Berlin. So viel Kram landete bei den Zollbeamten am Frankfurter Flughafen sonst nicht auf den Tischen: Klamotten, Spielzeug aus Plastik, Werkzeug. Täglich reißen sie hunderte Pakete auf, schauen, was drin ist: Sind die Artikel gefährlich, gefälscht?
Die Beamtinnen und Beamten kommen kaum noch hinterher, immer mehr Flugzeuge landen mit Paketen an Bord. In Zahlen: Im gesamten Jahr 2024 sind am Flughafen Frankfurt 210 Millionen Artikel angekommen, also eingeführt worden, die im Internet bestellt wurden. In diesem Jahr waren es schon bis zum August mehr, nämlich: 260 Millionen, bis Ende des Jahres rechnet der Zoll nun mit 400 Millionen. Das entspricht fast einer Verdopplung innerhalb eines Jahres.
Täglich mehrere hunderttausende Pakete am Frankfurter Flughafen
Das rechnet Florian Preißner vor, er ist der Vize-Bundesvorsitzende der BDZ Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft. Damit vertritt er seine Kolleginnen und Kollegen, die die Artikel herausfischen sollen, die nicht den Sicherheits- oder auch Umweltstandards hierzulande entsprechen. In manchem Paket steckten freilich mehr als ein Artikel, so Preißner, „mittlerweile müssen jeden Tag mehrere hunderttausende Pakete abgefertigt werden.“
Er zählt dabei nur die Menge, die in Frankfurt am Flughafen ankommt. Auch wenn das bundesweit „mit Abstand“ der größte Batzen ist, dazu kommen weitere Lieferungen. Sie landen am Flughafen Köln-Bonn oder in Leipzig/Halle. Und dann ist noch nicht davon geredet, dass zahlreiche Sendungen über den Flughafen Lüttich, nur 50 Kilometer von der deutsch-belgischen Grenze entfernt, nach Deutschland kommen.
Preißner sagt: „Der Warenwert der Sendung ist meist gering, dahinter stecken in erster Linie Einkäufe bei den Shoppingportalen Temu und Shein.“ Die beiden Online-Händler verschicken ihre Waren aus Asien in die ganze Welt: die grün leuchtenden Plastik-Fledermäuse für die Halloweenparty im Zehnerpack für 5,09 Euro oder die Yogamatte für 1,96 Euro. Die Ware, die sich online mit nur ein paar Klicks ordern lässt, ist vergleichsweise billig und das Angebot groß.
Jeden Tag bis zu 10.000 neue Artikel bei Shein
Temu verkauft Deko, Elektronik, Haushaltswaren, Kosmetik, Mode, alles Mögliche. Shein bietet Mode an und stellt einer McKinsey-Studie von 2023 zufolge jeden Tag bis zu 10.000 neue Artikel auf seine Webseite.
Sie kommen bei den Kunden an. Das zeigt die Studie „E-Commerce-Markt Deutschland 2025“ vom Handelsforschungsinstitut EHI und der Datenplattform ECDB. Demnach steht Shein inzwischen auf Platz 7 der umsatzstärksten Online-Shops in Deutschland und Temu bei den Internet-Marktplätzen hierzulande auf Platz 5. Der Unterschied: In Onlineshops verkaufen Unternehmen direkt an Kunden, Marktplätze sind Plattformen, auf denen verschiedene Händler ihre Produkte gegen Gebühren an den Betreiber anbieten.
Der Zoll ist angesichts der, wie Preißner sagt, „gigantischen Paketschwemme an Billigwaren“ besonders gefordert, nein: überfordert. In den Sendungen steckten Textilien, Elektronik-Zubehör oder Kosmetik, „die nicht selten mangelhaft oder nicht verkehrsfähig sind, weil sie zum Beispiel unzulässige Inhaltsstoffe enthalten oder ihre Sicherheit nicht garantiert ist“.
Nur: Jede Prüfung koste viel Zeit, so der Gewerkschafter. Viel werde dabei noch mit Stift und Klemmbrett in der Hand gemacht, die Kontrollen lägen derzeit im „Promillebereich“. Anders gesagt: Gut möglich, dass den Zollbeamten da was durch die Lappen geht. Und: Es wird mit zunehmender Masse nicht einfacher.
Die EU-Kommission ist längst alarmiert, auch weil die Bestellungen aus China heimischen Händlern zu schaffen machen. Sie denkt über eine Pauschalabgabe von bis zu zwei Euro auf die vielen Pakete mit Kleidung und anderen Artikeln nach. Ob ihre Zahl damit sinkt? „Abzuwarten“, sagt Preißner. Ihm wäre erst einmal schon geholfen, wenn „IT-Verfahren weiter entwickelt, in die Zollverwaltung investiert und vermehrt eingestellt wird“, so sagt er. Ändert sich nichts, kommt ein Haufen an Sendungen bei den Kunden hierzulande an, der nur extrem selten vom Zoll geprüft werden konnte.
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