Frau Brantner, können Sie mir erklären, warum Uniper jetzt verstaatlicht werden muss?
Franziska Brantner: Um die Energieversorgung für Verbraucherinnen und Verbraucher, Stadtwerke und Unternehmen zu sichern, haben wir uns als Bundesregierung auf ein wesentlich umfangreicheres Stabilisierungspaket für Uniper verständigt. Damit passen wir das im Juli verkündete Paket der verschärften Lage an. Die Kapitalerfordernisse von Uniper haben sich noch mal stark erhöht, da Russland die vertraglich vereinbarten Gaslieferungen komplett eingestellt hat und dadurch die Kosten für die Ersatzbeschaffung signifikant angestiegen sind. Mit der fast vollständigen Übernahme erhält der Bund nun die wesentlichen Mitsprache- und Kontrollrechte im Unternehmen und kann so direkten Einfluss auf das Geschäft nehmen.
Und wie geht es weiter mit der Gasumlage? Warum wird sie nicht gleich ganz gestrichen?
Brantner: Unser wichtigstes Ziel ist die Versorgungssicherheit sicherzustellen. Dafür brauchen wir die angepasste Gasumlage als finanzielle Brücke, bis die Uniper-Verstaatlichung abgeschlossen und die finanzverfassungsrechtliche Frage eindeutig beantwortet ist. Gleichzeitig verbessern wir die Gasumlage so, dass Trittbrettfahrer davon nicht erfasst sind und klären die beihilferechtlichen Fragen. Diese Anpassungen befinden sich gerade in der Ressortabstimmung und werden in Kürze vorgestellt. Daneben halten wir den Stabilisierungsbedarf von systemrelevanten Unternehmen ständig im Blick und entscheiden immer der Lage angemessen, um für eine sichere Energieversorgung zu sorgen.
Fehler bei der Gasumlage, AKW-Streit, misslungene TV-Auftritte - Wirtschaftsminister Robert Habeck war eben noch Lichtgestalt, jetzt hagelt es Kritik.
Brantner: Ich wundere mich schon, wie schnell das gehen kann. Zuerst wird er für seine pragmatische Herangehensweise gelobt. Hat schnell vieles auf den Weg gebracht, zum Beispiel das Gesetz zur Füllung der Gasspeicher oder den Bau der Flüssiggas-Terminals - die Speicher sind jetzt fast voll, die ersten LNG-Terminals starten im Januar... . Dann ist er von heute auf morgen derjenige, der angeblich gar nichts mehr hinkriegt. So sind offensichtlich die medialen und politischen Dynamiken. Aber wir lassen uns davon nicht beirren. Wir machen konzentriert unsere Arbeit und lösen Probleme. Und das halte ich für das Entscheidende.
Zur Person Franziska Brantner
Franziska Brantner ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
Die Grünen-Politikerin vertritt seit 2013 den Wahlkreis Heidelberg im Bundestag. 2017 wurde sie wiedergewählt, im September 2021 holte sie sogar das Direktmandat für ihre Partei.
Die überzeugte Europäerin wurde am 24. August 1979 in Lörrach nahe der Schweizer Grenze geboren. Sie wuchs im südbadischen Neuenburg auf.
Brantner studierte Politikwissenschaften und promovierte an der Uni Mannheim. red
Die Rettung von Uniper ist nur eine der vielen neuen Herausforderungen durch die Energiekrise, dazu die Inflation - was hat für Sie gerade Priorität?
Brantner: Das Dringendste ist für mich momentan, dass wir die Energiepreise runter bekommen. Dass wir es wirklich schaffen, die Abschöpfung der Zufallsgewinne im Strommarkt umzusetzen. Diese Gewinne können wir dann nutzen für eine Strompreisbremse, um Preissprünge über den Winter begrenzen zu können. Gleichzeitig ist es wichtig, spürbare Entlastungen für die Unternehmen und Verbraucher auf den Weg zu bringen, auch für den Mittelstand und die kleineren Unternehmen.
Also auch für die gerade vieldiskutierten Bäckereien?
Brantner: Ja, wir wollen allen energieintensiven Betrieben helfen, egal welcher Sektor. Bisher war das ja auf Branchen begrenzt, das müssen wir jetzt für alle Sektoren aufmachen. Dafür braucht es ein größeres Programm, das müssen wir gut in der Umsetzung konzipieren und die finanziellen Mittel dafür sichern. Und gleichzeitig müssen wir eben die Strompreisbremse vorbereiten, mit einem fixen Preis für den Grundbedarf und Marktpreisen für alles, was darüber hinaus geht. Es ist ganz wichtig, dass wir das hinbekommen. Auch um wieder Vertrauen zu schaffen und die Angst zu nehmen, dass die Entlastungspakete nicht reichen, um über den Winter zu kommen.
Sie waren gerade viel in der Region unterwegs, beim Bundeskongress der Wirtschaftsjunioren in Mannheim, beim InnovationLab in Heidelberg. Geht es auch darum, zu erklären, zu beruhigen?
Brantner: Es geht darum zuzuhören und zu erklären, warum wir in dieser Situation sind. Dass wir in Europa Krieg haben, der seinen Schatten auch auf uns wirft. Dass wir gesehen haben, wie effektiv Putin über Monate die Energiepreise manipuliert hat - und dass das natürlich Teil seines Angriffs ist. Sein Ziel ist, die westliche Ordnung, die liberale Demokratie kaputtzumachen und dabei hilft ihm eine destabilisierte Gesellschaft. Deshalb ist es unsere Aufgabe, den sozialen Frieden zu sichern. Dafür muss man die Sorgen und Nöte ernst nehmen, entsprechend entlasten und absichern, aber auch erklären, nicht nur den Unternehmen. Das Gute ist, dass ich bei diesen Terminen auch sehe, was jetzt gerade an Innovationen möglich ist.
Haben Sie ein Beispiel?
Brantner: Nehmen Sie das InnovationLab, wo Photovoltaikzellen gedruckt werden. Da entsteht eine neue Solartechnologie bei uns in der Region, die dann mit Heidelberger Druckmaschinen in Wiesloch gedruckt wird. Es bringt ja nichts, zu hoffen, dass alles wieder so wird wie vor dem Ukraine-Krieg. Die ganz billigen Gaspreise werden nicht wieder zurückkommen. Erleichterung kommt durch die Erneuerbaren. Innovationen wie diese werden uns am Ende nachhaltiger und widerstandsfähiger machen. Der Weg dahin ist schwierig, aber er wird uns auch mehr Sicherheit bringen, denn wir können nur so die Erpressbarkeit beenden, in die wir uns über Jahrzehnte hinein begeben haben. Mit diesem Wissen kann man so einen Weg besser gehen.
Im April hat mein Kollege Sie gefragt, über wie viele Schatten die Grünen noch springen müssen: Der grüne Wirtschaftsminister lässt Flüssiggas-Terminals bauen, holt Kohlekraftwerke aus der Reserve - jetzt könnten auch noch die letzten Atomkraftwerke länger laufen. Können Sie auch über diesen Schatten springen?
Brantner: Der beschleunigte Bau von Flüssiggas-Terminals und die Rückholung von Kohlekraftwerken sind neben weiterer Maßnahmen entscheidend dafür, unsere Energieversorgung zu sichern. Bei den Atomkraftwerken geht es ja darum, ob wir die existierenden Brennelemente ausbrennen oder nicht und was das helfen könnte. Und nicht um eine Laufzeitverlängerung. Nach dem zweiten Stresstest sind wir doch zu einem guten Ergebnis gekommen: Für die sehr unwahrscheinliche Situation, dass die Stabilität der Stromnetze gefährdet ist, sind wir gewappnet. Dafür haben wir einen Streckbetrieb auf Abruf. Wir müssen Isar 2 und Neckarwestheim aber nicht wieder anfahren, wenn es nicht nötig ist. Das ist für mich eine gute, faktenbasierte Risikoabwägung.
Viele Kritiker sagen aber, dass die Pläne gerade nicht faktenbasiert sind, allein das Wiederhochfahren der AKW sei technisch schwierig. Warum nicht einfach weiter laufen lassen?
Brantner: Fakt ist, dass die AKW nur einmal herunter- und hochgefahren werden müssten. Das wird bei jeder Wartung gemacht. Für Isar 2 prüfen wir gerade, wie sich der neue Sachverhalt auswirkt. Wir sind im Austausch mit den Betreibern über die Umsetzung der Einsatzreserve. Wenn ich mir die desolate Lage der Atomkraftwerke in Frankreich anschaue, sehe ich darin nicht Deutschlands Zukunft. Wir haben in den vergangenen Monaten unglaublich viel Strom nach Frankreich exportiert, weil die Kernkraftwerke dort ausfielen. Das Gas, das wir in unserer Mangellage verstromt haben, ging unter anderem nach Frankreich. Und die nächsten Sommer werden nicht kälter. Das heißt, wir werden immer wieder das Problem haben, dass die Flüsse die französischen Kernkraftwerke, die überhaupt noch am Netz sind, nicht mehr kühlen können.
Kommt der Klimaschutz durch die Energiekrise zu kurz?
Brantner: Zum Glück nicht, die Krise zeigt doch: Nur mit grüner Energie schaffen wir eine sichere und bezahlbare Versorgung. Jedes Windrad und jedes Solarpanel ebnet uns den Weg in die Unabhängigkeit und schützt das Klima. Ganz kurzfristig über diesen Winter müssen wir wieder mehr Kohlekraftwerke einsetzen. Aber die Energiekrise bringt eine enorme Dynamik nicht nur für erneuerbare Energien, sondern auch für grünen Wasserstoff. Das sehen wir weltweit. In den USA gehen durch das Klimapaket Milliarden in die Wasserstoffindustrie, werden neue Regeln für die Kreislaufwirtschaft aufgestellt. Im Kabinett haben wir gerade zusätzlich zu den Erneuerbare-Energien-Beschleunigungspaketen im Sommer ein Entbürokratisierungsgesetz für die Solarenergie beschlossen. Vieles geht schneller, als früher möglich gewesen wäre. Auch was jetzt an neuen Technologien kommt, stimmt mich zuversichtlich.
Die ökologische Transformation ist aber teuer. Der Staat hat in der Pandemie schon viel ausgegeben, jetzt die Entlastungspakete. Kann sich Deutschland das alles leisten?
Brantner: Deshalb muss unser erstes Ziel ja auch sein, die Preisspirale zu durchbrechen, den Strommarkt neu aufzustellen. So viele Entlastungspakete können wir sonst gar nicht schnüren. Wir müssen jetzt gezielt entlasten und unseren Unternehmen konsequent durch diese schwierige Phase helfen, aber wir können nicht alle Einbußen von allen zu 100 Prozent ersetzen. Gleichzeitig gilt: Der Klima- und Transformationsfonds steht mit über 170 Milliarden Euro, diese Gelder werden nicht gekürzt. Es geht ja sogar eher darum, die ökologische Transformation zu beschleunigen.
Sie wollen auch, dass Deutschland von China weniger abhängig wird.
Brantner: Ich hoffe, dass wir und auch die Unternehmen aus den Erfahrungen mit Russland lernen und einen realistischen Blick auf China haben. Solche Über-Abhängigkeiten bringen kurzfristig vielleicht Gewinne. Aber mittelfristig haben sie hohe Kosten. Wir haben jetzt den Auftrag zu diversifizieren, um unseren Wohlstand langfristig zu erhalten.
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