Mannheim. Beim Wettbieten um die Anteile des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW haben sich nach Informationen dieser Redaktion die Chancen der Sparkassen im Südwesten deutlich erhöht. Zum Verkauf stehen 49,9 Prozent der Anteile der Tochter des Karlsruher Energiekonzerns EnBW, die in zwei gleich großen Tranchen angeboten werden. Dem Vernehmen nach ist das Bieterverfahren abgeschlossen. Über die Teilnehmer ist offiziell nichts bekannt, sie wurden zum Stillschweigen verpflichtet.
Weder der baden-württembergische Sparkassenverband noch die SV Sparkassenversicherung, die den Deal abwickeln müsste, bestätigen deshalb, dass sie mit im Rennen sind. Die Konkurrenz aus der privaten Finanzwelt soll groß sein. Medienberichten zufolge interessieren sich die US-Investmentgesellschaft BlackRock, der Versicherer Allianz und weitere Fonds für das Geschäft, bei dem es um Milliardenbeträge geht. Da für den Ausbau der Stromnetze in Baden-Württemberg weitere Milliarden benötigt werden, muss ein Bieter neben dem Kaufpreis zusätzliches Kapital in der Hinterhand haben. Die Sparkassen können solche Summen dem Vernehmen nach angeblich stemmen.
Der Wind hat sich in der öffentlichen Diskussion gedreht, es geht um „kritische Infrastruktur“
Natürlich hoffen die Mitbieter auf eine fette Rendite. Weil die Transformation der Wirtschaft nur funktionieren kann, wenn die Stromnetze in Deutschland ausgebaut werden, dürften dieses Investments viel Profit abwerfen. Der Ausbau der Netze ist für die Wirtschaft in Baden-Württemberg überlebensnotwendig. Das energiehungrige Bundesland ist auf Importe aus Norddeutschland angewiesen. Dort produzieren die Windanlagen zwar große Überschüsse, die aber wegen der häufigen Staus auf den Stromautobahnen oft nicht im Süden ankommen.
Wachsende Nachfrage nach grünen Anleihen
Die Sparkassen betonen hinter vorgehaltener Hand, dass sie ja auch einen öffentlichen Auftrag hätten und nicht nur an der Gewinnmaximierung interessiert seien. Dass sie aber nicht nur altruistische Motive haben, versteht sich von selbst. Mit dem Investment könnten die Sparkassen auch die wachsende Nachfrage ihrer Kunden nach grünen Anleihen besser befriedigen.
Die gewachsene Zuversicht der Sparkassen rührt auch daher, dass sich der Wind in der öffentlichen Debatte gedreht hat. Die Grünen haben bisher die Kritik an dem Deal recht bocksbeinig zurückgewiesen, obwohl die Gegner durchaus schlagkräftige Argumente hatten. Von den vier Übertragungsnetzbetreibern - deren Eigentümer teilweise auch im Ausland sitzen - ist nur TransnetBW in staatlicher Hand. Großaktionäre beim Mutterunternehmen EnBW sind das Land und der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) mit jeweils einem Anteil von 46,75 Prozent.
Dass ausgerechnet die Südwest-Grünen sich so ins Zeug legten, war insofern eine Überraschung, weil die Verkaufspläne im krassen Widerspruch zum Bundestagswahlprogramm stehen. Dort heißt es: „Da Stromübertragungsnetze natürliche Monopole und kritische Infrastruktur darstellen, wollen wir den staatlichen Einfluss darauf stärken.“
Der Begriff „kritische Infrastruktur“ ist seit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise in aller Munde. Angeblich haben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Pläne seiner Parteifreunde missfallen. Die Idee, dass die staatliche Bank KfW wenigstens das Vorkaufsrecht für einen der Anteile erhält, stammt demnach von ihm. Finanzminister Danyal Bayaz verweist darauf, dass der EnBW-Vorstand die Entscheidung, darüber treffe, wer den anderen Anteil bekommt. Für Boris Weirauch ist das ein Armutszeugnis. „Bayaz sitzt im Aufsichtsrat der EnBW, um die Interessen des Landes zu wahren. Es ist völlig inakzeptabel, wenn er sich nun bei einer solch wichtigen Entscheidung einen schlanken Fuß macht“, kritisiert der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete.
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Forderung nach Offenlegung der Kalkulation
Weirauch bezweifelt auch, dass die Teilprivatisierung der Stromnetze unausweichlich sei. „Das hat Bayaz bisher nicht schlüssig erklären können“, sagt er. Deshalb fordert der Oppositionspolitker den Finanzminister auf, seine Kalkulation im Landtag offenzulegen. Die SPD beruft sich dabei auch auf ein Gutachten der Umweltschutzorganisation BUND. „Wenn das Übertragungsnetz in öffentlicher Hand bleibt, profitieren der Staat beziehungsweise die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen von Gewinnausschüttungen“, sagt Mitautor Thorsten Beckers von der Universität Weimar. Deshalb seien die Positionen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bayaz weder aus rechtlicher noch aus ökonomischer Sicht nachvollziehbar.
Bayaz verweist dagegen darauf, dass die EnBW - und damit auch der Staat - weiter die Mehrheit und die Kontrolle bei der TransnetBW halten werde. Wirtschaftsexperte Weirauch hält das für blauäugig. „Es wäre wirklich naiv zu glauben, dass ein privater Investor, der auf Rendite aus ist, die Füße still halten würde, weil er nur eine Minderheitsbeteiligung hat“, kritisiert er. Und: „Aus meiner langjährigen Erfahrung als Wirtschaftsanwalt weiß ich: Gerade Investmentfonds können einem Unternehmen das Leben sehr schwer machen, wenn sie erst einen Fuß in der Tür haben. Da muss man auf der Hut sein“, so Weirauch.
Auch die CDU positioniert sich neu – die Beziehungen zu den Sparkassen sind recht eng
Interessanterweise rührt sich inzwischen mit der CDU auch der Koalitionspartner der Grünen, der sich anfangs kaum in die Debatte eingemischt hatte. CDU-Fraktionschef Manuel Hagel blitzte allerdings mit seinem Vorstoß ab, dass auch das Parlament bei einem solchen Deal ein Wort mitzureden habe. Bayaz sagte, das Finanzministerium habe dies geprüft, ein solcher Schritt sein nicht nötig.
Dass die CDU jetzt Druck macht, ist für die Sparkassen jedenfalls kein Nachteil, zumal die Beziehungen zwischen Partei und Verband recht eng sind. Der langjährige Verbandspräsident Peter Schneider saß früher für die CDU im Landtag, musste sein Mandat aber nach einer Änderung der Satzung aufgeben. Am Freitag wählt der Verband seinen Nachfolger, beide Kandidaten sind Landräte auf einem CDU-Ticket. Und im OEW, der als Teileigner der EnBW auch ein Wort mitzureden hat, sitzen ja die Vertreter der überwiegend politisch schwarzen Landkreise. Das sind alles keine Argumente gegen die Sparkassen, die deshalb optimistisch sind, dass sie am Ende die Nase vorn haben werden.
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