Berlin. Deutschland hat den ersten Hitze-Stresstest fast hinter sich – selbst die Nächte tropisch, dazu Trockenheit. Zum Ende der Woche sind die Temperaturen wieder gefallen. Zeit für einen kühlen Blick: Kann Wasser in Deutschland knapp werden? Wolf Merkel, Vorstand des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches, DVGW, der sich um die Grundlagen der Wasserversorgung und die nötige Technik kümmert. Merkel ist promovierter Verfahrenstechniker für Wasseraufbereitung und klärt die wichtigsten Fragen.
Sollte man bei Trockenheit weniger duschen?
Es waren Hollywoodstars wie Julia Roberts, die den Verzicht aufs tägliche Duschen berühmt machten, „Non Bathing“ sei für die Haut besser, schone auch die Natur. Auch die Krankenkasse Barmer erklärt: „Grundsätzlich dürfte für die meisten Menschen etwa zweimal duschen pro Woche ausreichen.“ Aber für manchen ist die tägliche Dusche reine Erfrischung. Muss man davon weg? Im Schnitt verbraucht jeder Mensch hierzulande 122 Liter Wasser am Tag. Experte Merkel gibt Entwarnung: „Am Duschen muss man nicht sparen. Einen echten Unterschied macht es indes, den Pool nicht zu befüllen und den Garten weniger zu bewässern.“ Heißt: Auf keinen Fall mittags Rasen sprengen. Das Wasser verdunstet bei der starken Sonne sofort wieder.
Wie knapp kann das Wasser werden?
Der Wasser-Stopp als Notmaßnahme: Einige Landkreise und Gemeinden machen bereits Auflagen, wie viel Wasser aus Flüssen, Seen, Teichen oder auch privaten Brunnen etwa zum Sprengen des Gartens, von Golf-, Fußball- oder Tennisplätzen genutzt werden können. Das gilt meist für den ganzen Sommer, manchmal bis Ende Oktober. Bei einem Verstoß drohen bis zu 50.000 Euro Bußgeld. Hintergrund: Im Juni sind laut Deutschem Wetterdienst DWD bundesweit nur 61 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen – fast ein Drittel weniger als üblich. Es war der fünfte Monat in Folge mit zu wenig Niederschlag. Merkel erklärt: „Die Trinkwasserversorgung ist in Deutschland nicht in Gefahr. Dort, wo es wenig regnet und der Spitzenverbrauch steigt, kann es aber zu Engpässen kommen.“ Regen falle mal sturzflutartig, mal gar nicht. Daran müssten „die Infrastruktur, also die Brunnen, Speicher, Leitungen jetzt angepasst“ werden.
Kommen demnächst größere Wasserleitungen?
Sie könnte Vorbild für viele sein: Die 100 Millionen Euro teure Eifel-Pipeline, an die zahlreiche örtliche Wasserwerke angeschlossen sind. Seit vergangenem Jahr ist sie in Betrieb, verbindet die Oleftalsperre in Nordrhein-Westfalen und die Riveris-Talsperre bei Trier. Energieleitungen und Glasfaser für schnelles Internet wurden mit ihr zusammen verlegt. Die Idee: Die Region, die Wasser braucht, bekommt es von einer, die viel hat. Das ist in dieser Größenordnung neu, Modernisierung aber überall nötig: Die Leitungen sind oft in die Jahre gekommen, das Netz stammt zu großen Teilen aus den 1960er-Jahren, es ist auch nicht gebaut für große Hitzewellen. So wird in Hessen derzeit eine 35 Kilometer lange zusätzliche Wasserleitung aus dem Hessischen Ried nach Frankfurt verlegt. Hamburg bohrt neue Brunnen. Andere planen Talsperren.
In welchem Umfang lässt sich Wasser recyceln?
Diese Woche hat im niedersächsischen Nordenham der Bau eines großen Brauchwasserwerkes neben dem Klärwerk begonnen: Das ansässige Chemie-Unternehmen Kronos Titan wird – geht es nach Plan – ab 2026 gereinigtes Abwasser fürs Erzeugen von Dampf und von Farbpigmenten nutzen. Das spart Trinkwasser. Überall werden neue Wege gesucht. „Wasser muss aber auch vor Ort besser gehalten und gespeichert werden“, sagt Merkel. Kommt der Regen plötzlich mit Wucht, kann ein trockener, steinharter Boden ihn nicht aufnehmen, Asphalt ohnehin nicht. Dann überflutet er Bäche, Seen oder die Kanalisation, anstatt die Grundwasser-Vorräte aufzufüllen. In Deutschland wird Trinkwasser zu 70 Prozent aus Grundwasser gewonnen, seltener aus Brunnen nahe Flüssen und Seen. Es helfe, Städte mehr zu begrünen oder etwa Auen zu renaturieren, sagt Merkel.
Steigt die Wasserrechnung in Zukunft?
Die französische Stadt Toulouse will Einwohner zum sparsameren Umgang mit Wasser bewegen, indem sie von Juni bis Oktober den bisherigen Tarif um 42 Prozent erhöht, von November bis Mai um 30 Prozent senkt. Das gibt es hierzulande noch nicht. Merkel aber sagt: „Trinkwasser wird in Deutschland teurer werden.“ Nicht allein wegen der Investitionen, die nötig würden. Die Wasserwerker hätten auch mehr Aufwand bei der Wasseraufbereitung, um Rückstände von Medikamenten, Düngemitteln, Pestiziden und Chemikalien wie PFAS herauszuholen. Merkel: „Das Problem wird größer, wenn es keine Stoffverbote gibt oder sie nicht durchgesetzt werden.“
Was lässt sich dagegen tun?
Der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder sagte es mal so: „Wasser wird wertvoller als viele andere Rohstoffe, auf jeden Fall viel wertvoller als Öl.“ In der politischen Debatte ist angekommen, dass man sich kümmern muss. Eine Verordnung, die das Grundwasser vor zu viel Nitrat schützen soll, die Stoffstrombilanz, hat die Bundesregierung allerdings gerade gestoppt, um Bürokratie für Landwirte abzubauen. Merkel fürchtet trotz vieler Strategien zum Schutz des Wassers – die EU hat eine, die Bundesregierung auch, jedes Bundesland ebenso – eine „Katstrophendemenz“. Er sagt: „Kaum ist die Hitze vorbei, sind alle guten Vorsätze wieder dahin.“ Und weiter: „Politik darf sich aber nicht am Wetter ausrichten. Sie muss langfristig denken.“ Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt.
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