Süßwaren - Geschäftsführer Rolf Eiermann erklärt, wie das Mannheimer Traditionsunternehmen turbulente Jahre überstanden hat

Schokinag-Geschäftsführer: „Man hat doch einen gewissen Schokolade-Anteil im Blut“

Von 
Bettina Eschbacher und Tatjana Junker
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Mannheim. Schokinag-Chef Rolf Eiermann hat bei dem Schokoladenhersteller bewegte Zeiten erlebt. Als er vor rund 30 Jahren dort anfing, war das Mannheimer Traditionsunternehmen noch in Familienhand. 2009 verkauften die Inhaber an den US-Konzern ADM, der wiederum gab Schokinag 2015 an den Konkurrenten Cargill ab. Seit April 2016 gehört das Unternehmen zwei niederländischen Finanzinvestoren.

Herr Eiermann, Sie sind seit Jahrzehnten im Geschäft, essen Sie überhaupt noch Schokolade?

Rolf Eiermann: Ich esse sehr gerne Schokolade. Man hat doch einen gewissen Schokolade-Anteil im Blut und geht entsprechend interessiert durch die Supermärkte.

Was ist jetzt – nach drei Eigentümerwechseln – anders bei Schokinag?

Eiermann: Wir wurden vom reinen Produktionsstandort eines US-Konzerns zu einem mittelständischen Unternehmen – wie zu unseren Anfängen. Wir mussten zum Beispiel wieder eigene Abteilungen für Einkauf und Verkauf aufbauen. Das ist uns zum Glück schnell gelungen, weil wir das Know-how noch aus unserer Zeit als Familienbetrieb hatten.

Wie stark greifen die Finanzinvestoren in das Geschäft ein?

Eiermann: Es gibt regelmäßige Treffen, in denen es vor allem um Finanzen und Strategie geht. Aber das Tagesgeschäft ist Sache der Geschäftsführung – da haben wir jetzt wieder mehr Freiheit als zu Konzern-Zeiten. Auch Entscheidungen können wir schneller treffen. Wenn eine Kundenanfrage bei einem Konzern ankommt, werden in der Regel mindestens vier Leute gefragt. Das dauert. In einem mittelständischen Unternehmen geht es viel mehr darum, dem Kunden so schnell wie möglich eine Lösung anzubieten.

Finanzinvestoren halten ihre Beteiligungen in der Regel nur vorübergehend. Wie ist die Perspektive für Schokinag?

Eiermann: Man weiß es nie, aber die durchschnittliche Haltezeit der Investoren liegt zwischen sieben und zehn Jahren. Wir sehen jedenfalls ein vitales Interesse daran, das Unternehmen vorwärtszubringen. Seit 2016 wurden knapp zehn Millionen Euro investiert, zum Beispiel in zwei neue Produktionslinien. Das geht nur, wenn man langfristig und strategisch denkt.

Das Unternehmen wurde 2015 aufgespalten, die Kakao-Verarbeitung auf der anderen Straßenseite im Mannheimer Hafen ging an den asiatischen Olam-Konzern. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Eiermann: Olam ist immer noch ein wichtiger Lieferant für uns, aber nicht mehr der einzige. Trotzdem bleibt eine Besonderheit von früher: Die Rohstoffe, wie zum Beispiel Kakaomasse, werden durch Rohrleitungen über die Straße zu uns gepumpt. Das spart die Kosten für Lkw und entlastet die Umwelt.

Ist das nicht seltsam, wenn aus einem Unternehmen an einem Standort plötzlich zwei getrennte Firmen werden?

Eiermann: Am Anfang war es sehr gewöhnungsbedürftig. Durch die verschiedenen Eigentümerwechsel galten wir eine Zeit lang sogar als Konkurrenten. Das hat sich komplett gelegt. Wir arbeiten heute gut zusammen und teilen uns sogar manche Anlagen. Wir helfen uns auch mal gegenseitig aus.

In jedem Fall haben die Mitarbeiter viel Unsicherheit erlebt...

Eiermann: Ja, eine besonders schwierige Zeit für die Belegschaft waren die neun Monate, die wir zu Cargill gehörten. Der Konzern durfte uns ja aus kartellrechtlichen Gründen nicht behalten. Und es war klar, dass wir später wieder zu Konkurrenten werden würden. Cargill durfte deshalb nur oberflächlich in die Bücher schauen und bekam keine Informationen über Kundenbeziehungen. In dieser Zeit mussten wir auch auf den Traditionsnamen Schokinag verzichten und uns vorübergehend Schokima nennen, für Schokolade-Industrie-Mannheim. Das haben viele Mannheimer gar nicht mitbekommen. Erst mit den niederländischen Eigentümern durften wir den alten Namen wieder benutzen. Darüber waren die Mitarbeiter sehr froh, und dies wurde auch vom Markt sehr positiv aufgenommen.

Wie hoch ist nach all den Veränderungen ihr Marktanteil?

Eiermann: Man streitet im Moment, ob wir weltweit die Nummer vier oder Nummer fünf sind.

Wer sind ihre Kunden?

Eiermann: Kunden sind alle diejenigen, die Schokolade in ihren Produkten brauchen – vom kleinen Bäcker bis zum Weltkonzern. Wir liefern zum Beispiel die Schokolade in flüssiger oder fester Form für Mozartkugeln, Lebkuchen, Eis und Cookies. Wir stellen keine Endprodukte her. 50 Prozent der Schokolade verkaufen wir in Deutschland, der Rest geht in andere europäische Länder, aber auch nach Fernost oder in die USA. Die meisten Rezepturen entwickeln wir zusammen mit den Kunden.

Wie läuft das Geschäft, Sie haben in den vergangenen Jahren Verlust gemacht?

Eiermann: Durch die Trennung von der Kakao-Sparte haben wir ein Stück der Wertschöpfungskette verloren. Außerdem wurden wir aus dem Verbund mit zwei Schokoladenfabriken in England und Belgien herausgelöst. Danach mussten wir erstmal eine neue Geschäftsbasis finden. Direkt nach der Übernahme und im Jahr danach kam es daher zu Verlusten.

Aber jetzt schreiben Sie wieder schwarze Zahlen?

Eiermann: Wir sind auf dem Weg dahin. Es ist alles so, dass wir positiv in die Zukunft schauen.

Wo gehen die Trends hin bei der Schokolade?

Eiermann: Wir entwickeln verstärkt zuckerreduzierte Schokolade, das ist ein großer Trend. Was mehr und mehr wächst, ist Nachhaltigkeit, also dass die Produkte aus fair gehandelten Rohstoffen hergestellt sind.

Denken Sie nach all den Umwälzungen schon an Ruhestand?

Eiermann: Wie sagt man so schön, wer rastet, der rostet. Nein, aber mittelfristig denkt man schon darüber nach – im Übrigen arbeiten wir gerade an einer Nachfolgeregelung.

Finanzinvestoren als Eigentümer

  • Die Schokinag, heute Schokinag-Schokolade-Industrie GmbH, wurde 1923 in Mannheim gegründet.
  • Hergestellt werden Schokolade und Schokoladenkuvertüre für Lebensmittelhandwerk- und Industrie. Schokoladen für den Endverbraucher werden nicht produziert.
  • Bis 2009 war das Unternehmen in der Hand der Familie Herrmann, die verkaufte an den US-Konzern ADM. 2015 gab ADM das Mannheimer Werk an den Rivalen Cargill weiter.
  • Die Kakao-Sparte ging an den in Singapur ansässigen Agrarkonzern Olam. Das verbliebene Schokoladengeschäft wurde 2016 von den niederländischen Finanzinvestoren Nimbus und Varova übernommen.
  • Schokinag hat 150 Mitarbeiter, 60 davon in der Produktion.
  • Nach Angaben der Eigentümer macht Schokinag einen Umsatz von 175 Millionen Euro im Jahr.
  • Rolf Eiermann ist 62 Jahre alt und seit 1989 bei Schokinag.
  • Der Betriebswirt war lange Jahre kaufmännischer Leiter und ist seit 2009 alleiniger Geschäftsführer.
  • Er ist im Odenwald aufgewachsen und hat zwei Kinder. (be)

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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