Rhein-Neckar. Es war die berühmt-berüchtigte „Bazooka“, die der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen mit dem früheren Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im März 2020 auspackte. Schnelle und unkomplizierte finanzielle Hilfe versprach die Politik den Unternehmen während des ersten Corona-Lockdowns. 9 000, 15 000 oder 30 000 Euro – je nach Beschäftigtenanzahl – wurden daraufhin für einen Zeitraum von drei Monaten zügig ausgezahlt. Rückzahlungen sollten ausbleiben, hieß es ursprünglich.
Doch im Herbst 2021 wurden die Empfänger der Soforthilfe in Baden-Württemberg vom Land dazu aufgefordert, zu prüfen, ob sie die Unterstützung damals rechtmäßig bekommen haben. Ansonsten drohen Rückzahlungen. Betroffen davon ist Barbara Waldkirch. Die Inhaberin einer Buchhandlung mit Verlag in Mannheim-Feudenheim bekam damals 9 000 Euro. „Mehr als die Hälfte muss ich wahrscheinlich zurückzahlen“, sagt Waldkirch im Gespräch mit dieser Redaktion.
Einige Beipiele: Im Rhein-Neckar-Kreis (rund 4400 Rückforderungsbescheide) sowie den Städten Mannheim (2600) und Heidelberg (1500) sind insgesamt etwa 8500 Corona-Soforthilfe-Empfänger davon betroffen. Das hat das Wirtschaftsministerium auf Anfrage dieser Redaktion mitgeteilt und bezieht sich dabei auf Zahlen der Staatsbank L-Bank. Demnach beträgt das Gesamtvolumen der Rückzahlungen in der Region rund 54,2 Millionen Euro. Auf Kreisebene entfallen 28 Millionen Euro, auf Mannheim 16,3 und auf Heidelberg 9,9 Millionen Euro.
„Der Mittelstand wird ausradiert“
Waldkirch aber wehrt sich dagegen. Nachdem der Rückforderungsbescheid eingetrudelt war, entschloss sie sich, dagegen vorzugehen. Dahingehend sei noch nichts weiter passiert. Über den Widerspruch werde wohl im Laufe des Frühjahrs entschieden, informiert sie.
„Die ,Bazooka‘ scheint Ladehemmung zu haben“, sagt Waldkirch und ärgert sich: „Der Mittelstand in Baden-Württemberg wird ausradiert.“ In etwa 245 000 Fällen waren nach weiteren Zahlen des Wirtschaftsministeriums landesweit Soforthilfen in Höhe von rund 2,2 Milliarden Euro ausbezahlt worden. Auf Basis der Rückmeldungen der Unternehmen seien später rund 84 700 Rückforderungsbescheide in Höhe von insgesamt etwa 572 Millionen Euro ausgestellt worden.
Während der Pandemie mit den Lockdowns nahm Waldkirch, so wie viele andere Betriebe, einiges auf sich, um das Geschäft irgendwie aufrecht zu erhalten. Laufende Kosten waren trotz der Umsatzeinbußen weiter zu zahlen. Berücksichtigt werde das nicht, ebenso wenig der Mehraufwand. „Die machen sich keine Gedanken, dass man hart gearbeitet hat“, merkt Waldkirch an.
Darauf verweist auch die Handwerkskammer (HWK) Rhein-Neckar-Odenwald und nennt als Beispiel die von Zwangsschließungen betroffenen Friseur- und Kosmetikbetriebe: „Nachdem sie wieder öffnen durften, haben sie in der Folgezeit teils doppelte Öffnungszeiten angeboten und dadurch – mit viel Zeiteinsatz – auch relativ mehr verdient. Durch das Regelwerk des Landes werden sie für diesen Einsatz nun ,bestraft‘“, heißt es. Solche Sonderfälle sollten berücksichtigt werden, appelliert die HWK an das Land, die den Antragstellern noch immer unterstützend zur Seite steht: „Wir können betroffenen Betrieben nur dringend raten, sich schnellstmöglich bei uns zu melden.“
„In Zweifelsfällen sollten betroffene Unternehmen mit ihrem Steuer- oder Rechtsberater das Gespräch suchen“, rät Christian Schwöbel, Bereichsleiter Unternehmensförderung und Unternehmensrecht bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, und kritisiert: „Baden-Württemberg hatte die Soforthilfe seinerseits mit heißer Nadel gestrickt.“ Durch Änderungen der Konditionen und Bedingungen hätten viele Antragsteller die Voraussetzungen im Nachhinein doch nicht erfüllt. „Die Rückforderungen führen in vielen Fällen zu Unverständnis und Frust, da die Unternehmen objektiv unter den staatlichen Auflagen in der Pandemiebekämpfung gelitten haben“, betont Schwöbel.
Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!
Rückzahlung bis 30. Juni gefordert
Noch bis zum 30. Juni muss der geforderte Betrag zurückerstattet werden, heißt es auf der Homepage der L-Bank. Dies könne in einer Summe oder Raten geschehen. Auch die Möglichkeit einer Stundung bestehe, um eine Existenzgefährdung zu vermeiden. Ein Trost kann das für die betroffenen Unternehmen momentan wohl nicht wirklich sein.
Denn neben dem Ärger um die Corona-Soforthilfen kommen die weiteren Krisen, die seit dem Ukraine-Krieg auf die Betriebe einprasseln, hinzu. Das macht es für sie nicht einfacher: „Alles ist teurer geworden, es hat uns voll erwischt. Wir sind in einer äußerst schwierigen Lage,“ hebt Waldkirch hervor. Doch sie werde kämpfen und sich weiter bemühen – auch wenn sie sich vor allem danach sehne, „mal wieder einfach nur zu arbeiten, statt Formulare auszufüllen“. Auf weitere Schützenhilfe vom Staat kann Waldkirch wohl verzichten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-bazooka-mit-ladehemmung-wie-viel-die-betroffenen-in-der-region-zurueckzahlen-muessen-_arid,2043366.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/feudenheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Corona-Soforthilfen: Ziel verfehlt