Es ist ein spektakulärer Deal mit „Geschmäckle“. Grün-Schwarz treibt im Südwesten den Teilverkauf von TransnetBW voran, das über ein 3000 Kilometer langes Hochspannungsnetz verfügt. Es gehört zu den vier Übertragungsnetzen in Deutschland. Mit diesen Stromautobahnen soll zum Beispiel Windenergie aus dem Norden in den Süden transportiert werden.
Das Bieterverfahren für den Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW läuft seit längerer Zeit - nächstes Jahr wird das Geschäft über die Bühne gehen. Gleichwohl lässt sich nicht einmal die Frage beantworten, wer zum Zug kommen will. Die Bieter mussten dem Vernehmen nach unterschreiben, dass sie sich in der Öffentlichkeit nicht äußern dürfen - und schweigen deshalb eisern.
„Kritische Infrastruktur“
Der Karlsruher Energiekonzern EnBW will mit dem Teilverkauf seiner Anteile an der Tochter frisches Geld für Wachstumsinvestitionen einnehmen. Großaktionäre bei der EnBW sind das Land und der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) mit einem Anteil von je 46,75 Prozent. Dass die EnBW zwei Minderheitsanteile der TransnetBW zu je 24,95 Prozent verkaufen will, steht allerdings im Widerspruch zum Bundestagswahlprogramm der Grünen. Dort heißt es: „Da Stromübertragungsnetze natürliche Monopole und kritische Infrastruktur darstellen, wollen wir den staatlichen Einfluss darauf stärken.“
Von den vier Stromübertragungsnetzen gehört aber nur TransnetBW dem Staat. Dass dieser jetzt Anteile verkaufen will, gefällt Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht. „Gerade in Krisen- und Kriegszeiten ist es keine gute Idee, kritische Infrastruktur nicht mehr komplett in staatlicher Hand zu haben“, sagt sie.
Kretschmann: Staat hat kein Geld
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) tut dagegen, als ginge ihn das alles nichts an. Als Gesellschafter des Mutterkonzerns EnBW könne er nicht ins operative Geschäft eingreifen. „Das muss das Unternehmen selber entscheiden“, sagt er. Er sagt aber auch, dass der Bau der Stromautobahnen nur mit fremden Kapital möglich sei. Die Alternative wäre eine Kapitalspritze der Eigner. „Woher soll das Geld bitte kommen?“, fragt Kretschmann. Kemfert meint, dass der Staat schon Optionen habe. Er könne durch Bürgschaften, Eigenkapitalerhöhung oder Anteilsübernahme die Investitionen aufbringen und dafür entsprechende Kredite aufnehmen.
Und was meint Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), der bei der EnBW im Aufsichtsrat sitzt, zu dem Deal? Er findet ihn gut, wie er über einen Sprecher mitteilen lässt: „Die Kontrolle wird weiter bei der EnBW liegen, da lediglich eine Minderheitsbeteiligung bei TransnetBW bis maximal 49,9 Prozent möglich sein wird.“ Außerdem sei das Geschäft hoch reguliert durch die Bundesnetzagentur. „Die Interessen des Landes bleiben daher gewahrt.“ Mit den Erlösen könne die EnBW in Projekte für Klimaschutz, Energiewende und Versorgungssicherheit investieren. „Das ist auch im Sinne des Landes als Aktionär. Wir benötigen auch privates Kapital“, sagt der Sprecher. Der Staat allein könne solche Ausgaben nicht stemmen.
Allerdings sind nicht alle glücklich. „Ich bin sehr skeptisch, zumal ich nicht die überragenden Vorteile und unabdingbare Notwendigkeit erkennen oder nachvollziehen kann“, lässt sich der Tauberbischofsheimer CDU-Landtagsabgeordnete Wolfgang Reinhart entlocken. Bemerkenswert, immerhin sitzt seine Partei in der Regierung. Die Mannheimer Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) kann dagegen zwar „nachvollziehen, dass diese Entscheidung in der aktuellen Situation einer Energiekrise kritisch gesehen werden kann“, fügt aber an: „Entscheidend ist, dass die kritische Infrastruktur weiter staatlich kontrolliert bleibt. Und es gibt auch künftig keinen versteckten Einfluss eines Investors.“
SPD bringt Sparkassen ins Spiel
SPD-Landtagsvizepräsident Daniel Born aus dem Wahlkreis Schwetzingen stellt Bedingungen: „So eine wichtige Infrastruktur darf nicht in die Hand von rein gewinnorientierten Fonds oder Autokraten geraten.“ Deshalb favorisiert der Oppositionspolitiker einen Deal „nur mit Sparkassen oder Genossenschaften und mit einem wasserdichten Vorkaufsrecht des Landes, damit ein Weiterverkauf an falsche Hände ausgeschlossen ist“.
Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!
Während die Spur zu den Genossenschaftsbanken eher kalt ist, ist die zu den Sparkassen eher heiß. Mehrere Medien wie die „Börsen-Zeitung“ haben bereits ohne Quellenangabe über das Interesse der Sparkassen im Südwesten berichtet. Das wurde vom Verband bisher allerdings weder dementiert noch bestätigt. Ein Sprecher räumt nur ein, dass eine Beteiligung „ein für die Sparkassen-Finanzgruppe interessantes Investment wäre“.
KfW-Bank hat Vorkaufsrecht
Angeblich soll das über die SV Sparkassenversicherung gehen. Aber auch deren Sprecher ist nicht redselig: Der „moderne Regionalversicherer“ mit „unserem Unternehmenssitz in Baden-Württemberg betrachtet Investitionsmöglichkeiten hier naturgemäß mit großer Aufmerksamkeit. Dabei hängt die Abgabe eines verbindlichen Angebots natürlich von der jeweiligen betriebswirtschaftlichen Attraktivität ab“, sagt der Sprecher. Er bittet „um Verständnis, dass wir zu konkreten Investitionsmöglichkeiten keine Auskunft erteilen“.
Zu den Mitbietern sollen nach ebenfalls unbestätigten Medienberichten unter anderen die US-Investmentgesellschaft BlackRock und die Allianz gehören. Die staatliche KfW-Bank nimmt zwar nicht am Bieterverfahren teil, soll aber das Vorkaufsrecht für einen der Anteile haben. Um den anderen buhlen die Konkurrenten. Für die Sparkassen wäre der Zuschlag ein lohnendes Geschäft. Denn dann könnte sie sich das Investment nicht nur gut verzinsen lassen. Sie könnte auch den Wunsch der Kunden nach grünen Anleihen bedienen. Das Problem: Auch die anderen Anbieter verfolgen diese Strategie. Der Preis ist also heiß. Ob die Sparkassen da mithalten können, ist jedenfalls ungewiss.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-baden-wuerttembergs-gruene-treiben-den-teilverkauf-von-transnetbw-voran-_arid,2029196.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Teilverkauf von TransnetBW - ein kritischer Deal