Interview

MVV-Vertriebschef Klöpfer: „Wir müssen die Preise erhöhen“

MVV-Vertriebsvorstand Ralf Klöpfer erklärt im Interview, warum er neuerdings im Garten duscht und wie die MVV die Versorgung sichern will. Für Strom- und Gaskunden hat er 2023 schlechte Nachrichten.

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Walter Serif
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MVV-Vertriebschef Ralf Klöpfer. © Thomas Tröster

Mannheim. MVV-Vertriebsvorstand Ralf Klöpfer erklärt im Interview, warum er neuerdings im Garten duscht und wie die MVV die Versorgung sichern will. Für Strom- und Gaskunden hat er 2023 schlechte Nachrichten.

Herr Klöpfer, glauben Sie, dass Wladimir Putin den Gashahn nach den Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 wieder aufdreht?

Ralf Klöpfer: Das weiß keiner. Wir warten natürlich auch ganz gespannt auf den 21. Juli. Wir bereiten uns aber schon jetzt darauf vor, dass kein Gas mehr fließt.

Teile der Industrie sind bereits nervös und rütteln an dem Grundsatz, dass die privaten Haushalte im Notfall bevorzugt werden.

Klöpfer: Die Gesetzeslage ist klar: Private Haushalte und die kritische Infrastruktur …

… wie die Krankenhäuser und Pflegeheime …

Klöpfer: . . . sind geschützt. Und die Industrie nicht. Die große Frage ist natürlich, wie die Bundesnetzagentur dann darüber entscheidet, welche Kunden Gas bekommen und welche nicht. Da haben wir als MVV gar keinen Einfluss darauf.

Aber?

Klöpfer: Wir hatten ja 2003 eine Stromkrise, weil es damals so heiß und wenig Wasser in den Flüssen war. Da mussten wir auch Kunden vom Netz abschalten. Damals habe ich die Erfahrung gemacht: Es kann keine Gerechtigkeit in einer solchen Notlage geben, da nicht alle Belange berücksichtigt werden können.

Es geht nicht nur um die Gerechtigkeit. Was nutzt es dem Bürger, wenn er es im Winter warm hat, dafür aber die Wirtschaft den Bach heruntergeht? Jeder muss doch Geld verdienen. Ist das Gesetz überhaupt realistisch?

Klöpfer: Ich würde es anders formulieren: Wir starten jetzt mehrere Kampagnen und wollen auch geschützte Kunden zum Gassparen animieren. Diese Krise können wir nur gemeinsam überstehen. Solidarität statt Egoismus ist angesagt.

Wie lange duschen Sie morgens?

Klöpfer: Kürzer als früher. Zurzeit dusche ich im Garten. Ich habe sechs Sonnenkollektoren auf dem Dach für Warmwasser und Photovoltaik. Im Sommer brauche ich also ohnehin kein Gas.

Schalten Sie zu Hause das Licht aus, wenn es Ihre Frau anlässt?

Klöpfer: Ja. Wir haben zwar alles auf LED umgestellt, aber ich laufe immer durch die Zimmer und schaue, ob alles aus ist …

… und gelten als der Spießer …

Klöpfer: . . . Ja, ich bin bei dem Thema der Spielverderber, auch bei den Kindern. Aber zurück zu unserer Kampagne: Wir haben die Klimaschutzagentur Mannheim eingeschaltet, wir geben auf unserer Website Tipps und empfehlen den Kunden, zum Beispiel die Raumtemperatur zu Hause abzusenken. Pro Grad Celsius Absenkung bringt das rund sechs Prozent Energieeinsparung.

Angeblich denkt der Bund darüber nach, den Vermietern vorzuschreiben, wie hoch die Raumtemperatur sein soll. Ich bin kein Techniker, aber geht das überhaupt?

Klöpfer: Nein, der Vermieter kann das gar nicht steuern. Die Häuser sind ja nicht vernetzt. Die Raumtemperatur muss jeder selbst einstellen. Mieter und Hausbesitzer können natürlich Energie sparen. Wir appellieren an die Solidarität. Mit dem Gas, das wir jetzt sparen, können wir die Speicher befüllen, damit verhindern wir, dass wir alle frieren. Und wir helfen so auch der Industrie und sichern dort Arbeitsplätze.

Sollte es wegen Putin tatsächlich zur bisher nie dagewesenen Gasmangellage kommen – wie sicher ist dann die Versorgung der Haushalte in Mannheim?

Klöpfer: Wir haben als Netzbetreiber natürlich Notfallpläne für Gas und Strom entworfen und umgesetzt. Wir müssen uns ja für den Ernstfall rüsten. Die Krisenstäbe tagen im Fall der Fälle täglich.

Mit Plänen ist das so eine Sache. Die Realität kann brutal sein.

Klöpfer: Wir haben als Netzbetreiber einen Versorgungssicherheitsauftrag. Dem müssen wir gerecht werden.

Auch wenn es für längere Zeit kein Gas mehr gibt?

Klöpfer: Wenn kein Gas mehr da ist, können wir auch nicht zaubern.

Wenn die Pipeline länger zu bleibt, ist die Versorgung also trotz Ihrer Notfallszenarien nicht gesichert?

Klöpfer: Das kann, muss aber nicht sein. Es hängt auch davon ab, wie voll die Speicher bis zum Winter sind. Und wie kalt es wird. Wenn aber vom 21. Juli bis Dezember kein Gas mehr fließt, wird es wirklich eng.

Sehr eng?

Klöpfer: Ja.

Sie versorgen die Privathaushalte in Mannheim mit Gas, aber auch die Industrie und das Gewerbe. Wie groß ist denn der Gasanteil?

Klöpfer: Unsere Trumpfkarte ist die Fernwärme, die rund zwei Drittel unserer Kunden in Mannheim beziehen. Das ist in Großstädten wie etwa Stuttgart anders, dort liegt der Fernwärmeanteil bei nur zehn bis 15 Prozent. Wir sind nicht so abhängig vom Gas. Trotzdem haben rund 25 000 Haushalte in Mannheim Öl- und Gasheizungen. Diesen bieten wir schrittweise regenerative Alternativen an. Wir lassen niemanden allein.

Das Grosskraftwerk Mannheim liefert Ihnen dafür die Fernwärme.

Klöpfer: Ja, aber wir sind nicht völlig abhängig vom GKM. Es gibt auch noch die Friesenheimer Insel, dort wird klimaneutrale Energie aus Biomasse und der thermischen Abfallverwertung gewonnen. Das sind schon heute rund 30 Prozent der Fernwärme. Im Sommer brauchen wir das GKM fast gar nicht.

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Und wie gesichert ist die Industrie in Mannheim?

Klöpfer: Bezogen aufs Heizen gibt es auch keine Probleme für die Unternehmen, welche Fernwärmekunden sind. Anders sieht es natürlich in Branchen aus, in denen Gas bei der Produktion eingesetzt wird, wie zum Beispiel in der metallverarbeitenden Industrie.

Gas wird ja immer teurer. Wird die MVV deshalb ihre Preise erhöhen?

Klöpfer: Bis Ende des Jahres haben wir ja bei Strom und Gas für alle unsere Privat- und Gewerbekunden eine Preisgarantie. Die Absenkung der EEG-Umlage um 3,7 Cent pro Kilowattstunde netto zum 1. Juli 2022 haben wir im Strom vollständig an unsere Kunden weitergegeben.

Und was passiert 2023?

Klöpfer: Wir beschaffen unsere Energie zu rund 80 Prozent sehr langfristig. Bei den Privathaushalten sind das schon drei Jahre. Das heißt, wir konnten die Preise lange niedrig halten. Doch jetzt sind sie auf den Märkten um den Faktor fünf bis sieben gestiegen. Deshalb müssen wir nachziehen und zum Jahreswechsel die Gas- und Strompreise für alle Kunden erhöhen. Obwohl wir also nur rund 20 Prozent der Energie für 2023 noch einkaufen müssen, schlagen die dramatisch gestiegenen Preise bei uns kräftig ins Kontor. Übrigens an dieser Stelle: Die Fernwärmepreise bleiben bis zum 30. Juni 2023 stabil.

Wie hoch werden denn die Preiserhöhungen ausfallen?

Klöpfer: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben den Beschaffungsprozess noch nicht abgeschlossen, außerdem stehen erst im Oktober die Netzentgelte und Umlagen fest, die machen bisher immerhin zum Beispiel rund 70 Prozent der Preise beim Strom aus. Wir können also jetzt noch nicht genau kalkulieren. Es wird aber auf jeden Fall auf eine deutliche Preiserhöhung bei Gas und Strom hinauslaufen.

Ralf Klöpfer

Ralf Klöpfer wurde 1966 in Backnang (Baden-Württemberg) geboren.

Er ist seit Oktober 2013 Vertriebsvorstand beim Mannheimer Energieunternehmen MVV Energie. Er verantwortet neben dem Vertrieb im Privat- und Geschäftskundenbereich auch die Geschäftsfelder Handel und Smart Cities. Sein aktueller Vertrag läuft bis September 2026.

Klöpfer verfügt über eine mehr als 25-jährige Erfahrung in der Energiewirtschaft. Nach seinem Studium der Elektrotechnik war er seit 1993 in leitenden Funktionen bei Badenwerk und EnBW in Karlsruhe tätig, vor allem im Vertriebs- und Handelsbereich.

Ralf Klöpfer ist verheiratet und hat zwei Kinder. was

Werden Sie die Preise verdoppeln?

Klöpfer: Stand heute, nein. Aber mit Prognosen ist das so eine Sache.

Also um die Hälfte?

Klöpfer: Ich kann wirklich keine verlässliche Prognose abgeben.

Aber eine Schätzung. Ein Viertel?

Klöpfer: Unsere Schätzungen liegen aktuell bei Strom und Gas in einer Bandbreite von 20 bis 40 Prozent. Wenn die Notfallstufe Gas ausgerufen werden würde, dann wird es nochmal deutlich teurer.

Sind das alles Marktpreise oder gibt es da bei Ihnen gewisse Spielräume? Die Stadt Mannheim ist Mehrheitsaktionär, da könnte es einen gewissen Druck geben.

Klöpfer: Nein. Wir müssen ja wirtschaftlich arbeiten. Wir helfen allerdings Kunden, wenn sie nicht mehr dazu in der Lage sind, ihre Gas- oder Stromrechnung zu bezahlen.

Wie vielen Leuten haben Sie in letzter Zeit den Strom abgestellt?

Klöpfer: Das machen wir nur, wenn der Kunde einfach nicht zahlen will, obwohl er könnte. Das sind Einzelfälle. Wir haben allerdings einen Nothilfefonds eingerichtet, der Kunden in Not helfen soll. Obwohl die Inflation jetzt so hoch ist, gibt es bisher keine verstärkte Inanspruchnahme. Die Lage ist also noch entspannt. Bei den Problemfällen helfen wir den Kunden, stunden die Zahlungen oder vereinbaren Ratenzahlung. Und wenn es ganz schlecht läuft, sind auch die Caritas oder die Diakonie mit im Boot. Wir stehen zu unserer Verantwortung in der Gesellschaft und werden notfalls auch den Nothilfefonds erhöhen.

Was passiert denn, wenn der Notfall schon im Herbst eintritt?

Klöpfer: Dann wären wir in unserer Preisgestaltung nicht mehr so frei, falls der Gesetzgeber ein Umlagesystem einführen würde. Dafür wurde ja jetzt die gesetzliche Grundlage geschaffen. Dann würden die Kosten, die dem Staat entstehen, weil er Gasimporteure wie die Uniper stützt, auf alle Kunden umgelegt. Ich würde das auch für eine gerechte, solidarische und sozialverträgliche Lösung halten.

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Der Staat will Importeure wie Uniper schützen, nicht aber die Stadtwerke. Was halten Sie davon?

Klöpfer: Darüber wird bestimmt noch diskutiert. Wirtschaftsminister Robert Habeck meint, das sei Sache der Eigentümer. Ob sich das auf Dauer so halten lässt, weiß ich nicht.

Die Stadt Mannheim ist Mehrheitsaktionär bei der MVV. Könnte sie in eine Schieflage geraten?

Klöpfer: Ich würde mir über die MVV jetzt keine Gedanken machen. Wir sind als professionelles Unternehmen breit aufgestellt.

Die MVV ist auch am GKM beteiligt. Freuen Sie sich darüber, dass mehr Kohlestrom in Mannheim produziert werden darf?

Klöpfer: Die Versorgungssicherheit hat jetzt natürlich Priorität. Wir brauchen mehr Kohlestrom, weil wir bei den Gaskraftwerken Gas sparen müssen. Ob das dann vom GKM kommt, wie es in Ihrer Frage anklingt, ist noch nicht entschieden. Da haben die Miteigentümer RWE und EnBW auch etwas zu sagen. Zudem kann Block 7 in der Netzreserve ja jederzeit vom Übertragungsnetzbetreiber eingesetzt werden, steht bei Bedarf also ohnehin zur Verfügung. Klar ist aber: Nachhaltig wäre das nicht. Wir halten deshalb an unserem Ziel der Dekarbonisierung fest.

Da ist das GKM als Kohleproduzent ein Hindernis.

Klöpfer: Ja, in seiner jetzigen Form. Aber wir kümmern uns in Abstimmung mit den Miteigentümern um den Umbau und die Transformation des GKM. Im Rahmen unseres Mannheimer Modells ersetzen wir in der Fernwärme sukzessive die Kohle durch klimafreundliche Energieformen wie Geothermie oder Flusswärme.

Wenn jetzt Block 7 wieder permanent Strom liefern soll, gefährdet das doch ihre Klima-Ziele?

Klöpfer: Ich würde sagen, die Ambition wird größer, je mehr Block 7 laufen würde. Aber wie gesagt, es ist nicht einmal entschieden, ob das überhaupt passieren wird.

Ist das GKM eigentlich rentabel?

Klöpfer: Das kommt auf den Betrachtungszeitraum an. Das GKM ist jetzt 100 Jahre alt. Da gab es gute Zeiten, leider gehören die vergangenen Jahre da nicht dazu: Zubau erneuerbare Energien, Kohleausstieg, andere Preise …

… Sie zahlen also jetzt drauf …

Klöpfer: . . . das habe ich nicht gesagt, ich habe nur gesagt, dass man den Gesamtzeitraum betrachten muss. Für uns ist aber nicht nur der wirtschaftliche Aspekt entscheidend. Unser oberstes Ziel ist die Dekarbonisierung, weil nur das mittel- und langfristig unternehmerisch erfolgreich sein kann. Das GKM wird perspektivisch nur noch grüne Energie produzieren.

Ist die Energiewende nur ein Luftschloss? Im Südwesten, dem Stammland der Grünen, werden kaum mehr Windräder gebaut.

Klöpfer: Wenn wir die Klimawende schaffen wollen, müssen wir den Ausbau der Erneuerbaren drastisch beschleunigen. Windräder und große Photovoltaik-Anlagen sind da nur einzelne Bausteine. Was jetzt bei unseren Kunden immer mehr ein Thema wird, ist, dass sie selbst Energie produzieren wollen. Dadurch werden sie autarker und klimafreundlicher. Seit der Ukraine-Krise steigt die Nachfrage stark.

Dumm nur, dass es keine Handwerker gibt.

Klöpfer: Wir haben auch eigene. Aber klar, bei diesen Mengen fehlt es nicht nur an Fachkräften, sondern natürlich auch am Material.

Für die Energiewende brauchen wir auch eine Menge Strom. Hält das Netz, wenn 40 Millionen E-Autos auf den Straßen fahren?

Klöpfer: Da sollte jetzt kein falscher Zungenschlag entstehen. Nach dem Motto: Wir kriegen die Energiewende nicht hin, weil die Stromnetze das nicht schaffen. Da würde ich mir jetzt keinen Kopf machen. Langfristig schaffen wir das, weil die Netze natürlich noch ausgebaut werden.

Die Bundesnetzagentur befasst sich schon jetzt mit dem Stromausfall als Gefahrenszenario.

Klöpfer: Das ist aber ein Szenario für die Gegenwart. Wenn jetzt tatsächlich alle Kunden sagen würden, ich mache meine Gasheizung aus und kaufe mir ein paar Heizlüfter, dann würde das Stromnetz in ganz Deutschland natürlich in die Knie gehen, wenn alle den Backofen und den Heizlüfter dauerhaft laufen lassen. Dann würden wir das Problem aber nur verlagern, das hilft niemand. Ich kann mich da nur wiederholen: Wir müssen jetzt alle solidarisch Energie sparen und notfalls auch gewisse Komforteinbußen hinnehmen. Dann schonen wir unseren Geldbeutel, müssen im Winter wahrscheinlich nicht frieren und stützen die Unternehmen und damit unsere Arbeitsplätze. Nur gemeinsam schaffen wir das.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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