Mannheim/Würzburg. Papier ist derzeit knapp und teuer - das bekommen auch Buchverlage in der Region zu spüren. „Wir merken das vor allem bei unseren Pappbilderbüchern“, sagt ein Sprecher der Weinheimer Verlagsgruppe Beltz mit ihrer großen Kinderbuchsparte. Zwar bekomme man ausreichend Papier, teilweise verzögere sich die Buch-Produktion aber und dauere zum Beispiel acht statt vier Wochen. „Gerade bei zeitsensiblen Produkten, die zum Beispiel für das Weihnachtsgeschäft wichtig sind, müssen wir da in der Herstellung entsprechend gut planen und teilweise auch etwas erfinderisch sein“, so der Beltz-Sprecher. Auflagen würden teils gesplittet und auf mehrere Druckereien verteilt.
Ähnlich sieht es beim Mannheimer Verlag Kunstanstifter aus. „Unser Frühjahrsprogramm drucken wir normal ab November. Bei zwei Werken mussten wir das jetzt in den Januar verschieben, weil erst dann passendes Papier verfügbar ist“, erklärt Verlegerin Suse Thierfelder.
Auch Zeitungsverlage betroffen
Von der Lage auf dem Papiermarkt sind auch Zeitungen betroffen. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) hatte zuletzt von einem „erheblichen Preisdruck“ gesprochen und vor einer drohenden Unterversorgung gewarnt.
Auch bei der Haas-Mediengruppe, zu der auch der „Mannheimer Morgen“ gehört, sind die Kosten für Papier zuletzt gestiegen. „Wir haben zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren erlebt, dass wir trotz Jahresverträgen eine unterjährige Papierpreiserhöhung hinnehmen mussten“, sagt Produktionsleiter Guido Moch. Allerdings seien die Preise zu Jahresbeginn vergleichsweise niedrig gewesen.
Für das nächste Jahr seien massive Steigerungen zu erwarten: „Die angekündigten Papierpreise für 2022 sehen eine drastische Erhöhung von derzeit mehr als 80 Prozent vor, einige rechnen sogar damit, dass sich der Preis verdoppelt“, so Moch.
Ursache sei der Rohstoffmangel: Zeitungspapier wird zu 100 Prozent aus Altpapier hergestellt. Das wiederum ist knapp, auch weil durch den Lockdown in der Corona-Krise insgesamt weniger gedruckt wurde.
30 bis 35 Prozent höhere Kosten
Bei der Frühjahrs-Vorschau, die aktuell gedruckt werde, habe man auf ein anderes Papier als üblich ausweichen müssen. „Das ist aber nicht schlimm. Wichtig ist, dass alle Neuerscheinungen wie geplant im März publiziert werden können - rechtzeitig zu den für uns wichtigen Messen. Und das wird uns auch gelingen“, sagt Thierfelder. Der Mannheimer Verlag ist auf aufwendig illustrierte Bilderbücher spezialisiert - und verwendet dafür spezielles Papier. „Von unserer Druckerei haben wir gerade erfahren, dass die Kosten dafür im Moment 30 bis 35 Prozent höher liegen als bisher - bis Frühjahr geht sie aber davon aus, dass sich das normalisiert.“ Es sei nicht geplant, die höheren Kosten auf den Buchpreis umzulegen. Beim Beltz-Verlag heißt es: „Dass Papier teurer wird, wirkt sich natürlich auf die Branche insgesamt aus. Wir versuchen derzeit, Preiserhöhungen unserer Produkte zu vermeiden, und werden auch künftig Wert darauf legen, gerade preissensible Produkte nicht im Preis zu erhöhen.“
Preiserhöhungen für den Verbraucher schließt auch der Mannheimer Wellhöfer Verlag aus. Dennoch stehe die Branche „unter einem gewaltigen Preisdruck“, sagt Verleger Ulrich Wellhöfer und führt das auf eine „immer weiter zunehmende Konzentration des Absatzmarktes und den extremen Preisdruck aus dem eBook-Sektor“ zurück. Bereits bei den „ersten Anzeichen einer sich abzeichnenden Problematik der Papierknappheit“ habe der Verlag reagiert, die Herbst/Winter-Produktion fertiggestellt und in Druck gegeben. Zudem sei der Verlag „erhebliche Risiken zu hoher Auflagen und Lagerbestände“ eingegangen und habe Bücher, „von denen wir uns erhoffen, dass wir aufgrund erwartbarer Verkäufe noch in diesem Jahr einen Nachdruck brauchen könnten“, frühzeitig nachgedruckt. Das Risiko sei in Kauf genommen worden, erklärt Wellhöfer, um im Weihnachtsgeschäft lieferbereit zu bleiben. „Wir sehen kaum eine Chance, im November und Dezember, wie üblich, Bücher kurzfristig und liefersicher nachzudrucken.“
Als Grund für die Situation auf dem Papiermarkt gilt unter anderem, dass viele Hersteller zuletzt verstärkt auf Verpackungsmaterial und Kartonagen für den boomenden Onlinehandel umgesattelt haben. Entsprechend schrumpfen die Produktionskapazitäten für grafische Papiere, die für Bücher verwendet werden. Die verbleibenden Anbieter produzieren unterdessen auf Hochtouren. „Wir sind aktuell sehr stark ausgelastet und können nicht alle Anfragen im gewünschten Zeitraum bedienen“, heißt es beispielsweise bei der Firma Lenk Paper. Sie stellt an ihrem Standort in Bad Dürkheim mit 95 Beschäftigten jährlich etwa 30 000 Tonnen Papier für den Buchdruck her.
Normalisierung wohl erst 2022
Auch Flyeralarm beobachtet Lieferengpässe, „weil keine weiteren Papiermengen seitens der Hersteller verfügbar sind“. Zwar habe sich die in Würzburg ansässige Online-Druckerei ebenfalls auf die sich bereits „vor einigen Monaten“ anbahnende Marktlage vorbereitet und sieht sich deshalb „gut aufgestellt“, aber: „Mit Blick auf die volatile Lage am weltweiten Rohstoff- und Energiemarkt sind vereinzelte Preisanpassungen in geringem Ausmaß nicht ausgeschlossen“, teilt das Unternehmen dieser Redaktion mit. Wie auch Lenk-Paper-Geschäftsführer Dirk Schuldt und Verleger Ulrich Wellhöfer geht Flyeralarm davon aus, dass sich die Liefersituation frühestens Anfang 2022 normalisiert.
Auch bei den Preisen sei eine Entspannung erst einmal nicht in Sicht - im Gegenteil. Schuldt zufolge müssen die Hersteller selbst höhere Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistikleistungen stemmen; diese wiederum würden auf hohem Niveau stagnieren. „Das wird eine weitere Preisanpassung bei unseren Papieren notwendig machen“, sagt der Lenk-Paper-Geschäftsführer. Das Unternehmen habe die Preise zwar zuletzt schon mehrfach anheben müssen - damit habe man die „massiven Erhöhungen“ der Lieferanten aber bei weitem nicht kompensieren können.
Bei der Verlagsgruppe Beltz ist die Papierknappheit am Markt unterdessen nicht der einzige Faktor, der derzeit teilweise zu Verzögerungen führt. „Während der Großteil unseres Sortiments in Deutschland und in unserer eigenen Druckerei in Bad Langensalza produziert wird, werden beispielsweise die Grüffelo-Bücher vom lizenzgebenden Verlag in Fernost hergestellt und nach Deutschland geliefert. Da war es zuletzt immer schwieriger, genügend Platz in Seefrachtcontainern zu bekommen“, erklärt der Sprecher. Die Bestände in Deutschland seien aber gut gefüllt: „Für das Weihnachtsgeschäft sind wir gut aufgestellt.“
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