Wasserversorgung

Experte gibt Entwarnung: Warum Trinkwasser in Deutschland nicht knapp wird

Wird es aus deutschen Wasserhähnen künftig nur noch tröpfeln, weil mit dem Klimawandel die Sommer heißer werden und der Regen ausbleibt? "Nein", sagt Wasserexperte Berthold Niehues. Warum er Entwarnung gibt

Von 
Hanna Gersmann
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Dass in heißen und trockenen Sommern kein Wasser mehr aus der Leitung kommt, ist laut dem Wasserexperten Berthold Niehues in Deutschland unwahrscheinlich. © dpa

Berlin. Der Pegel des Rheins ist niedrig. Mancherorts gehen Felder in Flammen auf. Äcker verdorren. Deutschland fehlt Wasser. Wird auch das Trinkwasser knapp? Mancherorts ist längst von Wasserrationierungen die Rede. Aber Berthold Niehues vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches, der sich um die Sicherheit der öffentlichen Wasserversorgung kümmert, sagt: „Das Trinkwasser wird in Deutschland nicht knapp, auch in Zukunft nicht.“ Wie kommt er darauf? Es gibt doch zahlreiche Gegenargumente, vier Beispiele und seine Antworten.

128 Liter Wasser pro Tag und Kopf - und der Wasserverbrauch steigt

Der Juni war nach Auswertungen des EU-Klimawandeldienstes Copernicus der weltweit wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch wenn die aktuelle Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes für die nächsten Tage eher gewöhnlich lautet: „Wechselhaft mit Schauern und Gewittern, aber auch längeren trockenen Phasen. Im Nordwesten mäßig, sonst meist sommerlich warm.“ Die Klimakrise macht sich schneller bemerkbar als gedacht. Schon an einem durchschnittlichen Tag verbraucht jeder Deutsche aber 128 Liter Wasser. An heißen Sommertagen wird der gesamte Verbrauch noch mal mehr sein - wenn viele nach der Arbeit noch mal duschen, womöglich auch den Rasen sprengen und einen Pool auffüllen wollen.

„Ja, die Sommertage mit mehr als 25 Grad Celsius werden zunehmen und damit auch der Wasserverbrauch an diesen Tagen“, meint Niehues. Darauf müssten Anlagen und Netze der Versorger ausgelegt werden. Die Infrastruktur werde darum jetzt auf den Prüfstand gestellt. Der heiße und extrem trockene Sommer 2018 sei bereits ein „Stresstest“ gewesen, so Niehues, „die Systeme wurden damals sechs bis sieben Monate lang auf Volllast gefahren“. Sie seien in vielen Regionen sehr robust.

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Deutschland verliert Wasser

Aber Deutschlands Wasser schwindet. Jay Famiglietti, der Direktor des Global Institute for Water Security an der Universität im kanadischen Saskatoon, wertete im Auftrag der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Daten der Grace-Satelliten aus. Sie messen Abweichungen im Schwerefeld der Erde, wodurch sich Rückschlüsse auf den Wasserhaushalt ziehen lassen. Der Forscher sagte der ARD unlängst: „Deutschland hat in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren. Das ist unvorstellbar viel Wasser.“

Das sei ein starker Verlust, sagt auch Niehues, es handele sich dabei aber nicht um reines Grundwasser, aus dem Deutschland zu 70 Prozent sein Trinkwasser gewinne. Mit einberechnet seien abschmelzende Gletscher, fallende Pegel von Flüssen und Seen sowie die abnehmende Bodenfeuchte. Zweitens zöge Famiglietti einen Zeitraum heran, der in Deutschland sehr niederschlagsreich gewesen sei. Nur zur Erinnerung: 2002 traten die Elbe und weitere Flüsse nach starkem Regen über die Ufer, es war eine Katastrophe.

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Wasserwerke suchen neue Quellen

Vielerorts bohren Wasserwerke aber schon neue Brunnen. Manche denken auch über Verbundsysteme mit benachbarten Versorgern, Fernleitungen oder den Bau weiterer Talsperren nach. „Es geht um die möglichen Spitzenverbrauchszeiten, für die sich Versorger rüsten müssen“, sagt Niehues. Nicht überall in Deutschland gebe es gleich viel Niederschlag. So sei die Wassersituation von Region zu Region verschieden und „hier und da“ könne es doch mal einen Engpass geben. Kritisch sei das aber nicht, allenfalls komme es zu „Komforteinschränkungen“.

Experte rechnet  mit "kleinem Anstieg" bei der Grundwasserneubildung

Auto waschen, Blumen gießen, Planschbecken füllen - das werde dann vielleicht verboten, um das Versorgungssystem zu entlasten. „Deutschlandweit betrachtet“, sagt Niehues, „wird es im langjährigen Mittel künftig gleichbleibende Verhältnisse oder sogar einen kleinen Anstieg der Grundwasserneubildung geben.“ Das habe ausgerechnet mit dem Klimawandel zu tun: „Mit ihm werden die Winter milder und feuchter. Die Niederschläge fallen damit vermehrt, wenn die Vegetation ruht und wenig Wasser für ihr Wachstum braucht, im Winter.“ Das Wasser könne dann tief im Boden versickern, sich Grundwasser neu bilden. So sei langfristig genug da.

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Trinkwasser ist nicht alles

Allerdings geht es nicht nur um das Trinkwasser zuhause. In Deutschland werden derzeit pro Jahr insgesamt rund 20 Milliarden Kubikmeter Wasser gewonnen, nur ein Viertel davon für die öffentliche Wasserversorgung. Drei Viertel entfallen auf andere, darunter etwa die Energiewirtschaft, Industrie und Landwirtschaft. Und Bauern müssen in heißen und trockenen Sommern immer öfter ihre Felder bewässern.

„Alle Nutzer zusammen dürfen nicht mehr Grundwasser entnehmen als sich neu bildet“, sagt Niehues. Deshalb müsse Wasser auch in Kreisläufen geführt und wieder verwendet werden. Auf den Feldern könne so in trockenen Sommern geklärtes Abwasser aus kommunalen Kläranlagen landen, sogenanntes Klarwasser, vorausgesetzt Keime und andere Belastungen ließen dies zu. Bislang rauscht Wasser aus Toiletten oder Waschbecken über den Abfluss in die Kläranlage und von dort in die Flüsse und das Meer.

Bundesregierung bringt nationale Wasserstrategie auf den Weg

Die Bundesregierung hat im März eine Nationale Wasserstrategie mit Maßnahmen beschlossen, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Zuerst müsse bundesweit nach einheitlichen Methoden eine Wasserbilanz aufgestellt werden, fordert Niehues - wo ist wann wie viel Wasser da und wird verbraucht. Es mag erstaunen, dass es dazu bisher keine Daten gibt. Aber Deutschland ist eigentlich ein wasserreiches Land, lange Zeit war das Wassermanagement darum kein großes Thema. Niehues sagt es am Ende so: „Das Trinkwasser ist in Deutschland sicher, das heißt aber nicht, dass es in Zeiten des Klimawandels nichts zu tun gibt.“

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