“ sollte Programm sein. Denn Madeleine Sauveur wusste, zu begeistern. Zum letzten Mal ist sie im Mannheimer Schatzkistl mit ihrer musikalischen Weihnachtsshow aufgetreten. Diese wurde im Dezember 2022 mit dem Untertitel angekündigt: „Wünschen kann man sich alles!“ Ihr Wunsch, die Krankheit zu besiegen, blieb unerfüllt.

Freie Autorin

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