Wirtschaft - Mannheimer Wissenschaftlerinnen untersuchen Start-up-Gründungen / Wer einmal scheitert, hat auch beim nächsten Mal schlechte Karten

Studie von Mannheimer ZEW und Uni: Viele Firmengründer nutzen auch die zweite Chance nicht

Von 
Walter Serif
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Eine Papiertasche mit der Aufschrift „Wir schließen unser Geschäft“ hängt an einem Einzelhandelsgeschäft in der Innenstadt. © dpa

Mannheim.. Der legendäre österreichische Volkswirtschaftler Joseph Alois Schumpeter sieht in den „dynamischen Unternehmern“ die Motoren des Wirtschaftssystems. Sie setzen Innovationen durch, erzielen Gewinne und sorgen für Wachstum und technischen Fortschritt. Schumpeter nennt diesen Prozess „schöpferische Zerstörung“.

Mangelndes Können als Ursache

Alles hat aber natürlich auch seinen Preis. Wer ein unternehmerisches Risiko eingeht, sollte besser gleich das Scheitern einkalkulieren. Denn nur rund die Hälfte der Betriebe überlebt die ersten vier Jahre, und nur jedes dritte Unternehmen ist nach zehn Jahren noch aktiv, fassen die Autorinnen einer Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität Mannheim die entsprechenden Daten zusammen.

Selbst das Scheitern hat aber - so sehen es viele Ökonomen - etwas Positives: Wer mit seinem Produkt nicht am Markt bestehen kann, geht zwar unter, aber dieses Wissen können Unternehmen, die überleben, für sich selbst nutzen. Und wer aufgibt, muss auch aus einem anderen Grund kein schlechtes Gewisse haben: Die Einsicht in die persönliche Niederlage sorgt dafür, dass die freigewordenen Ressourcen anderswo besser eingesetzt werden können.

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Was aber passiert, wenn Unternehmer, die gescheitert sind, es erneut probieren? An dieser Stelle räumt die Studie mit dem geläufigen Narrativ auf, dass Unternehmerinnen oder Unternehmer, die versagen, es ruhig noch einmal probieren sollen, weil er oder sie ja sozusagen aus dem angerichteten Schaden selbst klug geworden ist. Die sei ein Trugschluss, lautet der Kernbefund der Studie: Wer einmal ein Start-up in den Sand setzt, verdient demnach eher keine zweite Chance, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sich das Drama wiederholt. Der Grund: mangelndes unternehmerisches Können der Gründer.

Die Autorinnen untermauern dies mit Zahlen: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Neugründung von gescheiterten Unternehmern das erste Jahr überlebt, liegt um 3,8 Prozentpunkte unter den von Gründern, die ihr erstes Start-up eröffnen. Sie ist sogar um 6,5 Punkte niedriger, wenn die Unternehmer ihr voriges Geschäft nicht freiwillig aufgeben, sondern Konkurs anmelden mussten. Im Falle einer Insolvenz ist es um 3,9 Punkte wahrscheinlicher, dass auch das zweite Experiment schief geht und wieder mit einer Pleite endet.

Woran liegt das? Gescheiterte Gründer weichen, so die Studie, in vielen Merkmalen von Neulingen ab. Die Studie zählt dazu Alter, Bildungsabschluss, Erfahrungen mit Leitungsfunktionen oder die Vertrautheit mit der Branche. Diese Merkmale sind nicht entscheidend: „Wir haben alle diese Unterschiede kontrolliert. Grund scheint vielmehr zu sein, dass es gescheiterten Gründern im Durchschnitt an unternehmerischem Geschick mangelt“, so ZEW-Forscherin Sandra Gottschalk.

Vor diesem Hintergrund sehen die Autorinnen staatliche Programme kritisch, die die erneute Start-upGründung erleichtern. Die Ampel-Regierung wolle neben einer Unterstützung bei der Finanzierung eine „Kultur der zweiten Chance“ etablieren, davon hält Mitautorin Bettina Müller vom Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim nichts. „Unsere Studie weist darauf hin, dass hier eine differenzierte Herangehensweise sinnvoller wäre“, sagt Müller. Also keine Förderung mit der Gießkanne.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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