Energie - Geothermie ist für die einen eine saubere Zukunftstechnologie – und für die anderen ein rotes Tuch.

Fünf bis sechs Geothermie-Anlagen bis 2025 geplant - auch in Rhein-Neckar

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Martin Geiger
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Seit knapp zehn Jahren läuft das Geothermie-Kraftwerk in Insheim bei Landau bereits – mittelfristig dürften in der Rhein-Neckar-Region noch einige weitere dazu kommen. © Klaus Venus

Rhein-Neckar. Geothermie ist für die einen eine saubere Zukunftstechnologie – und für die anderen ein rotes Tuch. Die Karlsruher Firma Vulcan Energie Ressourcen GmbH will in den nächsten drei Jahren fünf bis sechs Erdwärme-Anlagen im Oberrheingraben bauen – auch in der Rhein-Neckar-Region.

Herr Kreuter, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Unternehmen zu gründen, das aus Thermalwasser Lithium gewinnen und Strom und Wärme erzeugen will?

Horst Kreuter: Initiator war mein australischer Mitgründer Francis Wedin. Er ist Lithium-Experte und hat nach einem Weg gesucht, es umweltfreundlicher als bisher zu fördern. Da es besonders im Thermalwasser des Oberrheingrabens vorkommt, mit dem ich mich als Geothermie-Experte seit mehr als 20 Jahren beschäftigte, hat er mich im beruflichen Online-Netzwerk LinkedIn gefunden und mir am 5. Mai 2018 eine Mail geschrieben. Drei Monate später haben wir gemeinsam Vulcan gegründet.

Warum in Australien?

Kreuter: Francis wohnt in Perth und hat vorgeschlagen, über einen Börsengang dort an Kapital für das Projekt zu kommen. In Europa wäre das mit einem Rohstoff-Thema unmöglich gewesen. In Australien haben wir in zwei Tagen rund 4,5 Millionen Euro eingesammelt. Inzwischen werden unsere Aktien auch an der Frankfurter Börse gehandelt, und wir verfügen über ein Kapital von 270 Millionen Euro, das wir investieren können. Im Prinzip verstehen wir uns als deutsches Unternehmen: Rund 95 Prozent unserer 130 Beschäftigten arbeiten in Deutschland. Und es war immer klar, dass unsere Projekte im Oberrheingraben angesiedelt sein werden.

Seit knapp zehn Jahren läuft das Geothermie-Kraftwerk in Insheim bereits – mittelfristig dürften in der Rhein-Neckar-Region noch einige dazu kommen. © Bild:

Warum gerade hier?

Kreuter: Weil die Bedingungen einmalig sind. In der Kombination aus sechs Faktoren, die für uns relevant sind, sticht der Oberrheingraben hervor: etwa, weil der Lithium-Gehalt im Thermalwasser relativ hoch und das Gebiet sehr groß ist und wir nah an unseren Kunden sind.

Wer sind diese und warum gilt Lithium als Schlüsselrohstoff?

Kreuter: Ganz einfach, weil es für die Verkehrswende unbedingt benötigt wird. Nach Tesla haben auch VW, Daimler, Porsche und andere entschieden, auf Batterie betriebene Elektromotoren zu setzen - also brauchen sie Lithium-Ionen-Batterien. Alleine in Europa werden etwa 50 Fabriken dafür geplant. Wir rechnen deshalb damit, dass die Nachfrage nach Lithium um 350 Prozent steigen wird. 99 Prozent davon braucht die Automobilindustrie. So sind etwa VW, Renault und Stellantis (früher Fiat Chrysler und PSA, Anm. d. Red.) unsere Kunden. Die Produktion der ersten fünf Jahre haben wir bereits verkauft.

Wie das? Sie haben doch noch gar keine nennenswerten Umsätze …

Kreuter: Wir befinden uns im Aufbau, das stimmt, und in den ersten Jahren ist Geldausgeben angesagt. Unsere Planungen sehen aber vor, dass wir Ende 2024 mit der Produktion beginnen. Und die Chargen von 2025 bis 2030 sind bereits verkauft.

Geologe, Gründer, Geothermie-Experte

  • Horst Kreuter hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) angewandte Geologie studiert. Anschließend hat er an der Fakultät für Bauingenieurwesen im Bereich Boden- und Felsmechanik promoviert.
  • Er leitete mehr als 15 Jahre das Beratungsunternehmen GeoThermal Engineering in Karlsruhe, das viele Geothermieprojekte im In- und Ausland initiierte und begleitete.
  • Kreuter ist Gründer und Berater des Vorstands bei Vulcan Energie.

Wie gewinnen Sie das Lithium?

Kreuter: Wir füllen Zylinder mit einem Sorbenten, also einem Material, das die Ionen einfängt: Es hat Löcher, in die nur ein Lithium-Ion reinpasst, weil es das kleinste ist. Durch diese Zylinder leiten wir das Thermalwasser. Wenn alle „Fallen“ voll sind, spülen wir sie aus und haben dann Lithiumchlorid in wässriger Lösung. Dieses wird eingedampft und in unserer Raffinerie, die wir im Chemiepark Frankfurt-Höchst bauen werden, in Lithiumhydroxid umgewandelt - das Material für die Lithium-Ionen-Batterien.

Wie wird es bisher gewonnen?

Kreuter: Auf zweierlei Arten: Rund 60 Prozent kommen aus dem Tagebau, beispielsweise in Australien. Dort gibt es Gesteinsschichten, die etwa ein Prozent Lithium enthalten. Dieses Gestein wird gebrochen, gemahlen und - im Falle von Australien - nach China gebracht, wo das Lithium durch den Einsatz von Kohleenergie aus dem Stein herausgebrannt wird. Dabei entsteht jedoch sehr viel klimaschädliches CO2 - pro Tonne Lithium rund 15 Tonnen.

Und die zweite Art?

Kreuter: Etwa 40 Prozent kommen aus Südamerika. Vornehmlich in den Anden gibt es Lithium in Salzseen und im Grundwasser. Dieses wird in riesige Becken gepumpt. Und wenn das Wasser verdunstet ist, hat man weißes Pulver, das Lithium enthält. Dabei entstehen zwar pro Tonne „nur“ etwa sechs Tonnen CO2 - aber man braucht viel Chemie und Wasser, das in diesen Gegenden knapp ist. Wir hingegen wollen komplett klimaneutral produzieren: Wir nutzen die erneuerbare Energie des Thermalwassers für unseren Produktionsprozess - und haben sogar noch jede Menge zum Heizen und Kühlen von Gebäuden übrig!

Ist Ihre Technik schon reif für den industriellen Einsatz?

Kreuter: Sie funktioniert, das wissen wir, weil sie schon seit 20 Jahren genutzt wird. Wir müssen sie aber noch verfeinern und an die hiesigen Gegebenheiten anpassen. Im Moment entziehen wir dem Thermalwasser etwa 95 Prozent des Lithiums. Das ist schon ein sehr guter Wert, der sich aber noch optimieren lässt.

Ist es schon wirtschaftlich?

Kreuter: Ja, aber im Moment ist unsere Anlage in Insheim noch sehr klein: Pro Monat gewinnen wir ein Kilo Lithiumhydroxid. Unser nächster Schritt ist eine Demonstrationsanlage in Insheim, in der wir pro Monat mehrere Tonnen herstellen werden. Und das Ziel ist es, Anlagen zu bauen, die dann bis zu 10 000 Tonnen herstellen können: Ab 2025 wollen wir pro Jahr 40 000 Tonnen Lithiumhydroxid erzeugen. Das reicht für etwa eine Million Autobatterien.

Wie viele Geothermie-Anlagen müssen Sie dafür bauen?

Kreuter: Bis 2025 etwa fünf bis sechs. Danach wollen wir mit dem Bedarf wachsen: Wir haben jetzt schon die Aufsuchungsgenehmigungen für mehr als 1000 Quadratkilometer Flächen. Das würde theoretisch auch für mehr Anlagen reichen. Wir denken, dass wir langfristig aus dem Oberrheingraben den deutschen Lithium-Bedarf ganz decken können.

Wo sollen die Anlagen entstehen?

Kreuter: Das wissen wir noch nicht. Um geeignete Standorte zu finden, müssen wir den Untergrund mit einer 3D-Seismik, einer Art Ultraschalluntersuchung, analysieren. Dieses dreidimensionale Bild hilft uns, die besten Stellen zu identifizieren. Danach suchen wir im Umkreis von etwa eineinhalb Kilometern nach Standorten an der Oberfläche für die Anlagen: Weil wir auch schräg bohren können, haben wir da eine gewisse Flexibilität.

Eine Anlage planen Sie im Raum Mannheim. Wie weit sind Sie da?

Kreuter: Wir wollen die erwähnte „Ultraschalluntersuchung“ noch in diesem Jahr durchführen. Dafür werden wir etwa 10 000 kleine Boxen im gesamten Gebiet verteilen. Spezielle Lkw senden dann ein Signal in den Boden, das von diesen Geophonen aufgenommen wird. Eventuell können wir auch dieses Jahr noch mit der Bohrplatzsuche und 2023 dann mit dem Bohren beginnen. 2024 oder 2025 soll die Anlage in Betrieb gehen.

In Mannheim wollen Sie auch Wärme an die MVV verkaufen, die diese ins Fernwärmenetz einspeisen möchte. Ist das an den anderen Standorten auch geplant?

Kreuter: Ja, wir haben sehr viel Wärme übrig und können damit ganze regionale Netze versorgen. In München gibt es das schon. Das hat den Vorteil, dass sich die Anlagen gegenseitig absichern. Das heißt, man braucht keine Gaskessel mehr für Notfälle. So können wir auch die Abhängigkeit von Russland reduzieren. Durch Geothermie-Anlagen können wir 40 Prozent des Erdgases aus Russland, das hierzulande zum Heizen verwendet wird, ersetzen. Im Oberrheingraben können wir künftig ganze Regionen mit Wärme aus unseren Geothermie-Anlagen versorgen - bis auf Aussiedlerhöfe, wo der Leitungsbau zu teuer wäre.

Geothermie-Anlagen haben nicht den besten Ruf. Wie wollen Sie den Ängsten vieler Menschen vor Erdbeben begegnen?

Kreuter: Indem wir aufklären. In der Vergangenheit hat es noch an Erfahrung gefehlt, darum sind manche beim Erforschen übers Ziel hinausgeschossen. Inzwischen hat die Branche dazugelernt: Wir können heutzutage garantieren, dass Ereignisse wie in Basel, Vendenheim oder Landau nicht mehr vorkommen.

Wie?

Kreuter: Unsere Techniken sind viel ausgereifter. Dadurch verstehen wir den Untergrund besser: Früher hat man mit zweidimensionalen Bildern gearbeitet, heute mit dreidimensionalen - dadurch können wir gezielter bohren. Außerdem arbeiten wir nicht nur mit einer Bohrung, sondern erschließen das Reservoir mit mehreren „Ästen“ aus der Zentralbohrung. Das ermöglicht es uns, mit viel geringeren Drücken zu arbeiten. Und weniger Druck bedeutet weniger Spannungen und damit weniger Seismizität. Messen können Sie diese zwar noch, aber sie muss so gering sein, dass sie niemand spürt - und dass keine Schäden entstehen. Wir haben das Erdbeben-Problem inzwischen also im Griff.

Wollen Sie auch Gesteinsschichten aufbrechen, also fracken?

Kreuter: Nein, das ist für uns gar kein Thema, weil es auch keinen Sinn machen würde: Wir suchen nach den hochdurchlässigen Bereichen, wo sehr viel Thermalwasser fließt. Da müssen und können Sie gar nicht den Druck aufbauen, um zu fracken.

Ob das reicht, um die Anwohner zu beruhigen?

Kreuter: Wir versuchen auf jeden Fall, sie einzubinden und mitzunehmen. Darum gründen wir auch an jeder Anlage eine eigene GmbH, die vor Ort sitzt und Gewerbesteuer bezahlt. Außerdem sollen die Bürger der Gemeinden an unseren Gewinnen teilhaben können, indem sie in die lokalen Projekte investieren können. Darüber hinaus sind wir regelmäßig vor Ort in den Gemeinden mit einem Trailer unterwegs. Dort und in eigenen Informationscentern wollen wir mit den Menschen in den Dialog kommen. Wir legen gerade eine Internetseite (www.natuerlich-mannheim.de) an, auf der wir regelmäßig über unsere Projekte informieren. Wir haben ein Bürgertelefon und man kann unsere Projekte auch persönlich vor Ort besuchen.

Die großen Energieunternehmen waren beim Thema Geothermie lange zurückhaltend, so dass Sie sich zahlreiche Gebiete sichern konnten. Wie wollen Sie es als kleines Unternehmen schaffen, so viele Anlagen zu bauen?

Kreuter: Zum einen wachsen wir stetig, indem wir Leute einstellen, aber auch Firmen zukaufen. So werden wir zum Jahresende hin schon 200, vielleicht auch 300 Mitarbeiter haben. Weitere werden für die neuen Kraftwerke und die Lithium-Gewinnungsanlagen eingestellt. Zum anderen brauchen Sie aber auch nicht viele Beschäftigte, um eine Geothermie-Anlage zu betreiben, sondern drei bis fünf Spezialisten. Und die haben wir. Das ist der Kern unseres Unternehmens.

Dieses ist auch schon kritisiert worden: Was ist dran an den Vorwürfen, Sie würden von zu positiven Erwartungen ausgehen?

Kreuter: Diese Kritik geht hauptsächlich auf jemanden zurück, der mit schlechten Nachrichten und fallenden Börsenkursen Gewinne machen wollte. Natürlich sind unsere Prognosen hinsichtlich der Menge des geförderten Thermalwassers höher als der Durchschnitt der letzten 40 Jahre. Aber aus unserer Sicht ist das gerechtfertigt, weil sich die Technik in den letzten Jahren weiterentwickelt hat: Zu Beginn ihrer Entwicklung waren die Autos auch noch langsamer als heute und haben mehr Sprit verbraucht.

Stand auf dem Maimarkt: Wer mehr über das Unternehmen erfahren möchte, kann zum Maimarkt kommen: Auf der Freifläche gegenüber dem SWR-Glasstudio hat Vulcan einen Stand. Am Mittwoch, 4. Mai (11 - 14 Uhr), sowie am Dienstag, 10. Mai (Mittagszeit), wird Horst Kreuter Fragen beantworten. Zudem gibt es täglich von 9 bis 18 Uhr Informationen. Am Dienstag, 3. Mai, 16 Uhr, stellt sich das Unternehmen im Ausschuss für Umwelt und Technik des Mannheimer Gemeinderates vor.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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