Interview

Südzucker-Chef Niels Pörksen: „Zucker wird deutlich teurer werden“

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Alexander Jungert
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Niels Pörksen, Vorstandsvorsitzender der Südzucker AG © dpa

Promovierter Agrarexperte

  • Niels Pörksen, 59 Jahre alt, stammt aus Lübeck (Schleswig-Holstein).
  • Er ist verheiratet, hat vier Kinder und wohnt in der Pfalz.
  • Der promovierte Agrarwissenschaftler führt Europas größten Zuckerhersteller seit März 2020.
  • Zuvor hat Pörksen bei BASF, Nordzucker und Nufarm in verschiedenen Funktionen und Ländern gearbeitet.
  • In seiner Freizeit versucht der Familienmensch, sich durch Schwimmen, Fahrradfahren und Laufen fit zu halten. 

Mannheim. Südzucker-Chef Niels Pörksen über die Folgen des Ukraine-Kriegs – und warum er die Diskussion über ein Verbot von Biokraftstoffen nicht nachvollziehen kann.

Herr Pörksen, die neue Strategie von Südzucker heißt Strategie 2026 Plus. Für was steht eigentlich das „Plus“?

Niels Pörksen: Den Namen der Strategie haben wir unter zwei Zeitaspekten diskutiert: Einmal wollten wir nicht zu weit in die Zukunft schauen - deshalb 2026. Zum anderen wirken Entscheidungen aus dieser Strategie natürlich auch über 2026 hinaus, dafür steht das „Plus“.

Den Markt dürfte vor allem interessieren, welche mittelfristigen Umsatz- und Ergebnis-potenziale die neue Strategie bringt.

Pörksen: Wie bekannt peilt Südzucker mittelfristig ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von einer Milliarde Euro an. Einen Teil davon wird die neue Strategie beisteuern. Mit genauen Zahlen halten wir uns im Moment noch bewusst zurück, weil die Märkte sehr volatil sind. Klar ist: Die Strategie ist auf profitables Wachstum ausgerichtet. Die Segmente, die wir heute schon haben - Zucker, Spezialitäten, CropEnergies, Stärke und Frucht - sollen langfristig dazu beitragen. Hinzu kommen neue Geschäfte wie biobasierte Chemikalien und Proteine. Für letztere bauen wir gerade Kapazitäten auf: In Offstein ist bis 2024 der Bau einer neuen Anlage geplant. Aus regional angebauten Ackerbohnen sollen Proteine gewonnen werden.

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Die Strategie 2026 Plus enthält das Schlagwort Digitalisierung. Wie digital ist Südzucker in den vergangenen Monaten geworden?

Pörksen: Wir haben schon damit begonnen, Prozesse in den Werken umzustellen. Dafür braucht man vor allem eine leistungsfähige Basis wie etwa WLAN - was durch das viele Metall in den Fabriken gar nicht so einfach ist. Auch die EDV-Systeme müssen aufeinander abgestimmt werden. Möglich ist etwa, dass Maschinen digitale Impulse senden, wenn sie gewartet oder repariert werden müssen.

Im Vergleich zu anderen Branchen haben Sie die Digitalisierung recht spät für sich entdeckt.

Pörksen: Sehen Sie: Wir haben natürlich auch Logistikzentren, die vollständig digitalisiert sind. In einer Zuckerfabrik hingegen steht viel schwere Maschinerie. . . Digitalisierungsthemen sind hier nicht immer gleich so naheliegend. Vielleicht hätten wir früher anfangen können, ja. Aber ich glaube nicht, dass wir etwas verpasst haben. Und ich glaube auch nicht, dass wir im Wettbewerb hintenan stehen. Schließlich sind die meisten Fabriken nicht erst in den vergangenen Jahren gebaut worden. Die Digitalisierung ist übrigens nicht nur Teil der Modernisierung der Fabriken, sondern auch wichtig für unsere Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Auf einer digitalen Plattform versammeln sich zum Beispiel bereits heute die Landwirte - dort tauschen wir Informationen zu Logistik und Verträgen aus.

Und nicht zu vergessen der Feldroboter …

Pörksen: Genau. Das Gerät merkt sich, wo es im April den Rübensamen abgelegt hat und hackt später bei der Unkrautentfernung exakt um diese Position herum. Das ist schon beeindruckend.

Als Folgedebatte aus dem Ukraine-Krieg wird darüber gestritten, ob Getreide und andere Feldfrüchte überhaupt zu Biotreibstoff verarbeitet werden sollten. Bundesumwelt- ministerin Steffi Lemke bringt konkrete Obergrenzen ins Spiel und will Biokraftstoffe irgendwann komplett verbieten. Bricht der Südzucker-Tochtergesellschaft CropEnergies ein beträchtlicher Teil des Geschäfts weg?

Pörksen: Diese Diskussion wurde von einigen Nichtregierungsorganisationen begonnen und von wenigen Politikern aufgegriffen. Bis heute gibt es auch keine abgestimmte Position der Bundesregierung, das muss man klar sagen. Mir ist auch nicht ganz klar, wo die Diskussion hinführen soll. Denn sie wird unter unvollständigen Annahmen und mit einseitigen Argumenten geführt und passt vor allem nicht mit dem wichtigen Ziel zusammen, CO2 im Straßenverkehr einzusparen. Ich habe aber den Eindruck, dass die entsprechenden Ministerien auf Fachebene erkennen werden, dass es gute Gründe für Biokraftstoffe gibt.

Aber sollen Nahrungsmittel wirklich in den Tank?

Pörksen: Weizen, der zur Herstellung von Ethanol genutzt wird, hat keine Brotqualität und ist damit nicht zur Lebensmittelherstellung vorgesehen. Es ist einfach nicht so, dass durch diesen Anbau eine Lebensmittelknappheit entsteht - oder dass die Versorgung verbessert werden könnte, würde man diese Flächen anders nutzen. Bei der Herstellung von Ethanol entsteht zusätzlich hochwertiges Eiweißfutter, das in der Nutztierhaltung verwendet wird und damit der Erzeugung von Nahrungsmitteln dient. Solche Details sind noch nicht bis zu jedem Politiker durchgedrungen und kommen auch in der Debatte zu kurz.

Zur Wahrheit gehört auch, dass das Super- benzin E10 mit bis zu zehn Prozent Ethanol hierzulande längst nicht die hohen Marktanteile erreicht hat wie in anderen Ländern. Dabei soll es doch eine Brückentechnologie hin zur Elektromobilität sein, wie Sie immer sagen …

Pörksen: In der Tat ist der Start von E10 hierzulande vor mehr als zehn Jahren holprig verlaufen. Von der Autoindustrie ist keine Unterstützung gekommen, die Mineralölindustrie hat es ebenfalls kaum interessiert. Die Angst vor Motorschäden ist bei vielen Menschen hängengeblieben, auch wenn sie völlig unbegründet ist. Und Tankstellen dürfen selbst entscheiden, ob sie E10 anbieten, sind aber gleichzeitig gesetzlich verpflichtet, E5 anzubieten. Das ist eine in der EU einmalige Regelung, die die E10-Nutzung in Deutschland unnötig behindert. Für alle, die nicht auf ihr Auto verzichten können, gibt es im Grunde momentan keine bessere Möglichkeit als Biokraftstoffe, um den CO2-Ausstoß im Straßenverkehr zu vermindern. Diese Diskussion muss viel intensiver geführt werden.

Im Moment dreht sich die öffentliche Diskussion eher darum, den ÖPNV zu stärken. Stichwort 9-Euro-Ticket. Das hilft Ihnen auch nicht weiter.

Pörksen: Wir diskutieren den ÖPNV durch die Brille von Stadtmenschen. In Mannheim oder Berlin mag die Förderung wie zum Beispiel über das 9-Euro-Ticket eine tolle Sache sein. Aber stellen Sie sich jemanden vor, der in ländlichen Gebieten wohnt und froh sein kann, wenn am Tag überhaupt ein Bus fährt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist richtig, den ÖPNV zu stärken. Aber das trifft eben hauptsächlich Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte.

Auf dem jüngsten Bauerntag ist klar geworden: Viele Landwirte haben mit steigenden Preisen für Dünger und Energie zu kämpfen. Wird Zucker teurer?

Pörksen: Ja, Zucker wird mit der neuen Kampagne deutlich teurer werden. Das ist heute schon sichtbar.

Höhere Preise kommen Ihnen in der Bilanz zu Gute.

Pörksen: Ja, aber es ist nicht so, dass wir „Hurra“ schreien. Schließlich steigen auch die Kosten für den Rübenanbau und bei der Energie, das sind zwei bedeutende Kostenblöcke in der Produktion. Wenn es keine Preissteigerung gäbe, wäre es schwierig, positiv aus dem Geschäft zu kommen. In der Vergangenheit ist uns das ja nicht immer gelungen.

Es hieß lange, Südzucker drehe jeden Stein um und wolle Abläufe effizienter machen, um Kosten zu sparen. Es gab auch einen Einstellungsstopp. Stellen Sie mittlerweile wieder Mitarbeiter ein?

Pörksen: Wir drehen weiterhin jeden Stein um. Wenn es sein muss, auch mehrfach. Schließlich muss sich Südzucker auch langfristig wettbewerbsfähig aufstellen. Was wir bisher gemacht haben, schlägt sich in den Ergebnissen nieder. Tatsächlich hat es quasi einen Einstellungsstopp gegeben. Durch Fabrikschließungen und Veränderungen in der Organisation sind massiv Stellen abgebaut worden. Inzwischen gibt es keinen Einstellungsstopp mehr. Wir suchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kompetenzen haben, die bei Südzucker bislang fehlen. Oder wir motivieren Beschäftigte, neue Aufgaben in den neuen Geschäftsfeldern zu übernehmen.

Russland fährt die Gasversorgung in den Westen nach und nach zurück. Das trifft auch die Südzucker-Fabriken. Wie bereiten Sie sich auf Herbst und Winter vor?

Pörksen: Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass die Verträge mit den Gasversorgern erfüllt werden. Was allerdings niemand weiß: Sind unsere Gasversorger mit Gas versorgt? Nicht alle Südzucker-Fabriken sind so ausgestattet, dass sie auch mit anderen Energieträgern laufen, sollte es kein Gas mehr geben. Dafür braucht es schließlich die technischen Voraussetzungen. Wenn Sie eine Gasheizung haben und jemand schüttet Ihnen eine Ladung Kohle vor die Haustür, können Sie damit ja auch nichts anfangen. Genauso ist es in den Fabriken.

Wie sähe es also im Ernstfall aus?

Pörksen: In einigen Werken gibt es schon die Möglichkeit, andere Energieträger wie etwa Kohle zu nutzen. Dort werden gerade die Vorräte aufgefüllt. Zudem stehen im Ausland Fabriken, die vom russischen Gas nicht so abhängig sind und mit anderen Energieträgern laufen.

Zum Schluss noch einmal Themawechsel: Katjes gehört zu zig anderen Kunden wie Nestlé und Vivil, die wegen eines Kartells zu viel für Zucker gezahlt haben wollen - und Südzucker deshalb auf Schadenersatz verklagen. Die Verfahren dauern schon viele Jahre. W ollen Sie das wirklich durchziehen?

Pörksen: Sie kennen die Standardantwort: Zu laufenden Verfahren äußern wir uns nicht. Was wir im Moment tun, ist unserer Ansicht nach aber richtig.

Inwieweit trifft es Sie persönlich, dass Südzucker mit großen Kunden im Clinch liegt?

Pörksen: Mich persönlich? Die Kundenbeziehungen sind gut, falls Sie das meinen. Meine Kontakte sind positiv und konstruktiv. Von unseren Verkäufern habe ich nichts anderes gehört.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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