Mannheim. Vor mehreren Jahren hat Simone Burel selbst zwei Firmen gegründet. Heute gibt sie als Business Angel, also als „Unternehmens-Engel“, ihre eigenen Erfahrungen an junge Start-ups weiter. Im Interview erklärt Burel, was sie an dieser Aufgabe besonders reizt - und warum es unbedingt mehr weibliche Engel in der Gründungsszene braucht.
Frau Burel, Engel und Geld: Wie passt das überhaupt zusammen?
Simone Burel: Für mich passt das sehr gut zusammen. Beim Business Angeling geht es nicht nur um die Geldanlage. Im Vordergrund steht die Unterstützung der Gründerinnen und Gründer. Business Angels stellen das Wissen und die Kontakte, die sie in ihrem eigenen, erfolgreichen Geschäftsleben gesammelt haben, zur Verfügung. Die frühe Gründungsphase, in der Start-ups zwar schon Kosten, aber noch keine Umsätze haben, wird nicht umsonst ’valley of death’ - Tal des Todes - genannt. Es ist wichtig, die Start-ups in dieser Zeit sehr gut zu betreuen, damit sie sie überwinden können.
Wie sind Sie Business Angel geworden?
Burel: Ich habe 2015 und 2017 eigene Unternehmen gegründet und damals all die Fragen, die einen in diesem Prozess beschäftigen, selbst durchgemacht. 2019 kam dann die erste Anfrage von einem jungen Start-up, ob ich mich beteiligen möchte - und weil meine Firmen gut liefen und ich Erfahrung im Mentoring von Gründerinnen und Gründern hatte, habe ich zugesagt. Im Moment führe ich weitere Gespräche, unter anderem mit dem KI-Start-up kompreno, das Übersetzungen auf dem Zeitungsmarkt anbietet.
Was motiviert Sie dabei?
Burel: Ich bin sehr neugierig und finde den Markt an neuen Produkten und Dienstleistungen unglaublich spannend. Und ich interessiere mich einfach sehr für diese intelligenten, dynamischen und hochmotivierten Menschen, die meistens hinter Start-ups stehen. Außerdem macht es mir Spaß, meine Erfahrung als Gründerin und Unternehmerin zu teilen: Es muss nicht jeder die gleichen Fehler machen wie ich. Es gibt kaum ein Feld, in dem man Expertise in so vielen Bereichen haben muss wie bei der eigenen Gründung: Finanzen, Rechtsfragen, Marketing - es ist utopisch, dass jemand das alles selbst kann.
Unternehmerin und Autorin
- Simone Burel ist geschäftsführende Gesellschafterin der LUB GmbH – Linguistische Unternehmensberatung in Mannheim und Co-Founderin der diversity company.
- Die Unternehmerin und Wissenschaftlerin hat auch Bücher veröffentlicht. In „Female Leadership – Frauen in Führungspositionen in der Arbeitswelt 4.0.“ befasst sie sich unter anderem mit Gründerinnen.
- Als Business Angel investiert Simone Burel zudem in Start-ups und begleitet diese dann auch bei ihrer unternehmerischen Entwicklung.
Auf welchen Start-ups liegt Ihr Fokus?
Burel: Ich bin am besten in den Märkten, von denen ich Ahnung habe. Zu meinen Spezialbereichen gehören Spin-offs, Unternehmen, die aus der Wissenschaft gegründet werden. Ich selbst habe meine erste Firma damals aus meiner Promotion an der Universität Heidelberg heraus aufgebaut. Anders als bei klassischen Gründungen steht hier nicht gleich ein Geschäftsmodell oder Produkt im Vordergrund, sondern exzellente Forschungsergebnisse. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben hohe Fachexpertise, aber häufig fehlt ihnen Business-Know-how. Hier kann ich unterstützen. Ein zweiter Schwerpunkt von mir sind Software-Dienstleistungen, die auf Sprache basieren. Zum Beispiel Software, die Wörter erkennt oder Texte analysiert.
Wie finden Sie interessante Gründerinnen und Gründer?
Burel: Tatsächlich finden die Start-ups meistens mich. Ich bekomme jede Woche zwei bis drei Anfragen über LinkedIn, meistens schon mit konkreten Pitch decks - also Präsentationen von Start-ups. Die allermeisten muss ich ablehnen, weil sie nicht in meinen Bereich passen. Letzte Woche habe ich zum Beispiel was bekommen von einem Unternehmen, das datenbasierte Bewässerung von Weinstöcken anbietet. Das leite ich dann weiter an andere Business Angels oder Unternehmen, für die das interessant sein könnte. Super finde ich auch, dass es inzwischen ein regionales Netzwerk gibt, die Palatina Business Angels.
Wann lassen Sie lieber die Finger von einer Gründung?
Burel: Bei Geschäftsbereichen, von denen ich keine Ahnung habe. Sehr vorsichtig bin ich auch bei Menschen, die glauben, sie könnten mal schnell eine App oder eine Software auf den Markt bringen. Grundsätzlich schaue ich mir das Team genau an. Mit ihm steht und fällt nämlich meistens der Erfolg, weniger mit dem Produkt oder der Dienstleistung. Wenn ich zum Beispiel sehe, jemand will etwas rund um Weinbau anbieten, aber keiner im Team hat Fachwissen in dem Bereich, investiere ich nicht. Ich habe zahlreiche Start-ups scheitern sehen, weil niemand im Team die eigene Zielgruppe richtig verstanden hat.
In welcher Größenordnung investieren Business Angels?
Burel: Kapital von Business Angels ist vor allem für Start-ups in der frühen Phase, also in den ersten zwei Jahren, interessant. 100 000 Euro gehören da schon eher zu den größeren Investments, die meisten Tickets liegen zwischen 25 000 und 75 000 Euro.
Nicht nur in der Kirche, auch in der Business-Welt kommen Engel meist in Männergestalt daher - warum gibt es so wenige weibliche Business Angels?
Burel: Das liegt zum einen daran, dass es insgesamt weniger Gründerinnen als Gründer gibt. Der Frauenanteil liegt bei 15 bis 18 Prozent. Entsprechend ist der Unternehmerinnen-Pool, aus dem weibliche Business Angels kommen könnten, kleiner. Zum anderen gibt es eine Diskriminierung von Gründerinnen am Kapitalmarkt: Weiblich geführte Start-ups erhalten drei Mal weniger Kapital als männlich geführte und werden 16-mal niedriger bewertet. Wenn ich nun als Gründerin selbst schlechte Erfahrungen am Kapitalmarkt gemacht habe, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass ich mich später selbst dort engagiere. Dazu kommen gesellschaftliche Stereotype, die Einfluss haben.
Welche meinen Sie konkret?
Burel: Männer und Finanzen werden einfach häufiger zusammengedacht. Männliche Start-ups suchen sicher eher männliche Business Angels aus. Gleichzeitig trauen sich Frauen tendenziell weniger Finanzwissen zu als Männer und investieren meistens vorsichtiger. Ein Engagement als Business Angel ist wiederum eine hochriskante Geldanlage. Neun von zehn Start-ups scheitern. Wenn ich in zwei bis drei investiere, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich Geld verliere, also ziemlich hoch.
Warum brauchen wir mehr weibliche Engel?
Burel: Für die ganze Gründungsszene wäre das wichtig. Jeder Bereich, der diversifiziert ist, hat einen besseren Output: Wir hätten also bessere Produkte und Dienstleistungen. Auch die Teams würden profitieren: Die Zufriedenheit steigt in diversen Gruppen, sogar die Zahl der Krankheitstage verringert sich. Außerdem gründen Frauen tendenziell nachhaltiger, weil sie sich mehr auf Profitabilität und organisches Wachstum konzentrieren. Sie halten das Geld einfach besser zusammen.
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