Berlin. Die Diebe hebeln die Eingangstür einer Gartenhütte auf und stehlen dann das technische Herzstück einer Solaranlage, den Wechselrichter. Wert: 200 Euro. Der Transporter kommt an der Tankstelle an, ein Unbekannter steigt aus, tankt für 123 Euro, steigt wieder ein, fährt los, ohne zu zahlen. Auf der Baustelle fehlen plötzlich 81 Heizkörper im Wert von 17 000 Euro, Unbekannte haben sie abtransportiert.
Drei von mehreren Fällen in diesem Sommer - kommt mit der Energiekrise eine neue Diebstahlserie? Verschiebt sich da etwas? In der Tendenz: ja, auch wenn das nicht in allen Teilen Deutschlands gleich ist. Das zeigt eine Umfrage dieser Redaktion bei den Landeskriminalämtern.
Solarpaneele sind beliebtes Ziel von Kriminellen
„Mit dem Fernseher schleppt sich keiner mehr ab“, sagt zum Beispiel Patrick Martin von der Landespolizeidirektion Thüringen. Begehrt stattdessen: Photovoltaikanlagen. Teils räumten die Kriminellen, so Martin, große Photovoltaik-Felder komplett leer. Sie nehmen die Module, die Kabel, alles mit. Martin wundert das nicht - wegen der, wie er sagt, „Rohstoffmangel-Lage“.
Es sind angespannte Zeiten, Materialien sind knapp, Lieferungen bleiben aus. Die Energiekrise lässt Öl-, Gas, auch Strompreise steigen. Hausbesitzer bauen um, wollen sich eine moderne Heizung oder Photovoltaikanlagen anschaffen. Das hat alles seinen Preis und lockt Diebe. Solarpaneele und so weiter waren zwar auch schon zuvor gefragt.
Doch schlagen die Kriminellen derzeit mancherorts häufiger zu, zumindest nach den vorliegenden Daten. Zum Beispiel: Sachsen. Dort registrierte die Polizei allein in den ersten sechs Monaten 34 Fälle, in denen Diebe es auf Photovoltaik-Anlagen und Solartechnik abgesehen hatten. 28 Mal davon waren sie erfolgreich und verursachten so einen Schaden von insgesamt knapp 253 000 Euro. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2021 lag der Schaden durch ähnliche Delikte bei fast 90 000 Euro.
Plünderten die Täter zunächst vor allem Solarmodule von Dächern größerer Hallen und Lager sowie auf Solarparks und Solarfeldern, interessieren sie sich nun auch öfter für Garagen und private Grundstücke. In kurzer Zeit, vermutlich nachts kommen die oft sehr gut organisierten Täter und karren das Diebesgut mit kleinen Transportern oder Lkw weg. Anders gesagt: es sind Profis.
Die Diebe schlagen auch andernorts zu. Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt macht aber nicht nur bei Photovoltaik-Anlagen einen „aktuellen Anstieg der Fallzahlen“ aus, sondern auch bei Kraftstoffen. Seit Benzin und Diesel teurer geworden sind, kommen die Tankbetrüger häufiger. Sprit zapfen und weg, dass diese Masche zunimmt, bestätigt zum Beispiel auch das Landeskriminalamt in Brandenburg. Die Kennzeichen der Autos sind oft gefälscht.
Spritbetrug, Solar-Klau - dabei bleibt es nicht. Carola Jeschke, Sprecherin des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein rechnet „generell mit einem Anstieg der Kriminalität“ rund um die Energieversorgung, auch wenn in Schleswig-Holstein „insgesamt (noch) keine signifikante Steigerung festgestellt“ worden sei. Bei Brennholz sei das schon heute anders. Da gebe es „eine leicht ansteigende Tendenz“, sagt Jeschke.
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Leichte Zunahme in Hessen
Ähnlich ist das etwa in Hessen. Dort macht das Landeskriminalamt beim Brennholz bis Ende August dieses Jahres im Vergleich zu 2021 eine „geringfügige Steigerung“ aus. Wer einen Kamin hat, will sich derzeit mit Brennholz gegen die hohen Energiepreise wappnen. Darum gilt es so manchem derzeit schon als das „neue Klopapier“. Egal, ob es sich um abgebrochene Äste, geschnittene Holzscheite, umgeknickte Bäume und nur kleine Mengen handelt - im Wald darf sich niemand einfach bedienen. „Jeder Wald gehört jemandem. Meistens ist er in Privatbesitz oder Eigentum der Gemeinden, Bund oder Länder“, sagt Michael Rempel, Jurist bei der R+V Versicherung. Das Sammeln von Holz für den heimischen Kamin ist daher nur gestattet, wenn eine Erlaubnis der Gemeinde dazu vorliegt. Rempel rät, sich beim zuständigen Forstamt oder bei der Gemeindeverwaltung zu erkundigen.
Zwar sehen nicht alle Landeskriminalämter Zunahmen beim Energie-Klau: Bremen, Hamburg nicht, auch Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nicht, gleiches in Bayern („keine signifikanten Veränderungen) und Baden-Württemberg („aktuell keine bemerkenswerte Verschiebung“). Und Berlin, Rheinland-Pfalz und Saarland erfassen dazu keine extra Daten. Das heißt aber nicht, dass es keine Gefahr gibt.
So gibt der Hamburger Polizeisprecher Sören Zimbal eine Faustregel mit: „Je mehr Aufwand der Diebstahl erfordert, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter von seinem Handeln absieht.“ Wer eine Solaranlage auf dem Dach habe, solle zum Beispiel Mülltonnen, Gartenmöbel, Leitern wegschließen, um es den Dieben nicht zu leicht zu machen hochzuklettern. Oder: Holz und Holzpellets sollten möglichst auf Gelände gelagert werden, das von einer Mauer oder einem Zaun umgeben ist. Und: Alle Personen, denen etwas verdächtig vorkommt, sollten sofort die Nachbarn und die Polizei informieren.
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