Mannheim. Am 20. September kommt Besuch aus Japan nach Mannheim-Friedrichsfeld. Dann werden Vertreter des Kyocera-Managements auf dem Firmengelände von Friatec die Gründung der Kyocera Fineceramics Solutions GmbH feiern. Die neue Gesellschaft geht zu großen Teilen aus der Keramiksparte der Traditionsfirma Friatec hervor.
Rund 300 Friatec-Mitarbeiter haben sich dafür entschieden, in die neue Gesellschaft zu wechseln. „Wir gehen mit der gesamten Mannschaft an den Start“, sagt Bernhard Stähle. Stähle ist bisher Personalchef des Keramik-Bereichs bei Friatec und wird mit seinen Managementkollegen die neue Führung der Kyocera- Sparte bilden. Nur vier Mitarbeiter hätten sich aus persönlichen Gründen gegen den neuen Arbeitgeber entschieden. „Das ist eine fantastische Quote“, sagt Stähle.
Ein Jahr Schonfrist
Den Betroffenen räumt das Gesetz bei sogenannten Betriebsabspaltungen eine einjährige Schonfrist ein: In dieser Zeit sind sie vor Kündigungen und generell vor einer Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen geschützt. Stähle führt die Wechselwilligkeit der Kollegen auch auf die positiven Signale aus Japan zurück. Der neue Eigentümer habe sehr deutlich gemacht, dass er auf die bisherige Mannschaft setze und sich vorab mehrfach versichert, ob ja keine Kompetenzen verloren gehen. „Wir brauchen euch“, lautet Stähle zufolge die Ansage. Schließlich will Kyocera mit der neuen Tochterfirma das Europa-Geschäft ausbauen. Für den bisherigen Besitzer Aliaxis zählt der Bereich nicht mehr zum Kerngeschäft und wird deshalb veräußert.
Stähle zufolge kommt sogar eine Handvoll zusätzlicher Stellen dazu. So werden einige Funktionen, die in der Friatec-Verwaltung angesiedelt sind, neu besetzt. Da die Japaner hier kaum Produktionsanlagen besäßen, gäbe es auch keine Überschneidungen, betont Stähle. Im Gegenteil: „Wir haben einige Segemente, die für Kyocera interessant sind.“
Bisher hält sich der japanische Konzern noch mit Details zu seinen Plänen zurück. Aber schon zur Bekanntgabe der Übernahme im Juni hatte eine Sprecherin erklärt, dass der Kauf Kyocera in die Lage versetzen solle, „den Kunden durch lokale Produktion und lokalen Verkauf umfassenden Service zu bieten“.
Die Sprecherin lässt ehrgeizige Pläne anklingen: So sollen in Mannheim verstärkt Prototypen entwickelt und innerhalb kurzer Zeit zur Verfügung gestellt werden. Außerdem plane Kyocera die Friatec-Komponenten auch außerhalb Europas zu verkaufen. Die Sparte stellt Spezialkeramiken her. Sie werden unter anderem in der chemischen Industrie, im Maschinenbau und in der Medizintechnik eingesetzt werden, etwa für Computertomographen, Brennstoffzellen, Labortische oder Hochdruckpumpen.
Am 2. September soll der Verkauf an Kyocera vollzogen sein. Die Kartellbehörden haben bereits zugestimmt. Am 20. folgt der Festakt. Auch Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) ist dabei - er hat aus Sicht der Stadt durchaus Grund zu feiern: Arbeitsplätze und Infrastruktur am Standort bleiben erhalten. Kyocera hat ungefähr ein Drittel des bisherigen Friatec-Geländes gekauft - inklusive einiger Freiflächen. Das könnte auf weitere Ausbaupläne hindeuten. Die Kunststoff-Sparte mit rund 500 Beschäftigten in Mannheim bleibt bei Friatec.
Haustarif wird 2020 verhandelt
Auch Gewerkschafter Steffen Seuthe, der den Bezirk Mannheim der IG BCE leitet, gibt sich zuversichtlich. Die Kyocera-Vertreter seien sehr professionell aufgetreten: „Die stehen dann auch zu ihren Entscheidungen.“ Klar sei, dass die Japaner sich im europäischen Markt etablieren wollten und dazu sogar eigene Bereiche in Mannheim einbringen.
Der neue Besitzer habe vielversprechende Zusagen für die Zukunft der Arbeitnehmer gegeben - zu Seuthes Bedauern aber nur mündliche. Er führt das auf kulturelle Unterschiede zurück: Die japanische Kultur basiere viel stärker auf Vertrauen, während die deutsche Seite gerne alles schriftlich fixiert hätte.
Seuthe wären mehr vertraglich festgelegte Vereinbarungen etwa zum Erhalt der Arbeitsplätze lieber gewesen, „auch um den Mitarbeitern mehr Sicherheit zu geben“. Unklar sei zum Beispiel ob die neue Gesellschaft den Friatec-Haustarif langfristig behalten wird. 2020 stehen dazu neue Verhandlungen an.
Belgische Konzernmutter
- Friatec, 1863 gegründet, ist eines der ältesten Mannheimer Unternehmen. Seit 2003 gehört Friatec zur Aliaxis-Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Brüssel, Belgien.
- Aliaxis ist einer der weltweit größten Hersteller von Kunststoff-Rohrleitungen.
- Der Technologie-Konzern Kyocera, Käufer der Keramiksparte, ist weltweit aktiv, etwa als Autozulieferer oder Druckerhersteller.
- Kyocera hat seinen Sitz in Kyoto, Japan.
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