Rhein-Neckar. Noch laufen die Geschäfte für die Wirtschaft der Region einigermaßen, doch für die kommenden Monate sehen die Unternehmen ziemlich schwarz. Das Schreckgespenst Rezession geht in den Betrieben um. Das zeigen die Herbstumfragen der Industrie- und Handelskammern der Region (IHK). Die Kammern befragen regelmäßig die Unternehmen in ihrem Bezirk nach dem aktuellen Stand der Geschäfte und nach den Erwartungen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur regionalen Konjunktur und zu den Perspektiven:
Wie sieht es generell aus mit der Konjunktur in der Region?
„Die Stimmung der Unternehmen ist im Keller“, heißt es bei der IHK Rhein-Neckar. In Zahlen ausgedrückt: Der IHK-Konjunkturklimaindex ist in allen Kammerbezirken der Region abgestürzt und liegt deutlich unter der wichtigen 100-Punkte-Marke. Am besten kommt noch der Bezirk Rhein-Neckar mit den Großstädten Mannheim und Heidelberg weg, dort liegt er bei 90 Punkten. In der Pfalz liegt er bei 70 Punkten, in Südhessen bei 76. Die IHK Heilbronn-Franken spricht von „einer der schwersten Krisen seit Ende des Zweiten Weltkriegs“. Nur zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 und in der Finanzkrise 2009 lagen die Werte ähnlich am Boden.
Und wie schätzen die Firmen die Aussichten für die nächsten zwölf Monate ein?
Während die aktuelle Lage noch bei vielen als ordentlich eingeschätzt wird, sind die Unternehmen durchweg sehr pessimistisch bei ihren Geschäftserwartungen. „Die Unsicherheit ist groß“, erklärt Axel Nitschke, Hauptgeschäftsführer der IHK Rhein-Neckar. Rund ein Drittel der 449 dort befragten Betriebe geht von rückläufigen Geschäften für die nächsten Monate aus. Das sei der schlechteste Wert seit der Finanzkrise, so Nitschke. Die Erwartungen seien sogar stärker eingebrochen als bei Ausbruch der Corona-Krise. Kein Wunder, dass die IHK Pfalz eine „frostige Zukunft“ sieht.
Was macht der Export, wie sind die Aussichten?
Gerade bei der größten Stärke der Region, dem Export, werden deutliche Rückgänge erwartet - vor allem ins europäische Ausland. Dabei hat der Export laut Nitschke die hiesige Wirtschaft viele Jahre getragen - nun wankt auch dieses Standbein. Allein beim Handelspartner USA gibt es Lichtblicke: Hier helfen den deutschen Exporteuren der schwache Euro und die Konjunkturprogramme in Billionenhöhe.
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Was bereitet den Firmen die größten Sorgen?
Es ist keine Überraschung, da unterscheiden sich die Unternehmen kaum von den Privatleuten: Die stark gestiegenen und zudem unkalkulierbaren Energiekosten belasten extrem. Auch die Versorgungssicherheit ist weiterhin ein Thema. Dazu kommen gestiegene Rohstoffkosten, ebenso der Anstieg der Arbeitskosten und zwei Dauerbrenner: Ausfälle bei den Lieferketten und der Mangel an Arbeitskräften machen nach wie vor zu schaffen.
In Krisenzeiten werden üblicherweise Beschäftigte entlassen, ist das aktuell anders?
Das deutet sich an. Der Mangel sei mittlerweile so dramatisch, dass man sich eher darum bemühe, die Mitarbeitenden zu halten, heißt es aus dem Kammerbezirk Heilbronn-Franken. Und als ob das nicht schon genug Probleme sind, schwindet das Verbrauchervertrauen - die Konsumenten geben angesichts der hohen Inflation weniger aus. So spricht die IHK Darmstadt Rhein Main Neckar von einer „toxischen Mischung“.
Welche Folgen haben die explodierenden Kosten?
Vor allem die Reaktion der Industriebetriebe auf die hohen Energiekosten beurteilt Axel Nitschke als dramatisch. „Die Industriebetriebe fahren als Reaktion auf die Energiepreise teilweise ihre Produktion herunter oder erwägen, Produktion zu verlagern.“ Diese Verlagerung ins Ausland werde „ohne Tamtam“ vor sich gehen, warnt der Hauptgeschäftsführer vor Journalisten in Mannheim. „Das wird schleichend gehen über neue Investitionen.“ Indem nicht mehr in Deutschland investiert werde, sondern neue Anlagen in anderen Ländern mit niedrigeren Energiekosten gebaut würden. Dann würden die alten Anlagen hierzulande zwar noch weiterlaufen, aber irgendwann dichtmachen. So zeichnet sich laut IHK Darmstadt bereits in Südhessen „eine Vollbremsung bei den Investitionen“ ab, etwa weil sich geplante Projekte nicht mehr rechnen.
Welche Branchen sind besonders von Rückgängen betroffen?
Generell natürlich trifft es die Industriebetriebe mit hohem Energiebedarf. Außerdem den Einzelhandel: Den sieht Nitschke regelrecht in der Zange: Auf der einen Seite kämpfen die Händler mit gestiegenen Einkaufspreisen, die sie kaum weitergeben können. Auf der anderen Seite ist die Kauflaune der Konsumenten abgestürzt. Da erstaunt es nicht, dass die befragten Unternehmen aus dieser Branche ihre Aussichten als besonders düster betrachten. Aus der bislang boomenden Bauwirtschaft ist laut Nitschke zu hören, dass keine neuen Aufträge mehr nachkommen. Bis Sommer noch würden laufende Projekte abgearbeitet, danach drohe ein kompletter Stopp. „Wenn eine so zentrale Branche zum Totalausfall wird, ist das besorgniserregend.“
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