Mannheim. Mannheim. Rafaela Schmitt hat eine besondere Mission: Als Feel Good Managerin bei avendi kümmert sie sich darum, dass es den Mitarbeitern in der Pflegeeinrichtungen gut geht. Ihre Arbeit hat in der Corona-Krise neue Bedeutung gewonnen.
Frau Schmitt, was macht eine Feel Good Managerin?
Rafaela Schmitt: Mein zentraler Auftrag ist, die Zufriedenheit und das Wohlbefinden bei der Arbeit zu fördern. Dabei geht es darum, herauszufinden, was die Mitarbeiter und Führungskräfte bewegt, welche Wünsche sie haben und wo sie Problemfelder sehen. In der Regel mache ich mir im direkten Austausch mit unseren Mitarbeitern ein Bild von der Situation, dann plane ich weitere Maßnahmen wie Team-Sitzungen, Coaching oder Seminare zur Entwicklung von Führungskräfte-Teams. Ziel ist es, die Prozesse im Unternehmen leichter und klarer zu gestalten, den Informationsfluss zu sichern sowie ein respektvolles Miteinander zu fördern.
Was belastet das Pflegepersonal besonders?
Schmitt: Nach meiner Erfahrung wiegen die psychischen Belastungen viel stärker als die körperlichen. Und das, obwohl die vielen Wege, das Heben der Bewohner, die Wechselschichten wirklich sehr anstrengend sind.
Und was sind die psychischen Belastungen?
Schmitt: Vor allem der Zeitdruck. Viele Pflegende haben einen hohen Anspruch an sich selbst, wie sie sich den Bewohnern zuwenden möchten. Dem können sie aber nicht immer gerecht werden, weil die Zeit zu knapp ist, zum Beispiel, weil immer mehr dokumentiert werden muss. Seinen eigenen Qualitätsansprüchen nicht gerecht werden zu können, ist auf Dauer frustrierend. Da muss jeder seine eigene Erwartungshaltung herunterschrauben. Ein typischer Belastungsfaktor für die Pflegebranche ist auch, dass alle in Teams arbeiten.
Was ist dabei so schwierig?
Schmitt: In einem Team lebt jeder in einem Spannungsverhältnis zwischen Selbstfürsorge und dem Dienst am anderen. Häufiges Thema in Teamsitzungen ist: „Mir fällt es so schwer, Nein zu sagen!“ Wenn zum Beispiel jemand die zusätzliche Schicht übernimmt, obwohl er oder sie fix und fertig ist – da fehlt die Abgrenzung. Das muss gelernt werden. Ein weiterer Punkt ist die Konfrontation mit dem Tod. Die Pflegemitarbeiter lernen mit der Zeit, damit umzugehen. Aber es wühlt doch immer wieder auf, wenn ein Bewohner stirbt.
Was hat sich durch die Corona-Krise geändert?
Schmitt: Die Situation ist dermaßen herausfordernd für alle Beteiligten, dass der Fokus nun auf dem einen Thema Corona liegt. Das Gefühl von Angst ist bei vielen omnipräsent: Manche haben Angst davor, zur Gefahr für die eigene Familie zu werden, andere davor, geliebte Bewohner und Bewohnerinnen zu verlieren. Die größte Angst aber ist, nicht genügend Schutzmaterial zur Verfügung zu haben, wenn der Ernstfall eintreten würde. Auf der anderen Seite erleben wir aber auch Teams, die enger zusammenrücken, weil sie sich bewusst werden, dass diese Krise nur gemeinsam gemeistert werden kann. Die gegenseitige Unterstützung und Zuspruch sind groß.
Avendi betreibt 19 Pflegeein- richtungen und fünf ambu- lante Dienste, da müssen Sie viel herumfahren.
Schmitt: Natürlich, Besuche gehören normalerweise dazu. In der Regel biete ich allen Einrichtungen nach Bedarf eine regelmäßige Begleitung an, zum Beispiel, wenn es im Team kriselt. Während der Corona-Krise findet die Begleitung telefonisch statt und hat eher einen seelsorgerischen Charakter. Wenn ich dann mitgeteilt bekomme, dass für unsere Mitarbeiterschaft momentan das größte Bedürfnis und die größte Erleichterung das Vorhandensein von genügend Schutzmaterial ist, dann ist das der momentane zentrale Feel-Good-Auftrag unseres Unternehmens. Alles andere kann warten.
Wie helfen Sie sonst im Alltag?
Schmitt: Wenn ein einzelner Mitarbeiter mit einem Problem auf mich zukommt, berate ich direkt. Oder in einem Team kommen immer wieder bestimmte Themen auf. Dann besprechen wir gemeinsam, was helfen könnte. Ich ermutige immer wieder die Mitarbeiter, selbst eine Lösung zu entwickeln. Es ist ganz wichtig, Selbstwirksamkeit zu erleben. Den meisten fällt es schwer, ihre Vorgesetzten direkt auf ein Problem anzusprechen. Aber es kann sich ja nur etwas ändern, wenn die Dinge auf den Tisch kommen. Deshalb ist es gut, einen neutralen Ansprechpartner wie mich zu haben.
Ist es durch Ihre Arbeit gelungen, die Fachkräfte stärker an avendi zu binden?
Schmitt: Wir haben tatsächlich die Fluktuationsrate um sieben oder acht Prozent gesenkt. Doch dafür spielen viele Faktoren eine Rolle, nicht nur ich als Feel Good Managerin. Insgesamt hat sich das Betriebsklima spürbar verbessert. Ich bekomme auch immer wieder positive Rückmeldungen.
Was ist Ihr Rat an Arbeitgeber in der Pflegebranche?
Schmitt: Ich würde ihnen raten, zum Feel Good Manager für ihre Mitarbeiter zu werden. Das bedeutet, Menschen einzubinden, sich Zeit für den Austausch zu nehmen und echtes Interesse zu zeigen für sie als Mensch und für ihre Bedürfnisse. Doppelt so viel zuzuhören wie zu reden, wird gerade jetzt, während der Corona-Krise, wichtiger als je zuvor. Zum Beispiel können Führungskräfte Besprechungen einfach mal mit der Frage beginnen: „Wie geht es Ihnen wirklich?“ oder „Welche Sorgen beschäftigen Sie derzeit?“ Belastendes auszusprechen, befreit, und den Zuspruch aus dem Kollegenkreis zu erfahren, gibt Kraft, weiterhin zusammenzuhalten.
Von Valencia nach Mannheim
- Rafaela Schmitt hat in Heidelberg sowie im spanischen Valencia Erziehungswissenschaft, evangelische Theologie und Psychologie studiert.
- In Valencia arbeitete sie als Lehrerin und machte einen Masterabschluss zum Thema „Emotionale Intelligenz“.
- Nach kurzer Selbstständigkeit als Entwicklungscoach trat sie 2018 die Stelle als Feel Good Managerin bei avendi an.
- Avendi unterhält insgesamt 19 vollstationäre Pflegeeinrichtungen, zwei Service-Wohnanlagen sowie fünf ambulante Pflege- und Betreuungsdienste.
- Das Unternehmen ist ein privater Seniorendienstleister mit Sitz in Mannheim und gehört als hundertprozentige Tochter zur Diringer&Scheidel-Gruppe. be
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