Berlin. Sie haben ganz unterschiedliche Formen. Mal sehen sie aus wie Ventilatoren unter einem Schutzgitter, mal drehen sich schlank gewundene Metallblätter um eine Achse, mal durchschneiden kurze Rotorblätter die Luft.
Kleine Windkraftanlagen passen vom Platzbedarf her auf einen Balkon oder aufs Dach. Das bringt manchen Verbraucher auf die Idee, damit einen Teil des eigenen Strombedarfs zu erzeugen. Doch so einfach ist die private Energiewende leider nicht. „Das ist Spielerei“, weiß Reinhard Loch, Energieeffizienzexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, „viele verwechseln es mit kleinen Solaranlagen“.
Die Sonnenenergie lässt sich auch im kleinen Rahmen problemlos gewinnen. Es bedarf nur weniger Schritte, um den eigenen Strom zu erzeugen (siehe Artikel oben).
Für kleine Windanlagen sind sehr viel höhere bürokratische und technische Hürden zu überwinden. Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gibt es hier nicht. Möglicherweise entscheidet der Netzbetreiber, ob der Betrieb auf dem Dach oder Balkon erlaubt wird. Die Regelungen sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Schwerer wiegen technische Herausforderungen. Da ist zum Beispiel das Geräusch, dass eine Anlage verursacht. Nachbarn soll der Betrieb auf keinen Fall stören.
Aufwendiger und damit kostspieliger sind die notwendigen Schutzvorrichtungen gegen eine Überlastung der Anlagen. Während eine starke Sonneneinstrahlung keine Auswirkung auf die Funktion einer Solaranlage hat, ist zu viel Wind Gift für die Windanlage. Denn die Leistung des Windes nimmt mit wachsender Stärke übermäßig zu. Bei einer doppelten Windstärke verachtfacht sich die Leistung. Ohne Schutzvorrichtungen können die Rotoren oder Generatoren dadurch kaputt gehen.
Und noch ein weiterer Faktor, der Wind selbst, spricht gegen eine Miniwindanlage direkt am Haus. „Die Windbedingungen sind oft zu schlecht“, warnt der Fachmann Patrick Jüttemann. Am Haus entstehen Verwirbelungen, gegen die auch hochwertige Windräder nicht helfen. Das Fazit des Experten ist daher eindeutig. „Die Miniwindanlage auf dem Balkon ist keine gute Lösung“, sagt er.
Wirtschaftlich sieht die Bilanz nach Berechnungen der Verbraucherzentrale nicht besser aus. Deren Musterrechnung für eine Rotorfläche von 0,8 Quadratmeter ergibt eine Stromerzeugung von 98 Kilowattstunden im Jahr. Es braucht viele Jahre, bis sich die Anschaffung amortisiert hat.
Die Anschaffungspreise für die Turbinen liegen in einer gewaltigen Spannbreite zwischen einem geringen dreistelligen Betrag und mehreren Tausend Euro, je nach Leistung, Größe oder vermutlich auch Qualität. „Mit Billigprodukten wirst du nicht weit kommen“, stellte Jüttemann fest. Unerprobte und qualitativ miserable Produkte werden ebenso angeboten wie in der Praxis bewährte Windkraftanlagen.
Die Bilanz kleiner Windanlagen sieht außerhalb der Stadt oder auf weitläufigen Grundstücken deutlich besser aus. So sind zum Beispiel Miniturbinen für Boote oder Campingmobile gute Helfer, die eine Batterie zum Betrieb der Freizeiteinrichtung gut füllen können. Auch in entlegenen Gebieten oder Stromversorgung sind die Windräder für die Energieversorgung geeignet. Wirtschaftliches Potenzial sieht Jüttemann in Deutschland vor allem bei gewerblichen, kommunalen oder industriellen Betreibern. Bei ihnen gebe es noch viele nutzbare Standorte. „Kleinwindanlagen können in Deutschland eine Stütze der Energiewende sein“, glaubt er deshalb.
Alternative zum Dieselgenerator
Das internationale Potenzial für Kleinwindkraft hält er für riesig. Hier seien es vor allem die vielen Region und Standorte ohne Anschluss ans Stromnetz, die mit kleinen autarken Inselsystemen bestehend aus Photovoltaik, Kleinwindanlagen und Batterie betrieben werden können. Als Alternative zum teuren und schmutzigen Dieselgenerator.
Allein mit Photovoltaik komme man in sonnenärmeren Regionen nicht weit, man brauche eine kleine Windanlage als zusätzlichen Stromerzeuger.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-eher-fuer-den-garten-und-die-wueste-als-fuer-den-balkon-_arid,2013457.html