Stuttgart. Es gibt Streit über die Finanzsituation des Bahnunternehmens Abellio, das in Baden-Württemberg auf den Verbindungen der Stuttgarter Netze fährt. Das Unternehmen hatte sich vor fünf Jahren bei der Vergabe gegen die wegen eines Formfehlers ausgeschiedene Deutsche Bahn durchgesetzt. Der grün-schwarzen Landesregierung stößt nun sauer auf, dass Abellio jetzt Nachzahlungen fordert.
Das Unternehmen begründet dies damit, dass externe Faktoren zur Negativentwicklung beigetragen hätten: Höhere Kosten durch langfristige Baustellen wie auf der Strecke zwischen Stuttgart und Mannheim, teure Tarifvereinbarungen oder auch unvorhersehbare Personalkosten. Und droht möglicherweise nun sogar die Insolvenz? „An Spekulationen zu unserer wirtschaftlichen Situation beteiligen wir uns nicht“, sagt ein Unternehmenssprecher.
„Diese Mehrkosten gefährden nun die Fortführung eines qualitativ hochwertigen Schienenpersonennahverkehrs durch Abellio“, schreibt der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra derweil in einem Brief an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der unserer Zeitung vorliegt. Weiter erklärt Hoekstra, er möchte Kretschmanns Aufmerksamkeit „auf die Notwendigkeit eines Ausgleichs der unvorhergesehenen Kostensteigerungen“ lenken. Der jetzige Eigentümer – die staatliche Eisenbahngesellschaft des Nachbarstaates – könne nicht bis zum Ende der Vertragslaufzeit die Verluste kompensieren.
Verbindungen in die Region
- In Baden-Württemberg wurden 2016 die Stuttgarter Netze, zu denen unter anderem die Frankenbahn und Verbindungen in Nordbaden gehören, an Abellio vergeben.
- Im Juni 2019 stieg Abellio zunächst auf der Strecke von Stuttgart nach Pforzheim/Heidelberg ein.
- Im Dezember 2019 folgte dann der Regionalexpress von Stuttgart über Heilbronn nach Mannheim, im Juni 2020 die Frankenbahnlinie von Stuttgart über Heilbronn nach Osterburken.
Würden die Bundesländer finanziell nicht entgegenkommen, sehe man sich gezwungen, „sein weiteres Engagement zu überdenken“, so Hoekstra. Zuletzt wurde über ein mögliches Schutzschirmverfahren diskutiert. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärt in einem Antwortschreiben an Hoekstra, Abellio habe sich in einem Vergabewettbewerb nach EU-Recht beworben. Die Konditionen seien bekannt gewesen. „Abellio wusste somit sehr genau, zu welchen Konditionen Leistungen in Baden-Württemberg erbracht werden sollten“, so Hermann in dem Schreiben, das unserer Zeitung ebenfalls vorliegt.
„Als Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg muss ich ein solches Agieren mit ultimativen Forderungen und uneinlösbaren Fristsetzungen entschieden zurückweisen“, schreibt Hermann. Man sei jedoch bereit, die Gespräche mit Abellio fortzusetzen. Der Abellio-Sprecher erklärt, die Kostensteigerungen seien bei der Vertragsunterzeichnung nicht bekannt gewesen. Über welchen Betrag es sich handelt, darüber macht Abellio keine Angaben.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Abellio-Eigner wendet unlautere Mittel an