Rhein-Neckar/Berlin. Mit was müssen Kundinnen und Kunden derzeit rechnen?
„Privatkunden warten länger auf Handwerker und zahlen deutlich mehr“, hat Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, vor Kurzem der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Im Bauhauptgewerbe warteten Kunden im Durchschnitt 14 Wochen und im Ausbaugewerbe elf Wochen. Damit seien die Wartezeiten noch einmal gestiegen, etwa für Häuslebauer. „Dieser Trend ist auch bei uns in der Region zu erkennen und nicht wegzuleugnen“, erklärt ein Sprecher der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar Odenwald. Kunden müssten dies entsprechend einplanen. „Die Handwerksbetriebe haben natürlich ihre Angebote und Produkte auch sorgfältig durchzukalkulieren und können nicht unter Preis arbeiten.“ Ähnlich hat sich zuletzt die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main geäußert.
Wie werden sich die Preise weiter entwickeln?
Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich offensichtlich darauf einstellen, dass die Preise auf höherem Niveau bleiben. „Diese Preisentwicklung bei Materialien, die es in den vergangenen Monaten gegeben hat, das habe ich in weit über 40 Jahren Selbstständigkeit so noch nicht erlebt“, sagt auch Handwerkspräsident Wollseifer. „Bauen wird zukünftig teurer werden, nicht nur, weil die Löhne steigen, sondern weil die Preise für Materialien steigen. Denn es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die Preise - selbst bei einer Entspannung bei den Materialengpässen - nicht wieder vollständig auf das Vorkrisenniveau sinken werden.“
Weshalb sind die Preise überhaupt so stark gestiegen?
Als Hauptgründe für steigende Materialpreise etwa bei Holz, Metallen und Dämmstoffen gelten teurere Rohstoffe durch eine stark steigende Nachfrage aus China und den USA sowie Produktionsprobleme bei verschiedenen Gütern. Gleichzeitig haben hierzulande viele Eigentümer von Immobilien in der Pandemie ihre Häuser sanieren lassen - oder viele Menschen haben sich erst für ein Eigenheim entschieden. Die durch die Corona-Krise heruntergefahrene Produktion ist auf diesen Boom nicht vorbereitet gewesen. „Die Gründe für diese Knappheit liegen im Welthandel, der einzelne Handwerksbetrieb hat darauf überhaupt keinen Einfluss“, so der Sprecher der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar Odenwald.
Welche Branchen werden am meisten von dem Materialmangel getroffen?
Der Mangel wirkt sich in allen Gewerken aus. Elektriker hätten Kabel nicht bekommen und Kfz-Werkstätten lange auf Ersatzteile gewartet, sagt der Sprecher der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar Odenwald. Schreiner fehlten Einbaugeräte für den Küchenausbau. Trotz voller Auftragsbücher hätten Dachdecker sogar Kurzarbeit angemeldet. Auch Dämmstoffe seien dem Materialmangel unterworfen.
Was können Kundinnen und Kunden in dieser Lage am besten tun?
Auch wenn die Betriebe ihren Kundinnen und Kunden am liebsten etwas anderes sagen würden: Sie werden vielfach mit längeren Wartezeiten und höheren Preisen rechnen - und das entsprechend einplanen müssen. Die Kammern raten, fortlaufend mit den Betrieben im Gespräch zu bleiben.
Wie ist die konjunkturelle Lage im Handwerk?
Die konjunkturelle Lage bezeichnet Handwerkspräsident Wollseifer als höchst unterschiedlich. „Bau und Ausbau haben sich trotz der Preisexplosion immer noch positiv entwickelt. Dagegen haben wir natürlich Gewerke, die sehr stark leiden, die körpernahen Dienstleistungen, der Messebau, die Feinwerkmechaniker, die Kfz-Gewerke“, sagt er mit Blick auf Beschränkungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Obwohl das vergangene Jahr alles andere als einfach war, rechnet das baden-württembergische Handwerk für 2021 mit einem Umsatzplus von zwei Prozent. Der Ausblick für 2022 gestaltet sich schwierig. „Sollte die Pandemie bis Jahresmitte im Griff sein und sich die Materialsituation verbessern, wäre ein Umsatzanstieg von bis zu vier Prozent denkbar. Angesichts neuer Virusvarianten und möglicher Einschränkungen unterliegt diese Prognose aber einer hohen Unsicherheit“, wird Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold in einer Mitteilung zitiert.
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