Klimapolitik

Darum geht es in ZEW-Chef Achim Wambachs Buch „Klima muss sich lohnen“

Achim Wambach, der Präsident des Mannheimer ZEW, hat ein Buch über Klimapolitik geschrieben. Er erklärt, warum das schlechte Gewissen allein seiner Ansicht nach kein guter Ratgeber für das Handeln in der Klimakrise ist.

Von 
Walter Serif
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Der innereuropäische Flugverkehr unterliegt dem Emissionshandel. Wenn Flugzeuge am Boden bleiben, ändert dies nichts am Gesamt-CO-Ausstoß. © dpa

Mannheim. Bei seinem Buch über die Digitalisierung gehörte Achim Wambach (kleines Bild) noch zur schnellen Truppe. Das ist bei seinem zweiten Werk, das am 15. August im Verlag Herder erscheinen soll, anders. Bücher über das Klima gibt es bereits wie Sand am Meer. Der Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) musste also viel lesen und vor allem auch einen eigenen Dreh finden, sonst hätte er es ja gleich bleiben lassen können. Das hat geklappt. Der Titel heißt „Klima muss sich lohnen“ - diese These zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und macht dem Leser klar, dass Wambach sich jetzt nicht als spätberufener Klimaforscher wichtig macht, sondern mit dem Blick des Ökonomen die Verästelungen der Klimapolitik entwirren will.

Viele Akteure

Wambach tritt also am Montagabend in eigener Sache beim „#ZEWBookTalk“ auf. Er nutzt sein Heimspiel, um das Publikum für seine Ideen zu gewinnen. „Sie können das Buch schon vorbestellen“, witzelt der Ökonom. Und Wambach macht auch gleich am Anfang klar, dass er sich beim Klimaschutz auf die Seite der Verantwortungsethik im Sinne des Soziologen Max Weber schlägt. Diese bewertet - anders als die Gesinnungsethik - das Handeln nicht nach der Absicht, sondern nach ihren Folgen. Eine Handlung ist also nur dann gut, wenn etwas Gutes darauf folgt. Deshalb lautet der Untertitel des Buches auch „Ökonomische Vernunft für ein gutes Gewissen“.

© picture alliance/dpa

Das heißt im Umkehrschluss, dass das schlechte Gewissen allein kein guter Ratgeber für das Handeln in der Klimakrise ist. Wambach beleuchtet die Klimapolitik nach ökonomischen Gesichtspunkten. Klingt einfach, ist es aber gar nicht, weil es so viele Akteure gibt: Die EU, Deutschland, die Bundesländer, die Städte - sie alle betreiben Klimapolitik auf unterschiedlichen Ebenen. Und dann gibt es auch noch den Rest der Welt, der ja größer als Europa ist. Bei alldem gilt es, eine Besonderheit der Klimapolitik zu beachten, wie Wambach ausführt: die Betonung der individuellen Verantwortung. Es ist schwerer, ein Steinkohlekraftwerk zu kritisieren, wenn einen nach dem CO2-Flug nach Mallorca das schlechte Gewissen plagt.

Dieses schlechte Gewissen lässt sich aber mit dem individuellen CO2-Fußabdruck genau berechnen. Deshalb wollen ihn viele ja auch reduzieren - etwa durch eine Solaranlage auf dem Dach oder den Kauf eines Elektroautos.

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Bei seiner Recherche stieß Wambach allerdings auf einen zufälligen Fund auf Twitter, der ihn stutzig machte. Der Begriff „Carbon Footprint“ wurde demnach 2003 durch den britischen Minerölkonzern BP populär gemacht. Warum investiert ein Unternehmen, das sein Geld mit Öl und Tankstellen verdient, in eine Kampagne zur Bekämpfung des Klimawandels? Wambach vermutet, dass die Betonung des persönlichen Fußabdrucks die Verantwortung auf den Einzelnen verlagern und damit den Handlungsdruck auf Politik und Unternehmen verringern soll.

Ökonom und Physiker

  • Achim Wambach steht seit 2016 an der Spitze des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
  • Er ist unter anderem Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums.
  • Wambach promovierte in Physik an der Universität Oxford, später folgte eine Habilitation in Volkswirtschaftslehre.
  • Der gebürtige Kölner lehrte VWL an der Uni Erlangen-Nürnberg, bevor er später als Direktor das Institut für Wirtschaftspolitik (iwp) in Köln leitete. 

Diese individuelle Betroffenheit gibt es nach Wambachs Ansicht in anderen Politikbereichen nicht in diesem Ausmaße. Als Beispiel nennt er die Jugendarbeitslosigkeit, eines der größten strukturellen Probleme in Europa. Wer ist für die Arbeitsmarktpolitik, die sich auch um Jugendliche kümmern soll, verantwortlich? Genau, die Regierung. Man könnte aber doch auch mit der Bahn fahren, falls diese mehr Jugendliche ausbildet als die Autokonzerne, meint Wambach. Macht aber keiner. Anders als in der Klimapolitik, in der die Verantwortung des Einzelnen ein Dauerthema ist.

Die zentralen Fragen dabei sind für Wambach: Was hilft, was schadet? Er nennt ein Beispiel aus seiner Familie. Als er nach Wien dienstlich fliegen wollte, protestierten die Kinder und meinten, er solle die Bahn nehmen. Aus Klimaschutzgründen. Sein Argument, dass innereuropäische Flüge doch im europäischen Emissionshandel seien, stieß allerdings auf Kopfschütteln.

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Wambach erklärt im Buch plastisch den Marktmechanismus bei der Bepreisung von CO2. Die EU hat die Zahl der Zertifikate für die Bereiche Stromerzeugung, energieintensive Energie und innereuropäischen Flugverkehr so festgelegt, dass sie den europäischen Klimazielen entsprechen. Dadurch wird CO2 dort reduziert, wo es am günstigsten ist. Unternehmen, denen das schwerfällt, müssen Zertifikate kaufen. Das heißt: Es ändert sich nichts am Gesamt-CO2-Ausstoß, wenn eine Airline für einen innereuropäischen Flug Zertifikate kauft. Wambach erklärt das mit einem plastischen Beispiel. Seine Familie will in der Fastenzeit weniger Süßes essen. Es gibt nur 15 Schokoriegel. Wer sie isst, ist egal. Die Menge ist begrenzt. Genau so läuft’s beim Zertifikatehandel.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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