Arbeitswelt

Dienstmails unter Christbaum – viele schalten nur schwer ab

Angestellte mit Bürojob sind auch während der Weihnachtsfeiertage oft für die Arbeit erreichbar. Dabei warnen Experten vor negativen Folgen und fordern strengere Vorgaben

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Schwierige Trennung zwischen Arbeit und Privaten. © dpa

Erster Weihnachtsfeiertag: Der Braten ist gegessen, die Großeltern auf dem Weg nach Hause und die Kinder spielen mit den Gaben des Vorabends. Zeit, sich satt und entspannt aufs Sofa zu setzen - oder vielleicht doch, nur ganz schnell, die Arbeitsmails checken? Der Chef meinte doch, dass er möglicherweise noch Fragen zum aktuellen Projekt haben könnte.

Fast ein Drittel ist einer aktuellen Umfrage zufolge auch über die Feiertage und zwischen den Jahren erreichbar. Konkret sagten in der Erhebung des Meinungsforschers YouGov im Auftrag des Bürokommunikationsdienstes Slack 32 Prozent der Befragten mit Bürojob, dass sie planten, erreichbar zu sein, obwohl sie Urlaub haben. Knapp zwei Drittel davon werden ihre dienstlichen Nachrichten dabei mindestens mehrmals täglich ansehen.

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Eigener Antrieb macht Unterschied

Als Grund für ihre Erreichbarkeit nannten 48 Prozent der Betroffenen, dass der Arbeitgeber dies erwarte, 54 Prozent führten die Erwartungshaltung der Kunden an. Mit 61 Prozent noch häufiger sagten die Betroffenen allerdings, dass wichtige Projekte vorangetrieben werden müssen. Und satte 77 Prozent sagten sogar, dies aus eigenem Antrieb zu tun. Dieser eigene Antrieb kann durchaus einen Unterschied machen: Dafür, wie stark sich Erreichbarkeit auf das Wohlbefinden der Arbeitnehmer auswirkt, komme es auch darauf an, ob sie freiwillig ist oder nicht, sagt Johannes Wendsche von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. „Wer ohnehin nicht stark zwischen Privatleben und Arbeit trennt, für den kann es zumindest kurzfristig sogar ein gutes Gefühl sein, erreichbar zu sein.“

Wer dagegen auf direkten oder indirekten Druck hin erreichbar sei, empfinde das negativer - insbesondere, wenn er eigentlich stark zwischen Arbeit und Privatem trenne. Auf längere Sicht wirke sich die Erreichbarkeit aber wohl in beiden Fällen eher ungünstig auf die Fähigkeit zum Abschalten, die Erholung und die Vereinbarkeit von Job und Familie aus - wenn auch nicht unbedingt bei jedem gleich stark, sagt der Experte. „Dabei ist es für Unternehmen vorteilhaft, erholte Mitarbeiter zu haben.“ Sie seien leistungsfähiger und auf längere Sicht auch kreativer.

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„Wenn Menschen das Gefühl haben, erreichbar sein zu müssen, liegt das oft an den Arbeitsbedingungen“, sagt Wendsche. Beispielsweise weil es zu viel Arbeit oder es keine Vertretung gebe. Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, warnt: „Ständige Rufbereitschaft macht uns krank. Erschöpfung, Schlafstörungen und sogar Herz-Kreislauferkrankungen können die Folgen solcher Entgrenzung sein.“

Klare Regeln fehlen

Die Arbeitgeber seien verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu sorgen, so Piel. „Leider tun das nicht alle.“ Die Regierung müsse „endlich mit einer Anti-Stress-Verordnung gegensteuern und klare Regeln für die Bekämpfung von psychischen Belastungen bei der Arbeit schaffen“. Auch für den Arbeitsalltag. dpa

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