Energie

So soll die Gaspreisbremse greifen

Kommission schlägt vor, dass der Staat den Verbrauchern die Dezember-Rechnung bezahlt. Die eigentlichen Regelungen wirken erst im Frühjahr

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Tobias Kisling
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahm den Bericht mit dem Vorschlag der Erdgas-Kommission entgegen. © Kay Nietfeld/dpa

Berlin. 35 Stunden haben die Ökonomen, Gewerkschafts- und Unternehmensvertreter sowie Experten der Sozialverbände, von Versorgern und Vermieter- und Mieterverbänden in zwei Sitzungen miteinander gerungen. Am frühen Montag war es so weit: Das Modell für eine Gaspreisbremse steht. Wirklich los geht es mit ihr aber erst im Frühjahr – vorher soll eine Einmalzahlung Kunden entlasten. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was schlägt die Gaspreiskommission vor?

Verbraucher und kleine Unternehmen sollen anders als große Industriefirmen entlastet werden. Zunächst sollen die Verbraucher und kleinen Betriebe im Dezember ihre Gasrechnung vom Bund erstattet bekommen. Genutzt werden soll die Abschlagszahlung aus dem September als Referenzwert. Ab März 2023 soll die eigentliche Gaspreisbremse in Kraft treten. Der Preis soll auf zwölf Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden. Im Jahr 2021 notierte er lange bei um die fünf Cent pro Kilowattstunde. In der Spitze verlangten manche Versorger zuletzt bei Neuverträgen über 40 Cent. Gedeckelt werden lediglich 80 Prozent des Verbrauchs im Vergleich zum September 2022 – so soll eine Sparwirkung erhalten bleiben.

Wie viel Geld sparen die Verbraucherinnen und Verbraucher?

Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox könnte die Gaspreisbremse die Gaskosten für Haushalte um rund 41 Prozent senken. Konkret hätte eine Familie mit einem Kind und einem Durchschnittsverbrauch von 18 000 Kilowattstunden pro Jahr durch die Bremse eine Ersparnis von 1230 Euro. Eine in einem Reihenhaus lebende Familie mit zwei Kindern käme auf 1366 Euro. Ein Singlehaushalt würde 342 Euro weniger als ohne die vorgeschlagene Maßnahme zahlen.

Wie kommt die Kommission auf zwölf Cent pro Kilowattstunde?

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mig/vge/dpa
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„Das entspricht ungefähr dem Preisniveau, das man in Zukunft erwarten wird“, sagte die Vorsitzende der Kommission, die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin. Man werde nicht mehr auf ein Preisniveau kommen, wie es vor dem russischen Angriff auf die Ukraine gewesen ist. Durch die Begrenzung auf 80 Prozent des Verbrauchs blieben die Sparanreize erhalten.

Gilt der Deckel auch für Fernwärmekunden?

Ja, auch Fernwärmekunden sollen entlastet werden. Der Preis würde nun auf 9,5 Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden – ebenfalls für 80 Prozent des Verbrauchs.

Wie können Kunden die Einmalzahlung in Anspruch nehmen?

„Der Gaskunde selbst muss nichts tun. Aber bei den Versorgern und den Hausverwaltungen fällt ein substanzieller Mehraufwand an“, erklärte Grimm. Die Versorger sollen demnach dem Staat im Voraus eine Abrechnung über die zu erstattenden Rabatte ausstellen. Bei Mietshäusern oder Wohnungseigentümergesellschaften müssen die Vermieter oder Verwalter die Gutschrift umlegen.

Wie wird die Zeit zwischen Dezember und März überbrückt?

Die erste Entlastung kommt im Dezember – die Gaspreisbremse aber erst im März, wenn die Heizsaison sich womöglich schon dem Ende zuneigt. Gerade für arme Haushalte kann das zu einem Problem werden, warnt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes: „Ärmere Haushalte wissen dann immer noch nicht, wie sie die steigenden Kosten bezahlen sollen“, sagte Schneider dieser Redaktion. Viele stünden mit dem Rücken zur Wand. Die Kommission empfiehlt daher flankierende Maßnahmen. So müsse ein Hilfsfonds eingerichtet werden. Zudem brauche es Soforthilfen, bis die angekündigte Wohngeldreform auch tatsächlich bei den Bürgern ankomme.

Ist die Verteilung der Hilfen gerecht?

„Wenn wir schnell sein wollen, müssen wir jetzt die Gießkanne anwenden“, sagte Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und ebenfalls Kommissionsvorsitzender. Zielgerichtet sind die Hilfen nicht. Der 80-Prozent-Rabatt entlaste Haushalte mit hohem Gasverbrauch stärker, kritisierte Ökonom Sebastian Dullien, Direktor des arbeitnehmernahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). „Im Durchschnitt dürften Haushalte aus den oberen Einkommensdezilen hier etwa anderthalb mal so große Rabatte bekommen wie Haushalte in den unteren Einkommensdezilen. Bei den Spitzenverbrauchern dürfte dieses Verhältnis noch einmal um ein Mehrfaches höher ausfallen“, sagte Dullien dieser Redaktion.

Wie sollen große Unternehmen entlastet werden?

Für große Industrieunternehmen soll der Gaspreisdeckel schon zu Jahresbeginn 2023 greifen. Rund 25 000 Unternehmen sollen für 70 Prozent des Verbrauchswertes des Jahres 2021 nur sieben Cent pro Kilowattstunde als Beschaffungspreis zahlen. Die Förderung soll an den Standorterhalt gebunden werden. Bisher habe die Industrie zwischen 20 und 25 Prozent Gas eingespart, sagte Industriepräsident Siegfried Russwurm. Allerdings sei ein Teil der Energieeinsparungen auch dadurch zustande gekommen, dass weniger produziert werde. Dies gefährde auf Dauer das Wirtschaftsmodell und den Wohlstand in Deutschland.

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