Mannheim. Deutschlands Chef-Virologe Christian Drosten hat ja schon das Ende der Pandemie erklärt - das heißt aber noch lange nicht, dass dadurch die Konterrevolution in den Büros einsetzt. Denn das Homeoffice ist - auch wenn das Sprachbild ein wenig schief klingt - gekommen, um zu bleiben. Dem trägt jetzt auch der Fiskus Rechnung. 2023 dürfen Steuerpflichtige pro Tag sechs Euro bis zum Höchstbetrag von 1260 Euro als Homeoffice-Pauschale geltend machen. Das ist doppelt so viel wie 2022. Damit wird die Pauschale entfristet, denn der Höchstbetrag entspricht 210 Homeoffice-Tagen. Anders ausgedrückt: Der Steuerzahler darf mit Blick auf seine Werbungskosten das ganze Jahr zu Hause seine Arbeit erledigen.
Homeoffice geht nicht überall
Allerdings wird nur eine Minderheit die Homeoffice-Werbungskosten ganz ausschöpfen. Die große Mehrheit arbeitet noch immer im Büro oder in der Fabrikhalle. Dennoch: Wie sehr sich das Homeoffice als flexibles Arbeitsmodell durchgesetzt hat, belegen Umfragen des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) in München. „Insgesamt stabilisiert sich der Anteil in der deutschen Wirtschaft bei 25 Prozent der Beschäftigten. Das dürfte auch der neue langfristige Wert werden. Vor Corona waren es weniger als 15 Prozent“, sagt ifo-Wissenschaftler Oliver Falck.
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Allerdings sind diese Werte je nach Branche sehr unterschiedlich. Besonders häufig von zu Hause arbeiten die Beschäftigten in der Unternehmensberatung, im November 2022 stieg der Anteil derjenigen, die zumindest teilweise das Homeoffice nutzen, auf 72,5 Prozent. Auch bei den IT-Dienstleistern (71,7 Prozent) sowie in der Werbung und Marktforschung (60,4) arbeiten die Angestellten gerne zu Hause.
Einstellung hat sich geändert
Im verarbeitenden Gewerbe bieten vor allem die Hersteller von Bekleidung (32,1 Prozent) und Datenverarbeitungsgeräten (26,6 Prozent) Homeoffice an. „Auf der anderen Seite gibt es Berufe, die einfach nicht für das Arbeiten von zuhause ausgelegt sind“, sagt Falck. In der Gastronomie blieb der Anteil der Beschäftigten im November 2022 mit 2,3 Prozent niedrig. Auch in der Beherbergung (2,4) und im Holzgewerbe (4,5) sind die Zahlen gering.
Zusammengefasst lässt sich feststellen: Unter den Dienstleistern nutzten 36,1 Prozent Homeoffice. Im Großhandel und im verarbeitenden Gewerbe waren es knapp 16 Prozent. Im Einzelhandel waren es 6,1 und in der Baubranche 5,3 Prozent.
Informationswirtschaft besonders positiv
Aufschlussreich ist die prinzipielle und langfristige Einstellung der Entscheidungsträger der Unternehmen zum Homeoffice. Basis dafür ist eine repräsentative Befragung des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) von rund 1100 Unternehmen der Informationswirtschaft und des verarbeitenden Gewerbes. Die Umfrage wurde im Juni 2022 durchgeführt. „Mehr als jeder dritte Betrieb schätzt die Produktivität von Beschäftigten im Homeoffice heutzutage positiver ein als vor dem Beginn der Pandemie. Das gilt sowohl für Unternehmen im Dienstleistungsbereich als auch im verarbeitenden Gewerbe“, sagt ZEW-Experte Daniel Erdsiek.
Besonders stark ist die positive Einstellung zum Homeoffice in der Informationswirtschaft. Dort sind 61 Prozent der Betriebe der Ansicht, dass Beschäftigte im Homeoffice mindestens so produktiv arbeiten wie im Büro. Im Durchschnitt wird die Produktivität von größeren Unternehmen etwas positiver bewertet.
Produktivität wichtige Größe
Im Gegensatz dazu stuft etwa jeder zweite Betrieb im verarbeitenden Gewerbe die Produktivität im Homeoffice geringer ein. Aber auch hier beurteilen größere Unternehmen die Produktivität tendenziell optimistischer als kleine.
Vor der Pandemie haben in den Unternehmen der Informationswirtschaft durchschnittlich zehn Prozent der Beschäftigten mindestens einen Tag pro Woche im Homeoffice gearbeitet. Für die Zeit nach der Pandemie erwarten diese, dass im Durchschnitt ein Drittel ihrer Belegschaft mindestens einmal wöchentlich im Homeoffice arbeiten wird. Damit würde sich der gegenwärtige Trend - im Juni 2022 arbeiteten 36 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice - verfestigen und langfristig zu einer Verdreifachung der Nutzung führen.
Unternehmensgröße spielt Rolle
Wie hoch der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice nach der Pandemie ausfällt, hängt dabei stark von der Unternehmensgröße ab. „Große Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten in der Informationswirtschaft erwarten, dass durchschnittlich die Hälfte ihrer Belegschaft zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten wird, nachdem die Pandemie vorüber ist“, sagt Daniel Erdsiek. In Unternehmen mit 20 bis 99 Beschäftigten liegt dieser Anteil nach seinen Angaben bei 38 Prozent, und bei kleineren Betrieben sind es 30 Prozent. „Die Corona-Pandemie hat allerdings über alle Unternehmensgrößen hinweg einen langfristigen Homeoffice-Schub ausgelöst“, sagt Erdsiek.
Im verarbeitenden Gewerbe steigt nach der Einschätzung der Unternehmen der durchschnittliche Anteil an Beschäftigten, die mindestens einmal wöchentlich im Homeoffice arbeiten, von zwei Prozent vor Corona auf einen erwarteten Anteil von zehn Prozent nach dem Ende der Pandemie. Auch in diesem Wirtschaftszweig ist der Homeoffice-Schub bei den Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten am stärksten ausgeprägt. Diese erwarten, dass im Durchschnitt 16 Prozent der Belegschaft teilweise im Homeoffice arbeiten werden - vor der Pandemie waren es nur drei Prozent.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Rechtsanspruch aufs Homeoffice nötig