Berlin/Mannheim. Spätestens mit dem Beginn der Pandemie hat sich gezeigt, auf welche Produkte Verbraucher gar nicht verzichten wollen. Leere Regale gab es in den Supermärkten dort, wo sonst in rauen Mengen Nudeln, Mehl oder Toilettenpapier auf Kunden warteten. Auch als der Krieg in der Ukraine losging, legten Konsumenten sich erst einmal einen Sicherheitsvorrat dieser Waren an. Inzwischen hat sich die Nachfrage zwar wieder normalisiert.
Doch der Blick auf die Preise zeigt, dass der Krieg nicht ohne Folgen blieb. Toilettenpapier ist so teuer wie noch nie. Und die Preise könnten noch weiter steigen. Denn die Papierindustrie gehört zu den besonders großen Energieverbrauchern und die Unternehmen der Branche nutzen für die Erzeugung in der Regel Gas.
Hakle hat Insolvenzverfahren beantragt
So schlug der Verband der Papierindustrie schon im Sommer Alarm. „Im Hygienepapier-Produktionsprozess sind wir besonders auf Gas angewiesen“, warnt der Vize-Präsident des Verbands und Chef des großen Herstellers Wepa, Martin Krengel, „bei einem Wegfall können wir die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleisten“.
Mit konkreten Aussagen halten sich die Firmen zurück. Aber die Insolvenz des bekannten Markenunternehmens Hakle ist ein Indiz dafür, dass die Unternehmen in unsicherem Fahrwasser unterwegs sind. Das Unternehmen hat ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Die „massiv gestiegenen Kosten für Material- und Energiebeschaffung sowie der Transporte“ hätten bislang nicht in hinreichendem Umfang an die Kunden im Lebensmitteleinzelhandel und den Drogeriesektor weitergegeben werden können, klagte das Unternehmen.
Die Folgen der hohen Energie- und Rohstoffkosten für die Hersteller spüren die Kunden an der Kasse der Geschäfte. Doch knapp sind derzeit weder Energie noch Rohstoffe. So gehen Kenner der Branche derzeit nicht von der Stilllegung von Produktionsanlagen aus. Allerdings kann sich dies ändern, wenn es tatsächlich einer Gasnotlage oder extremen Energiekosten kommen sollte. Von einer weiterhin sicheren Versorgung geht auch Branchenriese Essity aus, der einen großen Standort in Mannheim hat. Zum schwedischen Unternehmen gehören bekannte Marken wie Zewa oder Tempo. Die Versorgungssicherheit habe hohe Priorität, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Bisher sei ein gelungen, die Kostensteigerungen bei einer anhaltend hohen Qualität der Produkte zu kompensieren. „Dennoch wird Essity, wie alle anderen Hersteller, aufgrund der enorm gestiegenen Kosten seine Preise nach oben anpassen müssen“, kündigt eine Sprecherin an.
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125 000 Tonnen Klopapier werden importiert
Auch Wepa, das Hygienepapier für Handelsmarken herstellt, rechnet mit Preisanhebungen. Der Verbrauch an Toilettenpapier in Deutschland ist enorm. 750 000 Tonnen verlassen jährlich die Papierfabriken. Rechnerisch benötigt jeder Bundesbürger laut Verband 134 Rollen im Jahr.
Etwa die Hälfte der Produktion besteht aus Recyclingpapieren. Und die Unternehmen experimentieren mit der Beimischung anderer Naturfasern. So setzt Wepa zum Beispiel Miscanthus-Fasern ein, ein Schilfgras. Auch Stroh kommt als Alternative zu frischen Holzfasern in Betracht. Produkte der Essity-Marke Zewa, die Verbraucher in Deutschland, Österreich und der Schweiz kaufen, enthalten seit dem ersten Quartal 2022 neben dem klassischen Zellstoff aus Frischholzfasern auch 30 Prozent Zellstoff, der aus Weizenstroh gewonnen wird. Doch derlei Innovationen ändern nichts an den gegenwärtigen Problemen der Branche. Denn der hohe Energiebedarf wird zum Produktionsrisiko.
Im Gegensatz zu den ersten Monaten der Pandemie ist auch Hilfe aus dem Ausland im Falle einen Produktionsstopps nicht in nennenswertem Umfang zu erwarten. 125 000 Tonnen werden jährlich importiert, die gleiche Menge jedoch auch ausgeführt. Wenn Anlagen in großem Stile stillgelegt werden müssten, hätte sich auch für viele andere Branchen weitreichende Folgen. Der Versandhandel stünde ohne Verpackungskartons da, Zeitungen und Zeitschriften ohne Papier. (mit dpa/be)
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