Umfrage

Jugend sorgt sich um Wohlstand

Über ein Viertel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen muss Ausgaben einschränken. Viele ängstigt der Blick in die Zukunft

Von 
Sabine Rößing
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Nur knapp die Hälfte der zwischen 16- und 25-Jährigen denkt, dass sie einen gleich hohen oder höheren Lebensstandard wie ihre Eltern erreichen kann. © Jan Woitas/dpa

Frankfurt. Immer mehr Jugendliche bezweifeln, dass sie den Wohlstand ihrer Eltern für sich selbst erreichen werden. Der Blick auf die eigene wirtschaftliche und finanzielle Zukunft ist von Sorgen getrübt, ermittelte die Auskunftei Schufa in ihrem neuen Jugend-Finanzmonitor. Das Fazit der aktuellen Befindlichkeitsanalyse: Noch nie seit Beginn der Befragung im Jahr 2018 schauten junge Menschen so pessimistisch auf ihre wirtschaftliche Perspektive wie heute.

Nur noch knapp die Hälfte der Befragten im Alter zwischen 16 und 25 Jahren denkt demnach, dass sie einen gleich hohen oder höheren Lebensstandard erzielen könne wie ihre Eltern. Der Anteil sei im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozentpunkte gesunken, erklärt Schufa-Manager Kai-Friedrich Donau.

Mit verantwortlich für das schwindende Zutrauen in die eigenen Aussichten, vermutet er, sei die hohe Inflation der vergangenen zwei Jahre: „Die jungen Menschen merken sehr konkret, dass sie sich weniger leisten können“, sagt Donau.

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Daniela Hoffmann
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Dazu passt, dass rund ein Viertel der Befragten nach eigenen Angaben auch zu Hause finanzielle Engpässe und eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage erlebt. „Die Befragten dieser Altersgruppe, die selbst nicht so gut oder schlecht mit dem monatlich zur Verfügung stehenden Geld auskommen, geben auch überdurchschnittlich häufig an, dass in den vergangenen zwei Jahren finanzielle Engpässe bei ihren Eltern aufgetreten sind“, sagt Donau.

Schlimmer noch: 44 Prozent der jungen Menschen befürchten laut der Befragung, dass Geld für lebensnotwendige Dinge künftig fehlen könnte, 22 Prozent haben Angst, dass sie wegen gegenwärtiger Krisen Rechnungen nicht mehr bezahlen können oder Schulden machen müssen.

Es ist vermutlich die Nervosität der Elterngeneration, die bei den Jungen ein diffuses Gefühl von Bedrohung hinterlassen hat: Denn auch die Eltern befürchten Einschränkungen – beinahe die Hälfte der Bevölkerung. Das ermittelte unlängst Forsa im Auftrag der Verbraucherzentralen.

Womöglich hat die große Verunsicherung der Jungen aber auch gerade mit finanzieller Sicherheit zu tun, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten eine zunehmende Zahl der Deutschen erlebte – vor allem jene urbane und gebildete Mittelschicht, die in sicheren Stadtvierteln wohnen und ihre Kinder auf gute Schulen schicken kann. Von Fallhöhe spricht die Mannheimer Wissenschaftlerin Carmela Aprea: „Junge Menschen, die in finanzieller Sorglosigkeit aufgewachsen sind, haben mehr zu verlieren“, sagt sie. „Wer sich hocharbeitet, für den sind auch kleine Fortschritte ein Erfolg“.

„Die Vielzahl von Krisen und Problemen, die sich mitunter überlagern und verstärken, stimmt die Jugendlichen in ihrem Allgemeinbefinden ernster und besorgter denn je“, analysierten die Autoren der aktuellen Sinus-Studie. Auch das Pandemie-Management der Eltern hat bei den Heranwachsenden offenbar Spuren hinterlassen. Viele Erhebungen vermitteln das Bild einer Jugend im Dauerkrisenmodus.

Immer mehr junge Menschen befürchten offenbar, dass sich in Deutschland das Ende der Wohlstandsjahre abzeichnet. Das zeigt auch eine Trendstudie aus dem Sommer 2022, die von den prominenten Jugendforschern Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann vorgelegt wurde. Die größten Sorgen der Jugend sind demnach Inflation, Krieg in Europa und der Klimawandel. Im Mittelpunkt steht dabei die Angst vor Verschlechterung und Abstieg.

Vor dem Hintergrund wachsender Anfechtungen der einst heilen Welt bilden die Jungen zunehmend die Werte der Alten nach: „Die Sorgen der jungen Menschen unterscheiden sich wenig von denen der Elterngeneration, die wir ihm Rahmen der Studie ebenfalls befragt haben“, registriert die Schufa. Dieser Umstand verwundere nicht, denn beide Generationen hätten die Krisen der vergangenen Jahre gemeinsam erlebt.

Statt mit Rebellion reagieren die Jungen mit der Reaktivierung des elterlichen Wertekanons: sie wünschen sich finanzielle Sicherheit auch im Alter, Familie, Planbares. In unsicheren Zeiten ist es vielleicht schwieriger, nach den Sternen zu greifen – Bausparvertrag statt Kanzleramt sozusagen.

Um die Krisen-Resilienz zu stärken, müssten moderne Gesellschaften das soziale Umfeld stärken und wieder Räume schaffen, Gemeinsamkeit zu erleben, empfiehlt Aprea. Vereine, Parteien, Kultur: Die aktuelle Besorgnis spiegele auch einen Rückzug traditioneller Strukturen gesellschaftlichen Zusammenlebens, sagt sie. „Es entsteht ein Vakuum“.

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