Mannheim/Berlin. Wer sich derzeit einen Neuwagen kaufen möchte, braucht neben Geld vor allen Dingen Geduld. Viel Geduld. Es geht nicht um Wochen. Die Wartezeit von der Bestellung bis zur Auslieferung beträgt Monate, bei manchen Premiummodellen im schlimmsten Fall bis zu einem Jahr.
Grund für die langen Lieferzeiten ist vor allem die schleppende Elektronik-Versorgung. Einen Teil der Schuld müssen sich die Autobauer selbst zuschreiben: Am Höhepunkt der Absatzflaute stornierten sie Verträge mit Chip-Produzenten, bei denen dann noch eigene Probleme hinzukamen. Nun müssen die Autohersteller ihre Produktion drosseln, weil die Zulieferer nicht mehr hinterher kommen. Außerdem gibt es Halden halb fertiger Fahrzeuge.
So werden Autos nicht nur insgesamt knapper, sondern zudem vorhandene Halbleiterbestände für gewinnträchtige Modelle reserviert. VW, wo die Auslieferungen im Herbst um ein Drittel unter dem Vorjahr lagen, nimmt an, dass sich die Chipkrise wenigstens bis Mitte 2022 zieht.
Bereitschaft zum Kauf vorhanden
Der für die deutsche Wirtschaft so wichtige Automarkt befindet sich in einer paradoxen Situation: Einerseits sind viele Verbraucher und Firmen (wieder) bereit, in ein neues Fahrzeug zu investieren. Andererseits können wegen Chip- und Halbleitermangels viel weniger Autos gebaut und damit verkauft werden.
„Die Wartezeit ist stark modell- und herstellerabhängig“, sagt Dietmar Clysters, Obermeister der Innung des Kraftfahrzeuggewerbes Rhein-Neckar-Odenwald. Das betreffe Autos mit Verbrenner- und Elektromotor gleichermaßen. Es lasse sich keine pauschale Aussage dazu treffen, aber „bei gefragten Modellen kann die Wartezeit rund ein dreiviertel Jahr betragen.“ Das wiederum führe dazu, dass bei Gebrauchtwagen die Nachfrage steige und damit auch dort die Preise. Mitunter komme es schon zu der Kuriosität, dass Gebrauchtwagen - insbesondere Jahreswagen oder Fahrzeuge mit Tageszulassung - teurer sein können als das gleiche Modell als Neuwagen - nur, dass dieses eben nicht sofort verfügbar ist.
Wer sich trotzdem einen Neuwagen anschaffen will, dem rät Clysters, bei verschiedenen Autohändlern anzufragen. Oft hätten die einige Modelle am Lager, so dass man doch noch ein gutes Angebot bekommen könne. „Es lohnt sich, nicht nur bei einem Händler nachzufragen.“ Man müsse aber damit rechnen, Abstriche machen zu müssen: „Es ist möglich, dass eine bestimmte Ausstattungsvariante nicht verfügbar ist.“ Insgesamt sei es deshalb sinnvoll, „den Markt zu sondieren“.
Für Autofahrer, die jetzt ihren gebrauchten Wagen verkaufen wollen, sei die Situation dagegen attraktiv, da sie einen guten Preis erzielen könnten. Das Nachsehen haben Käuferinnen und Käufer eines Neuwagens. Auf hohe Preisnachlässe können sie momentan nicht hoffen, allenfalls bei einigen Ladenhütern. „Wenn es weniger Neuwagen gibt, muss ich als Händler nicht auch noch Rabatte bieten“, so der Innungs-Obermeister. „Kunden können natürlich immer noch handeln, nur auf einer anderen Ebene.“
Autokäufer stehen auf dezente Farben
- Autokäufer in Deutschland mögen es nicht bunt. Mehr als drei Viertel der 2021 neu zugelassenen Wagen waren wie schon im Jahr davor grau/silber, schwarz oder weiß, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) unter Berufung auf Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts mitteilte.
- Danach gehörte fast jedes dritte von Januar bis November 2021 neu zugelassene Auto zur Kategorie Grau, der auch die Farbe Silber zugeordnet wird. Knapp jeder vierte Neuwagen ist schwarz, mehr als jeder fünfte weiß. Weiß ist die Farbe, die in den vergangenen 15 Jahren am meisten zugelegt hat.
- Noch 2006 entschieden sich den Angaben zufolge nur 1,6 Prozent der Neuwagenkäufer für ein weißes Auto. Blau sind gut zehn Prozent der neu zugelassenen Autos, rot gut sechs Prozent. Grün ist dem VDA zufolge auf geringem Niveau wieder etwas beliebter geworden: 1,7 Prozent ist der höchste Wert seit 2005. Dahinter folgen Orange und Gelb.
- Der VDA erklärt die Farbvorlieben mit den Erwartungen vieler Neuwagenkäufer an die Chancen für den Wiederverkauf. Die Entscheidung falle deshalb für eine aktuell beliebte Farbe wie Schwarz, Weiß und Grau/Silber. (dpa)
Insgesamt sei die Situation für die gesamte Branche „schwierig“, sagt Clysters, denn wenn es weniger Neuwagen gibt, gehe auch die Zahl der Gebrauchtwagen zurück.
Mit Folgen für die Preise: „Gebrauchtwagen sind derzeit so teuer wie noch nie - auch im Verhältnis zu ihren Neupreisen“, sagt Martin Weiss von Marktbeobachter Deutsche Automobil Treuhand (DAT). „Die Verteuerung liegt oft bei 5 bis 15 Prozent. In Einzelfällen kann es auch deutlich mehr sein. Es ist schon verrückt, was man da sieht.“ „Es sind einfach sehr viel weniger Autos in den Markt gekommen“, sagt Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe. „Schon das zweite Jahr hintereinander fehlen Neuzulassungen von Dienstwagen, Tageszulassungen, Mietwagen, die normalerweise relativ schnell als junge Gebrauchte in den Markt kommen.“
Bei Neuwagenpreisen zeigt die Richtung ebenfalls nach oben: Laut einer Marktstudie des Duisburger Center Automotive Research (CAR) sind Neuwagen derzeit so teuer wie noch nie. Nach Einschätzung des Studienleiters Ferdinand Dudenhöffer werden sich die Tendenzen eines knappen Angebots und niedriger Rabatte in den ersten Monaten 2022 fortsetzen. (mit dpa)
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