Mannheim. Einen Geschäftsmann, der sich mit falschen Angaben Gelder aus staatlichen Corona-Unterstützungsfonds erschlichen hat, ist am Mannheimer Landgericht wegen Subventionsbetrug zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Außerdem ordnet die Große Wirtschaftsstrafkammer einen Vermögenseinzug von rund 80 000 Euro an. Innerhalb der nächsten vier Jahre muss der 53-Jährige die von Bund und Land ausgezahlten Pandemie-Hilfen komplett zurückerstatten. Der Haftbefehl wurde aufgehoben.
Eigentlich sollte der Mitte Dezember gestartete Prozess bis 26. Januar laufen. Das Geständnis des in Untersuchungshaft sitzenden Unternehmers hat jedoch eine weniger umfangreiche Beweisaufnahme als terminiert ermöglicht. Bei dem Verfahren galt es, Licht in insgesamt sechs beantragte Corona-Unterstützungen zu bringen - mal Soforthilfen, dann wieder Überbrückungsgelder beziehungsweise ein Mikro-Darlehen: Der Einzelunternehmer, der nach eigenen Angaben in Glanzzeiten viele Angestellte und einen Jahresumsatz bis zu zwölf Millionen Euro hatte, machte nicht nur wahrheitswidrige Angaben zu seinen Firmen und deren angeblichen Sitz in Weinheim und Bensheim. Obendrein verschwieg er, unerlaubterweise in zwei Bundesländern Corona-Unterstützungen beantragt zu haben. Insgesamt sind Beträge in Höhe von 9000, 5400, 31 000 sowie 35 000 Euro überwiesen worden. Über den größten Brocken, nämlich 90 000 Euro Überbrückungshilfe, ist nicht mehr entschieden worden - weil sich die Ereignisse überschlugen und der im letztjährigen Juli auf dem Frankfurter Flughafen verhaftete Geschäftsmann den entsprechenden Antrag zurückzog.
„Ziemlich dreist“
Erste Staatsanwältin Isa Böhmer wertet in ihrem Schlussvortrag die sechs Einzeltaten als Subventionstrug in einem besonders schweren Fall. Der Unternehmer habe zwar drei Jahrzehnte im Bereich Klimatechnik und Verfahrensabläufe „fleißig“ und ideenreich als Selfmademan und Problemerlöser gearbeitet und auch Steuern bezahlt, aber es mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Die Anklagevertreterin nennt Visitenkarten mit falschem „Doktor-Titel“ und „nach Belieben“ veränderte Angaben zu Wohn- und Firmensitzen. Insbesondere der im Juni 2020 gestellte Antrag auf 90 000 Euro Überbrückungshilfe sei „ziemlich dreist“ gewesen. Die Staatsanwältin plädiert für eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und fordert Wertersatz für tatsächlich überwiesene Corona-Hilfen.
Eine gänzlich andere Position vertritt Verteidiger Konrad Schmidt. Er verweist darauf, dass sich bei dem Angeklagten aufgrund staatlich verordneter Lockdowns die Umsatzkurve „im freien Fall“ befunden habe. Corona-Unterstützungen habe sein Mandant „aus Not“ beantragt - und nicht, um sich zu bereichern. Angesichts des Umstands, dass viele Unternehmer, „in dem Grundrecht, sich wirtschaftlich zu betätigen, eingeschränkt worden sind“, spricht sich der Anwalt dafür aus, andere rechtliche Maßstäbe als jene einer 75 Jahre andauernden „Komfortzone“ anzuwenden. Er plädiert für eine Gesamtstrafe nicht über einem Jahr. Und seine Kollegin Iris Lemmer führt aus, warum die Strafe zur Bewährung ausgesetzt und außerdem der Haftbefehl aufgehoben werden sollte.
Geständnis positiv gewertet
„Wir hatten es in diesem Prozess mit keinem gewöhnlichen Fall zu tun“, betont der Vorsitzende der Großen Wirtschaftsstrafkammer, Oliver Ratzel, bei der Urteilsbegründung. Mit Blick zum Verteidiger merkt er an: „Die Kammer ist überzeugt, dass die Anwendung üblicher Rechtsvorschriften auch außerhalb der Komfortzone tauglich ist.“ Das Gericht habe die sechs Anträge auf Corona-Gelder als Subventionsbetrug gewertet - aber nicht als jeweils schweren Fall. Die vorsätzlich falschen Angaben bezüglich der Firmensitze dürften aber nicht als „Formalie“ oder „Lässlichkeit“ abgetan werden.
Subventionen seien ein Massegeschäft, das beim Abwickeln Vertrauen voraussetze. Und wenn dieses vorsätzlich missbraucht werde, müsse die Sanktionierung entsprechend ausfallen. Ratzel: „Wir haben es mit einem Gefährdungsdelikt zu tun.“ Wie der Vorsitzende Richter ausführt, sieht die Kammer auf der Positivseite, dass der 53-Jährige bislang nicht vorbestraft war und ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Außerdem habe man berücksichtigt, dass der Geschäftsmann aufgrund der Pandemie „in der Tat massive Umsatzeinbrüche hatte“. Negativ schlage hingegen „gewerbsmäßiges Handeln im Sinne einer fortlaufenden Geldquelle“ zu Buche. Der Unternehmer sei jahrelang unter dem Radar geflogen - bestärkt von dem Eindruck, dass Unkorrektheiten nie aufgefallen sind. Die Gesamtstrafe von einem Jahr und neun Monaten könne „bedenkenlos“ zur Bewährung auf vier Jahre ausgesetzt werden, führt Ratzel aus. Die Kammer sehe keine Wiederholungsgefahr - auch angesichts „der belastenden Erfahrung“ einer Untersuchungshaft, die das Leben des Unternehmers komplett veränderte.
Das Gericht hat die Schritte der Rückzahlung von Pandemiehilfen während der vier Bewährungsjahre minutiös festgelegt. Allerdings muss der 53-Jährige erst mal wieder Aufträge an Land ziehen. Nach Aussage seines Verteidigers sind dessen Einkünfte derzeit gleich Null.
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