Mannheim. Frauen entscheiden sich selten für eine Karriere in den klassischen MINT-Berufen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, die noch immer eine klassische Männerdomäne sind. Deshalb gelangen sie auch seltener in Führungspositionen. Doch was muss passieren, damit mehr Frauen in den MINT-Berufen aufsteigen können?
„Ein größerer Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen ist ein wesentlicher Baustein, um die Geschlechtervielfalt in MINT-Berufen zu erhöhen“, sagt Bernhard Ganglmair vom ZEW Mannheim. Eine klare Aussage, die keinen Widerspruch auslösen dürfte. Doch so einfach ist die Sache nicht, wie Ganglmair herausgefunden hat. „Dies allein reicht nicht aus, um den Anteil weiblicher Führungskräfte signifikant zu erhöhen.“
Modernen Unternehmenskultur notwendig
Warum denn nicht? „Mindestens genauso wichtig sind die informellen Normen und Werte der Unternehmen. Schließlich haben sie es in der Hand, ein Umfeld zu schaffen, in dem Frauen gerne arbeiten und Karriere machen wollen“, sagt Gangmaier. Damit in den Führungsgremien mehr Diversität einzieht, bedarf es also einer modernen Unternehmenskultur, die sich zum Beispiel in internen Quotenregelungen und Verhaltenscodes ausdrückt.
Ein internationales Forscherteam hat zusammen mit Ganglmair ein Experiment innerhalb der Internet Engineering Task Force (IETF) mit Sitz in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware durchgeführt. Die Organisation kümmert sich um die Entwicklung von Standards für die Internet-Hard- und Software. Ohne diese Standards würde das Internet nicht funktionieren. Da die Entscheidungen der IETF enorme technologische und finanzielle Auswirkungen haben, sind viele Unternehmen daran interessiert, ihre Angestellten bei der IETF in Führungspositionen zu bringen.
Geschlechtervielfalt großes Thema
Dies allein reicht als Erklärung nicht aus, warum die Wissenschaftler ausgerechnet diese Organisation ausgewählt hat. Der entscheidende Grund: Die Organisation hat ein Alleinstellungsmerkmal, das für die Forscher perfekt ist: Die IETF wendet nämlich ein einzigartiges Verfahren an, um die Mitglieder ihres zehnköpfigen Komitees zu bestimmen. Sie werden jedes Jahr nach dem Zufallsprinzip aus einer Liste von Freiwilligen ausgewählt.
Mit diesem Verfahren müsste es deshalb leichter sein, den Frauenanteil an der Führungsspitze zu erhöhen. Von 2005 bis 2020 wurden 209 Mitglieder für das Komitee erfasst, das die IETF-Führungskräfte ernennt. Umso bemerkenswerter der Befund: In den ersten sechs Jahren führte der größere Anteil weiblicher Mitglieder im Komitee nicht - wie erwartet - zu einer Erhöhung der Zahl der Frauen, die Führungspositionen bekamen. Im Gegenteil: Weniger Frauen rückten auf. Erst nachdem bei der IETF ein Umdenken eingesetzt hatte, wählte das Komitee mehr weibliche Führungskräfte aus.
Und wie konnten die Forscher das herausfinden? Sie berufen sich auf die Auswertung interner Mails und Blogs, die sich mit den Themen Diversität und Inklusion befassten. Außerdem führten sie viele Interviews mit Führungskräften. Mit der sich wandelnden Unternehmenskultur veränderte sich demnach auch die Einstellung der Komiteemitglieder, die dazu führte, dass mehr Frauen Karriere machten. Deshalb ist es nach Ganglmairs Erkenntnissen ratsam, sowohl Männer als auch Frauen für das Thema Geschlechtervielfalt zu sensibilisieren.
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