Landgericht Frankenthal

Messerangriff in Ludwigshafen: So haben Eltern und Freunde den Prozessauftakt erlebt

Die Konfrontation mit dem mutmaßlichen Mörder seines Sohnes hat Kurt Sprengart gefürchtet. Am Freitag stand er ihm nun gegenüber. Wie es ihm und Freunden des getöteten Jonas dabei ging

Von 
Julian Eistetter
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Kurt Sprengart (Mitte), Vater des getöteten Jonas, vor Prozessbeginn im Gespräch mit seinem jüngeren Sohn Noel und Rechtsanwältin Ursula Domke. © Klaus Venus

Frankenthal/Ludwigshafen. Kurt Sprengart steht vor Saal 20 des Frankenthaler Landgerichts auf dem Flur. Um ihn herum schart sich eine Gruppe Journalisten, sie halten Mikrofone vor sein Gesicht, richten Kameras auf ihn. Er habe in der Nacht kaum geschlafen, berichtet der Vater des bei einem Messerangriff im Oktober in Oggersheim getöteten Jonas kurz vor dem Prozessauftakt gegen den mutmaßlichen Mörder Liban M. Er sei das erste Mal vor Gericht, habe Angst. „Woher ich die Kraft nehme, weiß ich selbst nicht“, sagt er. Da ist es kurz vor 9 Uhr am Freitag.

"Froh, dass ich mich überwunden habe"

Einige Stunden später ist der 56-Jährige erleichtert. Der erste Verhandlungstag am Frankenthaler Landgericht ist beendet. Die gleichermaßen herbeigesehnte und gefürchtete Konfrontation mit dem 26-jährigen Somalier, der seinen 20 Jahre alten Sohn und dessen 35-jährigen Kollegen Sascha getötet und einen weiteren Mann schwer verletzt haben soll, ebenfalls. „Mir hat das sehr gut getan. Ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Dass ich mich überwunden habe“, berichtet Sprengart.

Polizisten sichern den Tatort in Ludwigshafen-Oggersheim. © Alexander Keutz/Keutz TV-NEWS

Er sei sehr aufgeregt gewesen, als Liban M. den Sitzungssaal betreten habe. „Im Endeffekt ist er ein Milchgesicht, in dem ein Killer steckt“, sagt der selbstständige Unternehmer aus Ruchheim. „Ich hatte ja Angst, dass mich sein Anblick verfolgen würde. Aber ich habe keine Panik, wenn ich an sein Gesicht denke.“ Seine Frau Maja habe sich zum Prozessauftakt wegen derselben Befürchtungen nicht überwinden können, mit in den Saal zu kommen. Beim nächsten Termin werde sie es aber vielleicht auch tun.

Einmal bricht es heraus

Obwohl er den Anblick des mutmaßlichen Mörders seines Sohnes besser verkraftet hat als angenommen, muss sich Kurt Sprengart während der Einlassung des Somaliers mehrfach auf die Zunge beißen. „Ich hatte den ganzen Tag Puls und Blutdruck“, berichtet er. Einmal bricht es dann auch aus dem 56-Jährigen heraus, die Vorsitzende Richterin Mirtha Hütt muss ihn zurechtweisen. „Ich habe mich anschließend bei ihr entschuldigt und ihr gesagt, dass sie von mir nichts mehr hören wird.“ Dass sie keine Zwischenrufe dulden wird, hatte Hütt in einem eindringlichen Appell vor der Hauptverhandlung bereits klar gemacht.

Manchmal warte ich immer noch darauf, dass er anruft
Jessie Nachbar des Opfers

Nicht nur die Familie stellt sich dem Prozess. Jessie hat sich eine Kette machen lassen. Mit einem Foto von Jonas im Anhänger. Der 17-Jährige ist gemeinsam mit einem Schulfreund und einer Freundin des Getöteten zum Gericht gekommen. „Ich wohne in der Nachbarschaft der Familie Sprengart, zwei Häuser weiter“, berichtet er. Jonas habe er fast täglich gesehen, ständig mit ihm telefoniert. Auch abends oder nachts. „Manchmal warte ich immer noch darauf, dass er anruft“, sagt Jessie. Dass er seinen Freund nie wieder sehen wird, ist schwer zu begreifen.

"Jonas hat uns zum Lachen gebracht"

Jonas sei ein „lustiger und gechillter Typ gewesen“, sagt der 20 Jahre alte Schulfreund, der seinen Namen nicht in den Medien lesen will. „Er hat uns immer zum Lachen gebracht.“ Das Lachen ist nun Hass gewichen. Hass auf den Mann, der ihnen den Freund genommen hat. Es sei schwer für sie, ihre Emotionen im Griff zu behalten, wenn sie Liban M. sehen. Wie Jonas’ Eltern und die Angehörigen des zweiten Opfers, Sascha, wünschen sich auch die Freunde nur eines: Dass der Angeklagte nie wieder frei auf der Straße herumlaufen wird.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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