Industrie

Abgasnorm Euro 7: So stellt sich Daimler Truck darauf ein

Kurz vor Ende einer wichtigen Frist flammt die Diskussion über die neue Abgasnorm Euro 7 wieder auf. Kritik kommt von allen Seiten, auch vom Mannheimer Betriebsratsvorsitzenden bei Daimler Truck

Von 
Tatjana Junker
Lesedauer: 
Blick in das Mercedes-Benz Werk Mannheim – hier die Produktion von schweren Nutzfahrzeugmotoren. © Daimler Truck

Wie stark gefährdet die geplante Abgasnorm Euro 7 die Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie? Die Diskussion darüber flammt kurz vor Ablauf einer wichtigen Frist in Brüssel wieder auf: Unternehmen warnen vor zu starker Regulierung und vor zu hohen technologischen Hürden, um Grenzwerte bei den Stickoxid-Emissionen einzuhalten. Auch Arbeitnehmervertreter sind, gelinde gesagt, skeptisch über die Pläne der EU-Kommission.

Bruno Buschbacher, Betriebsratsvorsitzender bei Daimler Truck in Mannheim, vermisst bei den Vorschlägen für Lastwagen „den Blick auf die großen Zusammenhänge“. Die neuen Flottengrenzwerte lägen noch nicht vor - und damit auch kein verlässlicher Planungsrahmen. „Dennoch wird die auslaufende fossile Verbrennungstechnologie noch einmal mit technisch enorm aufwendigen Standards überfrachtet. Der Euro 7-Vorschlag der Kommission muss deshalb im weiteren Verfahren dringend angepasst werden.“

An diesem Donnerstag endet eine wichtige Konsultationsphase für das EU-Gesetz. Bis dahin werden Rückmeldungen zu dem bisherigen Vorschlag noch berücksichtigt.

Newsletter "MM Business Class" - kostenlos anmelden!

Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR - Center Automotive Research in Duisburg, mahnt zunächst etwas Gelassenheit in der Debatte an. „Die Lkw-Hersteller sollen erst einmal alles kommen lassen und nicht immer gleich vom Untergang des Abendlandes reden. Der Verhandlungsprozess über Euro 7 läuft, es ist noch nichts beschlossen und es wird mit Sicherheit eine Lösung gefunden werden“, sagt er.

Selbst wenn sich Lastwagen mit Verbrennermotor durch Euro 7 verteuern würden, sieht Dudenhöffer das positiv - weil er mit einem Schub für Lastwagen mit Elektroantrieb rechnet. Gleichzeitig müsse auch die Politik dafür sorgen, dass die Ladeinfrastruktur vorangetrieben werde.

Dass die neue Abgasnorm zu Veränderungen an deutschen Fahrzeug-Standorten führen wird, zeigt das Beispiel des Mannheimer Lkw-Motorenwerks von Daimler Truck. Mit Blick auf Euro 7 hatte das Unternehmen schon vor längerer Zeit angekündigt, in den nächsten Jahren aus der Produktion mittelschwerer Motoren auszusteigen. Sie werden bisher in Mannheim gebaut.

Daimler Truck erspart es sich damit, die nächste Generation des Motors zu entwickeln, die dann die neue Abgasnorm erfüllen müsste. Das Geld dafür - früheren Angaben zufolge mehrere hundert Millionen Euro - wolle man stattdessen für alternative Antriebe verwenden, hieß es zur Begründung, zumal die Nachfrage nach mittelschweren Verbrennungsmotoren rückläufig sei. Die Aggregate kommen bisher unter anderem in Stadtbussen und kleinen Lkw zum Einsatz - und dort geht der Trend stark zu alternativen Antrieben. Die Daimler-Truck-Tochter Evobus will ihre Stadtbusse ab 2030 beispielsweise nur noch als Elektro-Modell verkaufen.

Führende Position

Das Geschäft mit schweren Motoren, die unter anderem in großen Lkw und Reisebussen verbaut werden und ebenfalls in Mannheim vom Band laufen, will Daimler Truck indessen fortsetzen. Da der Umstieg auf alternative Antriebe dort schwieriger ist, wird die Nachfrage nach Verbrenneraggregaten in diesem Bereich erst einmal bestehen bleiben. Daimler Truck hat bei den schweren Motoren nach eigenen Angaben zudem weltweit eine führende Position. Deshalb nimmt der Konzern hier das Geld für die Entwicklung einer neuen, Euro-7-konformen Generation in die Hand.

Mehr zum Thema

Auto

Volvo Trucks bringt Biogas-Lkw auf den Markt

Veröffentlicht
Von
Jutta Bernhard
Mehr erfahren
Auto

Autoindustrie für Änderung der Euro-7-Norm

Veröffentlicht
Von
Lars Wallerang
Mehr erfahren

Im Mannheimer Werk macht die Produktion der schweren Motoren den Großteil des Volumens aus - nichtsdestoweniger hängen auch am Bau der mittelschweren Motoren Arbeitsplätze am Standort. Früheren Angaben zufolge waren es zuletzt rund 15 Prozent der Stellen im Werk, also etwa 700 Beschäftigte.

Da es noch mehrere Jahre dauere, bis die Produktion mittelschwerer Motoren in Mannheim auslaufe - vermutlich gegen 2028 - habe man die Möglichkeit, „in Gesprächen mit dem Betriebsrat Lösungen für betroffene Mitarbeiter zu finden“, so ein Sprecher von Daimler Truck. Er verweist auch auf die zwischen Management und Betriebsrat vereinbarte Zukunftssicherung. Demnach sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 ausgeschlossen.

Partnerschaft mit Deutz

In der vergangenen Woche war außerdem bekannt geworden, dass Daimler Truck eine Vereinbarung mit dem Motorenhersteller Deutz geschlossen hat. Das Unternehmen ist auf Motoren im Off-Highway-Bereich spezialisiert - also Antriebe für den Einsatz abseits der Straße.

Im Zuge des Deals erwirbt Deutz das Recht, die mittelschweren Motoren von Daimler Truck weiterzuentwickeln, sowohl für den Einsatz abseits als auch auf der Straße. Die Produktion dieser Motoren findet dann vermutlich ab 2028 bei Deutz statt, das Unternehmen wird die Aggregate auch vermarkten.

Das Mannheimer Daimler-Truck-Werk wird einem Sprecher zufolge aber weiter Komponenten für die Motoren herstellen und Deutz damit beliefern. Dadurch sei es möglich, „über das bisher geplante Produktionsende hinaus, in einem befristeten Zeitraum, Arbeitsplätze im Umfeld der Produktion mittelschwerer Motoren länger als bisher erwartet zu erhalten“, so der Daimler-Truck-Sprecher.

Die Vereinbarung umfasst auch eine Zusammenarbeit bei schweren Motoren: Hier bekommt Deutz das Recht, die Antriebe für den Einsatz abseits der Straße, also beispielsweise in schweren Baumaschinen, weiterzuentwickeln. Konkret bedeutet das, dass Deutz künftig vom Mannheimer Werk mit schweren Motoren beliefert wird, die es dann für den Einsatz abseits der Straße vervollständigt und vertreibt. Unter dem Strich trage die Kooperation mit Deutz so positiv zur Auslastung des Mannheimer Standorts bei, sagt der Daimler-Truck-Sprecher.

Auch die Arbeitnehmervertretung ist zufrieden. Der Kooperationsvertrag sichere in Mannheim langfristig mehrere hundert Arbeitsplätze, sagt Betriebsratsvorsitzender Buschbacher. Für dieses Konzept habe sich das Gremium lange stark gemacht, es sei auch im Zielbild für den Standort aufgenommen worden. „Deutz ist der erste Abnehmer für die schwere Motorenplattform, und es sollen ja noch weitere dazukommen“, erklärt Buschbacher. „Für die mittelschwere Motorenplattform ist die Partnerschaft ebenfalls eine gute Nachricht, denn auch hier können wir mit der Komponentenbelieferung Arbeitsplätze sichern.“

Cummins-Pläne vom Tisch

Anfang 2021 hatte Daimler Truck bereits mit dem US-Hersteller Cummins eine Vereinbarung geschlossen. Das Unternehmen entwickelt mittelschwere Motoren mit der Abgasnorm Euro 7 - und soll Daimler Truck damit für seine Fahrzeuge beliefern, wenn der deutsche Konzern selbst keine mehr baut. Ursprünglich war sogar vorgesehen, dass Cummins dafür eine eigene Fabrik auf dem Areal des Mannheimer Mercedes-Benz-Werks errichtet.

Diese Pläne hatten sich später allerdings wieder zerschlagen - unter anderem mit Verweis auf die erwartete sinkende Nachfrage für die mittelschweren Verbrenner-Antriebe. Cummins wird die Euro-7-Motoren nun stattdessen in einem seiner bestehenden Werke bauen und Daimler Truck damit beliefern.

Bei der Mannheimer Belegschaft stieß das Platzen des Vorhabens dem Vernehmen nach teilweise auf Erleichterung. „Bei den Beschäftigten im Motorenwerk gab es schon eine gewisse Skepsis gegenüber einer Cummins-Fabrik direkt auf dem Werksgelände, in der dann auch Motoren gebaut werden sollten. Manche hatten Angst, dass perspektivisch weitere Produktion an Cummins abgegeben wird“, sagt Thomas Hahl, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Mannheim.

Redaktion Wirtschaftsreporterin