Rhein-Neckar. Die rote Ampel, die am Sonntag auf so manchem Handy erschienen ist, hat viele verwundert und einige besorgt: Der Stromnetzbetreiber TransnetBW hatte die Menschen in Baden-Württemberg aufgefordert, für zwei Stunden ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Was steckt dahinter? Wir geben einen Überblick.
Wer ist TransnetBW denn überhaupt?
Das Unternehmen ist eine Tochter der EnBW – und einer von vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland, also jener „Stromautobahnen“, die die Energie quer durch die Republik leiten – meist vom windreichen Norden in den verbrauchsstarken Westen und Süden.
Was war das Problem am letzten Sonntag?
In Norddeutschland war heftiger Wind erwartet worden – so viel, dass die dortigen Windräder viel mehr Strom produziert hätten, als das nicht ausreichend ausgebaute Netz nach Süden hätte transportieren können. Darum erwartete TransnetBW einen Engpass, den man sich wie eine Art Stau vorstellen kann. Und um dieses Problem zu lösen, hat das Unternehmen mehrere Maßnahmen ergriffen.
Welche Maßnahmen sind eingeleitet worden?
Zum einen sind im Norden Windräder quasi abgeschaltet worden, um weniger Strom ins Netz einzuspeisen. Gleichzeitig sind auf der anderen Seite des „Staus“ Kraftwerksbetreiber aufgefordert worden, ihre Anlagen hochzufahren, um für einen Ausgleich zu sorgen. Fachleute nennen das auch Redispatch. Zudem ist Strom aus der Schweiz gekauft worden, um den hiesigen Bedarf bedienen zu können – denn dieser war für einen Sonntagnachmittag ungewöhnlich hoch.
Warum war der Bedarf am Sonntag so hoch?
Das ist nach Angaben von TransnetBW eine Folge des Marktmechanismus: Weil mit viel billigem Windstrom gerechnet wurde, sind die Strompreise in den Keller gefallen. Das führte dazu, dass sich viele Großverbraucher eindecken wollten. Darum war der Bedarf deutlich höher als an normalen Sonntagen.
War die Situation so kritisch, dass ein Blackout drohte?
TransnetBW verneint das: „Es gab keine Gefahr eines Stromausfalls“, betont eine Sprecherin des Unternehmens. „Unser Werkzeugkasten ist gut gefüllt, so dass wir in solchen angespannten Situationen gut und zielführend reagieren und das Netz stabilisieren können.“
Warum hat das Unternehmen dann über seine App gewarnt?
Nach Angaben der Sprecherin ging es in erster Linie darum, die Bürgerinnen und Bürger zu „sensibilisieren“. Man wolle zeigen, dass jeder einzelne einen Beitrag zur Entspannung leisten könne – indem er Strom spart. Denn wenn das geschieht, müsse das Unternehmen zum einen weniger Strom zu hohen Preisen aus dem Ausland kaufen. Zum anderen müssten dann weniger Kraftwerke in Süddeutschland hochgefahren werden – die in der Regel fossile Energieträger nutzen, also CO2 ausstoßen. Darum springe die Ampel in der „Stromgedacht“-App auf Rot, wenn mehr als 500 Megawatt Strom aus dem Ausland benötigt würden.
Wie häufig gibt es solche Fälle denn?
Immer öfter: Dass die Betreiber Maßnahmen ergreifen, um das Stromnetz zu stabilisieren, gehört inzwischen zum Tagesgeschäft. Das teilen sowohl TransnetBW als auch Amprion mit, die unter anderem für das Übertragungsnetz in Südhessen verantwortlich sind. „An der Mehrheit der Tage im Jahr“ setze man Instrumente wie die Redispatch-Anforderungen ein. Dass es Einsätze in der Größenordnung von Sonntag gibt, sei dagegen „eher selten“. Näher quantifizieren will man das bei TransnetBW aber nicht. Die im November eingeführte App hat zwei Mal zum Stromsparen aufgerufen: am 7. Dezember und am Sonntag.
Wird das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) bei solchen Einsätzen auch angefordert?
Ja. Im vergangenen Jahr ist es nach Angaben des Vorstands rund 160 Mal für einen Redispatch-Einsatz angefordert worden. Das sei einer der höchsten Werte gewesen. Ein Einsatz könne von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen dauern. Auch am Sonntag wurden alle GKM-Blöcke angefordert. Aufgrund eines Defekts konnte Block 7 jedoch nicht eingesetzt werden.
Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!
Warum steigt die Zahl der Stabilisierungsmaßnahmen in den letzten Jahren stetig an?
Das liegt an der Energiewende. Dadurch, dass hierzulande immer mehr Strom aus Wind- und Solarkraft erzeugt wird, sind die Schwankungen deutlich größer: So gibt es an manchen Tagen sehr viel Strom, während an anderen kein Wind weht und keine Sonne scheint. Hinzu kommt, dass die vom Wetter abhängigen Energien schwerer steuerbar sind als etwa Atom- oder Kohlekraftwerke. Das eigentliche Problem ist jedoch ein anderes.
Was ist das eigentliche Problem bei der ganzen Sache?
Der mangelhafte Netzausbau. Weil in Norddeutschland vor allen Dingen aufgrund des höheren Windvorkommens deutlich mehr erneuerbare Energie erzeugt werden kann, im hoch industrialisierten Süden jedoch mehr verbraucht wird, ist schon lange klar, dass weitere „Stromautobahnen“ benötigt werden. Der Ausbau kommt jedoch kaum voran und hinkt um etliche Jahre hinterher: TransnetBW geht inzwischen davon aus, dass die zwei wichtigsten Leitungen für die hiesige Region 2027 und 2028 fertig werden. Erst dann dürfte die Zahl der Engpässe signifikant sinken.
Und wer bezahlt die Kosten für solche Eingriffe ins Stromnetz?
Wir alle: Über die Netzentgelte werden sie auf die Stromkundinnen und -kunden verteilt. Bundesweit sind 2021 für Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen rund 2,3 Milliarden Euro ausgegeben worden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-warum-die-strom-app-rot-aufleuchtet-_arid,2042160.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-laender-transnetbw-ruft-suedwesten-fuer-sonntagabend-zum-stromsparen-auf-_arid,2040110.html