Mannheim. Zement- und Chemieindustrie stehen wegen ihrer hohen Kohlendioxid-Emissionen längst am Pranger von Klimaaktivisten. BASF und HeidelbergCement aber bezeichnen sich in diesen Branchen als Vorreiter mit ihren Zielen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Stimmt das auch? Der Klimaexperte Manfred Fischedick hat sich für diese Redaktion die Programme der beiden Dax-Konzerne angeschaut.
Herr Fischedick, sind die Klima-Ziele von BASF und Heidelberg-Cement ambitioniert genug?
Fischedick: Ja, die Zielvorgaben sind ambitioniert, damit gehören die beiden Konzerne national und international zu den Vorreitern. Deutschland und Europa haben sich sehr ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Europaweit wollen wir 2050 klimaneutral werden, in Deutschland sogar schon 2045. Dazu müssen auch die Unternehmen ihren Beitrag leisten. Wer jetzt auf die falsche konventionelle Technologie bei Neuinvestitionen setzt, läuft Gefahr, dass die Kunden davonlaufen und sich die Finanzmärkte abwenden.
Fangen wir bei HeidelbergCement an, was ist Ihr Urteil?
Fischedick: HeidelbergCement hat sich bis 2025 vorgenommen, 30 Prozent an CO2-Emissionen pro Tonne Zement zu verringern. Das klingt erst mal nicht ganz so ambitioniert im Vergleich zu Deutschlands absoluten Zielen. Aber gerade die Zementbranche hat, wenn es um die Reduktion von Treibhausgasen geht, so ziemlich die komplexeste Aufgabe in der Industrie. Verbesserungen können nur stufenweise gehen - da sind die 30 Prozent ein Schritt in die richtige Richtung. Spätestens nach 2030 muss es aber schnell in Richtung Nullemissionen gehen. Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt und Pilot- und Demonstrationsanlagen errichtet werden.
Warum ist es bei der Zement- industrie so schwierig, den CO2-Ausstoß zu verringern?
Fischedick: Weil zwei Drittel des Ausstoßes prozessbedingt sind - bei der Herstellung des Zements fällt viel Kohlendioxid aufgrund der chemischen Prozesse an. Solange Zement als Baustoff genutzt wird, fallen CO2-Emissionen also unweigerlich an. Weniger CO2-Ausstoß ist dann nur möglich, wenn das anfallende Gas im ersten Schritt abgeschieden und aufgefangen wird und im zweiten Schritt genutzt oder langzeitstabil eingelagert wird. HeidelbergCement hat das in Werken in Schweden und Norwegen vor. Aber das ist eine Technologie, die können Sie noch nicht von der Stange kaufen. Entsprechend kann man nicht erwarten, dass eine Umsetzung in zehn Jahren schon in großem Maßstab erfolgen kann. Mit den Anlagen in Skandinavien wird HeidelbergCement wichtige Erkenntnisse für eine spätere, breitere Anwendung sammeln können.
Aber man hätte ja früher anfangen können, diese Technologien zu entwickeln.
Fischedick: Das hat HeidelbergCement ja. Aber gerade die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid wurde in Deutschland lange Jahre nicht von der Gesellschaft akzeptiert. Das ändert sich jetzt erst aufgrund der verschärften Klimaschutzziele ganz langsam, so dass auch hier solche Projekte möglich werden könnten. Nicht umsonst hat der Konzern die ersten Projekte in Skandinavien gestartet.
Warum dort?
Fischedick: Das CO2 muss ja zu geeigneten Lagerstätten transportiert werden. Und das ist in Schweden und Norwegen mit den entsprechenden geologischen Strukturen unterhalb der Nordsee deutlich einfacher. Es ist durchaus möglich, dass auch das CO2 aus den deutschen Zementwerken dort gespeichert wird. Hierfür brauchen wir aufgrund der räumlichen Verteilung der Zementwerke dann auch für Deutschland eine CO2-Infrastruktur. Das braucht Vorbereitungszeit und Kooperationen sowie das Werben um gesellschaftliche Akzeptanz - aber das steht jetzt an.
Manfred Fischedick
Manfred Fischedick ist Energie- und Klimaforscher, dessen Expertise unter anderem in wissenschaftlichen Kommissionen für politische Gremien gefragt ist.
Seit Januar 2020 ist er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts.
Seit 2008 ist er außerplanmäßiger Professor des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Schumpeter School of Business and Economics an der Bergischen Universität Wuppertal.
Kommen wir zur BASF. Wie finden Sie die Klimapläne des Chemiekonzerns?
Fischedick: Grundsätzlich hat das Unternehmen sehr hohe und ambitionierte Ziele, vor allem was die Dynamik der Minderung der absoluten Emissionen angeht. Es kommt am Ende des Tages darauf an, was in Summe an Emissionen ausgestoßen wird - das macht den Klimawandel aus. Je früher substanziell gemindert wird, desto besser. BASF will bis 2030 - im Vergleich zu 1990 - 60 Prozent weniger Kohlendioxid emittieren. Das übertrifft die europäischen und kommt ganz nah ran an die deutschen Ziele für diesen Zeitpunkt.
Wie sinnvoll ist dabei die Beteiligung an Windparks? BASF hat einen halben Windpark in der niederländischen Nordsee erworben und plant ein Projekt vor der deutschen Küste.
Fischedick: Die große Herausforderung dieser Transformation ist, genügend grünen Strom zu bekommen. Sehr viele der neuen Technologien, wie elektrisch betriebene Steamcracker, brauchen Strom - genauer gesagt: grünen Strom. Und damit die Prozesse klimaneutral werden, muss der eben aus erneuerbaren Energien kommen. Dass sich BASF an Offshore-Windparks mit direkten Lieferverträgen beteiligt, ist ein wichtiger Schritt. Das garantiert, dass der Strom eins zu eins aus erneuerbaren Energien kommt.
Wo ist das Problem?
Fischedick: Für die Versorgung der großen Verbraucherschwerpunkte braucht es einen Ausbau der Leitungssysteme. Der Strom kommt aus der - für die BASF besonders großen - Steckdose. Dafür muss er aber nach Ludwigshafen geliefert werden. Wenn zukünftig besonders viel Windstrom in Nord- und Ostsee erzeugt wird, weil hier die großen Potenziale in Deutschland sind, dann müssen die Stromtrassen dafür dringend ausgebaut werden. Sonst funktioniert es nicht. BASF braucht zudem weitere Bezugsquellen, denn die jetzt gesicherten Strommengen reichen alleine nicht für eine volle grüne Abdeckung aus.
Kann die Infrastruktur nach den Plänen der Ampel-Koalitionäre schnell genug ausgebaut werden?
Fischedick: Der Ausbau im Bereich erneuerbarer Energien wurde in den vergangenen vier Jahren ziemlich verschleppt, ja regelrecht verschlafen. Wir bräuchten etwa ein Dreifaches der aktuellen jährlichen Ausbaukapazitäten an erneuerbaren Energien. Dafür ist es - gerade für die Windenergie an Land - ganz entscheidend, dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren drastisch verkürzt werden. Das ist grundsätzlich möglich, auch ohne die berechtigten Belange von Natur-, Vogel- und Landschaftsschutz zu vernachlässigen. Das ist die zentrale Aufgabe für die künftigen Koalitionspartner.
Helfen die Klima-Pläne von SPD, Grünen und FDP der BASF und HeidelbergCement?
Fischedick: Das muss sich noch zeigen. Die Herausforderungen sind meines Erachtens erkannt worden. Die durchschnittliche Genehmigung eines Windparks darf nicht sechs bis sieben Jahre dauern, sondern vielleicht nur noch ein Zehntel davon, damit wir die notwendige Dynamik hinbekommen. Eine weitere Herausforderung ist die zumindest zeitweise Abdeckung von Zusatzkosten für innovative Prozesse in der Industrie, um die Wettbewerbsfähigkeit im hart umkämpften Weltmarkt nicht zu verlieren und Vorreiterchancen ausschöpfen zu können. Auch dafür geeignete Instrumente stehen auf der Agenda der Koalitionsverhandlungen.
Nehmen Sie den Konzernen ab, dass sie wirklich beim Klimaschutz mitgestalten wollen? Oder reagieren diese nur auf öffentlichen Druck und strengere Vorgaben?
Fischedick: Da hat sich unglaublich viel in den Köpfen geändert. Vor ein paar Jahren noch hat die Großindustrie gegen erneuerbare Energie argumentiert. Das ist zu teuer, das ist nicht versorgungssicher, hieß es. Heute sind es genau diese großen Industrieplayer, die grüne Energieträger als einziges Mittel für ihre Transformation sehen. Gleichzeitig stehen diese Unternehmen im globalen Wettbewerb. Sie brauchen gerade bei den ersten Schritten öffentliche Fördermittel. Denn die neuen Anlagen sind noch teuer, auch der laufende Betrieb wird mehr kosten. Die Politik muss helfen, den Impuls zu setzen, bis die neuen Technologien Standard werden.
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