Gesundheit

Wie steht es um die Videosprechstunde mit dem Arzt?

Die digitalen Arzt-Patienten-Sprechstunden haben sich nach Corona rückläufig entwickelt - aber nicht überall. Wann sind die Videogespräche sinnvoll?  Wie sind sie geregelt? Ein Überblick über die Situation in der Region

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Tim Böhringer, Facharzt für Innere Medizin und hausärztlicher Direktor des Verbundes Ze:ro Praxen hält eine Videosprechstunde ab. © ro Praxen

Rhein-Neckar. Virtuelle Konferenzen gehören in Betrieben, Büros, Banken und Behörden längst zur Alltagsrealität - und zwar dort, wo kollaborativ gearbeitet wird, wie es neudeutsch heißt. Auch in Gerichtssälen sind inzwischen Vernehmungen per Video selbstverständlich, wenn es sich um besonders schutzbedürftige oder entfernt lebende Zeugen handelt. Gleichwohl haben sich digitale Arzt-Patienten-Sprechstunden nach der Corona-Pandemie rückläufig entwickelt. Aber nicht überall.

„Nur die wenigsten haben den Arzt auf dem Schirm“, titelte „die Stiftung Gesundheitswissen“, als sie nach Abklingen des global grassierenden Virus die Ergebnisse einer repräsentativen Studie zu Videosprechstunden vorstellte. Zwar gab die überwiegende Mehrheit (84 Prozent) der befragten Männer und Frauen quer durch alle Altersgruppen an, von der Möglichkeit eines Gespräches mit Herrn oder Frau Doktor via Bildschirm gehört zu haben.

Wegfall langer Wege und Zeitersparnis als Vorteile

Allerdings räumten die meisten ein, wenig bis gar keine Ahnung zu haben, welche technische Ausstattung dafür nötig ist und wie eine ärztliche Konsultation am Bildschirm abläuft. Lediglich vier Prozent teilten mit, mindestens einmal eine Videosprechstunde genutzt zu haben. Als Vorteile wurden das Wegfallen langer Wegstrecken und damit Zeitersparnis genannt. Etwa die Hälfte dieser kleinen Gruppe empfand eine digitale Konsultation gleichwertig mit einem persönlichen Gespräch.

Die Erkenntnisse der Studie decken sich mit aktuellen Auswertungen der AOK Baden-Württemberg. Und die offenbaren: Digitale Sprechstunden, die während der Corona-Hochzeit einen „gewaltigen Schub“ erlebten, sind inzwischen rückläufig. Die AOK legt Zahlen für Mannheim vor: 2020 haben deren Versicherte aus der Quadratestadt insgesamt 3457 ärztliche Videoleistungen in Anspruch genommen. Im Jahr darauf waren es sogar 4349. Nach Abklingen der Pandemie nahmen digitale Arzt-Patienten-Kontakte hingegen kontinuierlich ab - im vergangenen Jahr auf 2324, was knapp einer Halbierung des Höchststandes von 2021 entspricht. Ein ähnlicher Trend wie in Mannheim sei landesweit zu beobachten, ist von der Gesundheitskasse zu hören.

Gleichwohl steht für den Geschäftsführer der AOK Rhein-Neckar-Odenwald, Joachim Bader, fest: „Videosprechstunden haben sich als ergänzendes Angebot etabliert.“ Denn nicht nur auf dem Land, wo die Wege zu einer Praxis weit sein können und Busse spärlich unterwegs sind, „machen digitale Lösungen Sinn“ , so Bader. Auch weil Patientenströme „effizienter“ gesteuert werden könnten. Und dies nicht nur bei Akutanlässen aufgrund von Atemwegerkrankungen oder anderen geballten Infektionen.

Ob und wie häufig Videosprechstunden genutzt werden, hängt im Einzelfall freilich davon ab, wie diese offeriert werden. Beispielsweise haben die Ze:ro Praxen, zu denen in der Metropolregion Rhein-Neckar 37 Haus- und Facharztartpraxen, außerdem Dialysezentren gehören, während der Corona-Pandemie eine Online-Plattform etabliert, auf der Termine für Videosprechstunden gebucht werden konnten. „Die Nachfrage ist nicht zurückgegangen - im Gegenteil“, kommentiert der medizinische Direktor für den hausärztlichen Bereich, Tim Böhringer. „Auch viele Neupatienten nutzen unser Angebot für eine erste Beratung.“ Im ersten Halbjahr 2024 seien im gesamten Praxenverbund mehr als 2000 Videosprechstunden gebucht worden.

Der Facharzt für Innere Medizin Böhringer hält das digitale Angebot immer dann für geeignet, wenn Beratung im Mittelpunkt steht und keine unmittelbaren körperlichen Untersuchungen notwendig sind. Sowohl im hausärztlichen wie fachärztlichen Bereich könnten Medikationspläne oder Impfungen digital besprochen wie auch Verlaufskontrollen bei chronischen Erkrankungen erfolgen. „Für mich als Arzt wird die Videosprechstunde den direkten Patienten-Kontakt niemals vollständig ersetzen“, erklärt Böhringer, „aber sie ist ein wertvolles Hilfsmittel in der Patientenbetreuung.“ Und dabei sei der Effekt, Praxisabläufe zu entzerren, keineswegs unerheblich -auch für das Personal.

Dass in naher Zukunft Herr oder Frau Doktor vorzugsweise auf dem Monitor erscheint, ist nicht zu befürchten: Schließlich hat die Kassenärztliche Vereinigung nach Wegfall der Corona-Sondererlaubnis geregelt, dass pro Quartal maximal 30 Prozent der abgerechneten Leistungen per Videosprechstunden erbracht werden dürfen - was (mit einigen Modifizierungen) ebenfalls für Psychotherapeuten gilt.

Viele Menschen holen sich Gesundheitsinfos im Netz

Beim Thema digitale Medizin darf der beliebte wie gefürchtete „Dr. Google“ nicht fehlen. Laut einer Studie des Branchenverbandes der deutschen Informations- und Kommunikationsbranche (Bitkom) haben sich 2022 fast zwei Drittel der Internetnutzer, nämlich 62 Prozent, online auf einen Arztbesuch vorbereitet. Nicht nur Medizin-Experten empfehlen den virtuellen Diagnose-Tausendsassa einem prüfenden „Röntgenblick“ zu unterziehen. Verbraucherzentralen haben Checklisten sowohl über die Qualität wie Unabhängigkeit von digitalen Gesundheitsinfos zusammengestellt. Ohnehin wird Menschen mit Neigung zu Krankheitsängsten nahe gelegt, „Dr. Google“ zu meiden - weil dieser per Klick das keineswegs harmlose Virus „Cyberchondrie“ verbreitet.

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