Lebensmittel

Geflügelwirtschaft beruhigt zu Ostern: „Wir werden genug Eier suchen und finden können“

Eier und Hähnchenfleisch sind gefragt wie nie. Die Branche will mehr produzieren, sieht sich aber durch Vorschriften gebremst.

Von 
Björn Hartmann
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Legehennen stehen in einem Stall mit Freilandhaltung. Ein deutscher Betrieb hält im Schnitt mehr als 29.500 Tiere. © picture alliance / dpa

Berlin. Für Amerikaner ist es ein ganz neues Gefühl: Eier sind plötzlich ein Luxusgut. Die Preise haben sich binnen eines Jahres vervierfacht. Tendenz steigend. Zuletzt baten die USA, die gerade höchst ruppig mit allen anderen Staaten verfahren, sogar um europäische Eier. Und das vor Ostern, wo dem Lebensmittel besondere Bedeutung zukommt. Droht Knappheit auch in Deutschland?

Anfang des Jahres klafften auch hierzulande Lücken in den Regalen. Doch die Lage unterscheidet sich grundlegend von der in den USA. Dort rafft die Vogelgrippe die Legehennen dahin, entsprechend niedrig ist das Angebot. In Deutschland ist die Vogelgrippe kein großes Thema. Eier sind also da. Die Deutschen essen allerdings mehr. „Das Ei ist von der Cholesterinbombe zum Superfood geworden“, sagt Hans-Peter Goldnick, Präsident der Deutschen Geflügelwirtschaft. Proteinstarke Produkte sind gefragt, deshalb greifen auch Jüngere gern zum Ei. 249 Stück aß jeder und jede im Schnitt im vergangenen Jahr, zwölf mehr als noch ein Jahr zuvor.

Für die meisten Eier werden feste Preise und Mengen für zwölf Monate ausgehandelt

Hinzu kommt, dass diese Jahr die Frühjahrsbelebung früher startete, wie Goldnick sagt. Die Deutschen verspürten bereits im Februar mehr Lust auf Eier als sonst üblich. Auf die Preise wirkte sich das bisher, anders als in den USA, kaum aus. Tatsächlich sind sie zuletzt im Vergleich zum Vorjahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kaum gestiegen. Das mag auch an der Art des Marktes liegen. Für gut 70 Prozent der Eier handeln Erzeuger und Handelskonzernen wie Aldi, Edeka, Lidl und Rewe meist im August/September feste Preise und Mengen für zwölf Monate aus.

„Feste Jahreslieferverträge verhindern kurzfristige Preissprünge bei Eiern“, erklärt Goldnick. Und sollte ein Händler versuchen, die Preise anzuheben, bremst ihn im Zweifel der Wettbewerb untereinander. Denn die Kunden in Deutschland sind sehr auf den Preis bedacht und kaufen dann, wo es günstiger ist. Insgesamt lieferten im vergangenen Jahr 51,4 Millionen Legehennen täglich rund 45 Millionen Eier. Das reicht nicht ganz, um den Hunger der Deutschen zu stillen. Die heimischen Tiere versorgen gut 73 Prozent des Marktes, die anderen Eier stammen überwiegend aus den Niederlanden.

Pro Kopf verspeisten die Deutschen 2024 rund 13,6 Kilogramm Geflügelfleisch

Weil die Nachfrage gestiegen ist, fehlen allerdings rund fünf Millionen Plätze für Legehennen in Deutschland. Die nächste Verhandlungsrunde zwischen Händlern und Produzenten im August könnte also doch höhere Preise bringen. Und wie sieht das jetzt Ostern aus? „Eier sind zwar knapp“, sagt Goldnick, „aber auch in diesem Jahr werden wir Ostern genug Eier suchen und finden können.“

Eier sind gefragt, Hähnchenfleisch auch. „In den vergangenen 25 Jahren haben die Deutschen im Schnitt jedes Jahr ein Prozent mehr Geflügelfleisch gegessen“, sagt Goldnick, der Geflügelbauer in Schleswig-Holstein ist. „Das klingt nicht viel, ist aber beachtlich, wenn man sieht, dass insgesamt weniger Fleisch gegessen wird.“ Pro Kopf verspeisten die Deutschen 2024 nach Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung rund 13,6 Kilogramm Geflügelfleisch - vor allem Hähnchen. Im Vergleich zu 2023 ist das gut ein Kilogramm mehr. Und im Vergleich zu 2010 beträgt das Plus 2,1 Kilogramm. Im gleichen Zeitraum sank der gesamte Fleischkonsum pro Kopf um 9,7 auf 53,2 Kilogramm.

„Die Preise im Supermarkt sind so günstig, weil unsere Landwirte so effizient arbeiten“

Die Geflügelbranche wird gesellschaftlich wichtiger, wie Goldnick sagt. Sie könnte also frohlocken. Ganz so rund läuft es aber nicht. Die Branche wandelt sich seit Jahren. Mast- und Schlachthühner hielten 1992 noch rund 80.000 Betriebe. 2023 waren es weniger als 3.000. Gleichzeitig stieg die Zahl der Tiere pro landwirtschaftlichem Betrieb von im Schnitt 455 Tieren auf mehr als 29.500. Ein Grund: Größe verringert die Kosten. Das merken die Verbraucher beim Einkaufen. „Die Preise im Supermarkt sind so günstig, weil unsere Landwirte so effizient arbeiten“, sagt Goldnick.

Die Landwirte verkaufen die Masthähnchen an große Zerlegebetriebe und Vermarkter wie die Unternehmen PHW (Wiesenhof) oder Rothkötter, die die Größe haben, um mit den Supermarktketten zu verhandeln. Bisher konnten die heimischen Betriebe die Inlandsnachfrage vollständig bedienen, inzwischen kommt Geflügelfleisch auch in steigendem Maße aus dem Ausland. „Die Branche würde gern investieren, ohne staatliches Geld“, sagt der Branchenpräsident. „Aber wir brauchen dazu bessere Rahmenbedingungen. Die Genehmigungsverfahren sollten zum Beispiel erleichtert und beschleunigt werden.“

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Hanna Gersmann
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Da sind zum Beispiel einige Regeln, die etwas bizarr anmuten. „Geflügelställe sind nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz Industrieanlagen wie etwa Kohlekraftwerken gleichgesetzt“, sagt Goldnick. „Die Politik soll diese Regeln nicht abschaffen, aber deutlich vereinfachen. Das würde schon helfen.“ Er fürchtet, dass die Fleischproduktion in andere Länder abwandert, wenn die Branche nicht investiere. „Wir verlieren damit die Kontrolle über Qualität und Tierwohl.“ Die Produktqualität in Deutschland sei nicht vergleichbar mit der der Importe.

„Wir sind zum Beispiel deutlich besser bei Sauberkeit, Reinheit und Keimbelastung, weil wir wesentlich höhere Standards in der Produktion haben.“ Auch deshalb grassierte die Vogelgrippe in Deutschland bisher nicht so dramatisch, kein Vergleich etwa mit der Lage in den USA. Das Virus fliegt nicht durch die Luft – in die Ställe trägt es nicht der Wind, sondern der Mensch, Haustiere oder zum Beispiel Mäuse.

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