Handel

Modehändler wütend: Shein will erste dauerhafte Geschäfte in Paris eröffnen

Das chinesische Onlinehandel-Unternehmen Shein will in Frankreich erstmals dauerhaft Geschäfte eröffnen. Doch der Widerstand ist gewaltig.

Von 
Birgit Holzer
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Bei Shein gibt es Kleidung zu Billigpreisen – bisher nur online. Ausgerechnet in der Modestadt Paris will der chinesische Online-Händler erstmals dauerhafte Läden eröffnen. © picture alliance/dpa

Paris. Wie wäre es, wenn man einen Wolf direkt in einen Schafstall lassen oder ein Krokodil in ein Becken voller Schildkröten schleusen würde? Ein blutiges Massaker wäre unvermeidlich. Solche Vergleiche kursieren derzeit in Paris, seit bekannt geworden ist, dass der chinesische Billig-Modehändler Shein demnächst in das Traditionskaufhaus BHV an der Rue de Rivoli, wo auch der Louvre liegt, einzieht. Außerdem sollen noch in diesem Jahr Läden in den Galerie-Lafayette-Filialen in Dijon, Reims, Grenoble, Angers und Limoges entstehen. Es wird ein ungewöhnliches Nebeneinander an Marken in mittlerer und gehobener Preisklasse wie Comptoir des Cotonniers, The Kooples oder agnès b. auf der einen und der Billigware von Shein auf der anderen Seite geben.

Bislang verkaufte das 2008 in China gegründete Unternehmen auf einer Online-Plattform Modeartikel und Accessoires zu Niedrigstpreisen. Es setzt auf Schnelllebigkeit mit ständig neuen Modellen und hat vor allem eine junge Kundschaft in Europa und den USA im Visier. Abgesehen von vorübergehenden Pop-Up-Läden verfügte Shein über keine Geschäfte. Die ersten sollen ausgerechnet in Frankreich und der Modestadt Paris eröffnen.

Der Aufschrei in der Branche ist groß

Der Aufschrei in der Branche, aber auch seitens Nichtregierungsorganisationen und Politikern ist groß. Am Freitag riefen mehrere Gewerkschaften die Mitarbeiter des BHV zu Protesten auf. „Vor dem Pariser Rathaus erschaffen sie den neuen Shein-Megastore, der – nachdem er Dutzende französischer Marken zerstört hat – darauf abzielt, unseren Markt noch massiver mit Wegwerfprodukten zu überschwemmen“, kritisierte Yann Rivoallan, Chef des Modehandelsverbands Fédération Francaise du Prêt à Porter Féminin.

Mehrere französische Modeketten wie Jennyfer und NafNaf mussten Anfang des Jahres Insolvenz anmelden. Kritiker werfen Shein unlauteren Wettbewerb und unmoralisches Geschäftstreiben vor, wird die überwiegend aus Plastik bestehende Ware doch zu Dumping-Preisen angeboten. Einem Bericht der OECD zufolge missachtet das Unternehmen Arbeitnehmer- und Menschenrechte und umgeht Umweltstandards und Transparenz-Regeln. Shein wies die Vorwürfe zurück: Die Untersuchung sei nicht neutral verlaufen.

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Auch die Besitzer von Galeries Lafayette, die ihre Läden vor vier Jahren teilweise an den Kaufhausbetreiber Société des Grands Magasins (SGM) verkauften, kündigten juristische Schritte gegen den Deal an. Sie argumentierten, die unter ihrem Dach untergebrachten Geschäfte müssten zu den eigenen Werten und der „Premium-Positionierung“ passen.

Mehr als 80.000 Menschen unterzeichnen Petition

Mehrere Labels haben angekündigt oder angedroht, ihre Filialen in den betroffenen Kaufhäusern zurückzuziehen. Eine Petition unter dem Schlagwort „Paris verdient etwas Besseres als Shein“ unterzeichneten mehr als 80.000 Menschen. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sagte, sie sei „tief beunruhigt“ angesichts dieser Pläne. SGM wiederum verteidigte seine Entscheidung, diese werde „die Stadtzentren wieder beleben“ und 200 direkte und indirekte Jobs schaffen. Shein habe in Frankreich 23 Millionen Kundinnen und Kunden und mache drei Prozent der Gesamtausgaben für Kleidung und Schuhe aus – die Konkurrenzsituation bestehe längst, könne aber für alle in einen Vorteil umgewandelt werden.

„Das ist eine tolle Chance für unsere Kaufhäuser“, versicherte SGM-Präsident Frédéric Merlin. „Es ist wichtig, neue Kundschaft anzuziehen und das Angebot zu verjüngen.“ Der Altersdurchschnitt liege bei 50 Jahren.

In Frankreich wurde Shein zuletzt mit hohen Bußgeldern belegt

Für den emeritierten Wirtschaftsprofessor und Mitbegründer der „Beobachtungsstelle Gesellschaft und Konsum“ Obsoco, Philippe Moati, ist Shein allerdings der Hauptgewinner der Operation: „Es erfährt eine Form der Legitimierung und einen Ansehens-Zugewinn.“ Die Ware unter demselben Dach anbieten zu können wie renommierte Marken, hebe sie alle – zumindest nach außen – auf eine gleiche Ebene. Frankreich sei nicht zufällig als erstes Land für dauerhafte Geschäfte und eine strategische Partnerschaft mit dem Modelabel Pimkie ausgewählt worden. Denn dort ist der Widerstand gegen Billigmode aus China besonders groß. „Indem es sich hier niederlässt, hofft Shein, das Feuer zu löschen“, so Moati.

Im französischen Parlament ist ein Gesetz im Gespräch, das Fast-Fashion-Unternehmen Werbung untersagen und einen Umwelt-Malus bei Importen einführen soll. Shein wurde in Frankreich zuletzt mit hohen Bußgeldern belegt: 150 Millionen Euro musste es wegen unerlaubter Datenerfassung über Website-Cookies bezahlen, 40 Millionen Euro wegen irreführender Rabattaktionen. Auch die EU sucht nach Wegen, gegen die Flut von Billigprodukten aus China vorzugehen, die nicht immer den Standards für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz entsprechen. Geplant ist eine pauschale Päckchengebühr von zwei Euro. Im vergangenen Jahr kamen gut viereinhalb Milliarden kleine Sendungen – jeweils im Warenwert von unter 150 Euro – in die EU. Das waren doppelt so viele wie 2023.

Korrespondent

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