Interview

Wie eine Privatbank den Markt in Mannheim aufmischen will

Die Merkur Merkur Privatbank will mit ihrer neuen Mannheimer Filiale zusätzliche Kundschaft anlocken. Die darf gerne ein paar Millionen mitbringen. Was Inhaber Marcus Lingel von anderen Bankiers unterscheidet

Von 
Walter Serif
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Inhaber Marcus Lingel in der Mannheimer Filiale der Merkur Privatbank. Im Hintergrund der Wasserturm. © Christoph Blüthner

Mannheim. Herr Lingel, Sie haften als Inhaber der Merkur Privatbank mit Ihrem Vermögen. Sind Sie verrückt?

Marcus Lingel: Nein. Im Gegenteil, ich stehe zu dem, was ich mache. Ich bin selber ein Unternehmer und erwarte von einem mittelständischen Inhaber, dass er zu seinem Betrieb steht. Mit allen Konsequenzen. Dazu gehört dann eben auch, dass man mit seinem Vermögen haftet.

Wie groß ist bei Ihnen die Gefahr, dass es schief geht? Mir fällt da spontan die Pleite der Herstatt-Bank 1974 ein.

Lingel: Das ist jetzt wirklich sehr lange her. Aber ich habe keine Angst, dass uns das mit der Merkur Privatbank auch passieren könnte. Der Unterschied ist, dass unser Geschäftsmodell absolut nicht auf Spekulationen beruht.

Die Herstatt-Bank hatte einen extremen Devisenhandel betrieben.

Lingel: Eben. Sie können natürlich auf alles spekulieren, nicht nur auf die Zinsentwicklung. Aber da machen wir nicht mit. Unser Haus baut auf einem risikoarmen Geschäftsmodell auf. Wir sammeln Einlagen und stellen diese den Unternehmen und Investoren in Form von Krediten zur Verfügung.

Warum bieten Sie anders als zum Beispiel die Sparkassen keine eigenen Finanzprodukte an?

Lingel: Wir verkaufen in der Tat keine eigenen Bausparverträge, Fonds oder Zertifikate. Wir wollen in der Beratung völlig unabhängig sein, weil wir nicht mit dem Risiko handeln, sondern mit dem Vertrauen der Anleger. Der Berater muss übrigens vom Kunden abhängig sein. Wenn er den verliert, verliert er auch seine Geschäftsgrundlage. Also muss der Berater die besten Produkte und den besten Service anbieten. Dazu bedarf es einer klaren Geschäftsphilosophie, auf die sich unsere Kunden verlassen können, auch weil ich die selbst lebe.

Wie denn?

Lingel: Ich bin kein angestellter Manager und habe keinen Drei-Jahres-Vertrag. Ich habe lebenslang. Und dann denken Sie natürlich auch anders. Und das spielt in dieser Struktur unseres großen Hauses eine besondere Rolle. Da zählen Dinge wie Unabhängigkeit, aber auch Verlässlichkeit. Bei uns gibt es noch Abschlüsse per Handschlag. Wir sind auch ein beständiges Haus. Wir springen nicht von einem Geschäftsfeld zum anderen. Wir sagen zu keinem, er sei jetzt nicht mehr unser Zielkunde, weil wir das Immobiliengeschäft runterfahren wollen. Und natürlich brauchen sie langjährige Mitarbeiter, die auch wissen, dass wir sie nicht gleich rauswerfen, wenn es mal nicht so gut läuft. Ohne ein verlässliches Team geht das nicht. Die Berater brauchen den Austausch untereinander. Mit Einzelkämpfern ist keinem geholfen.

Marcus Lingel

  • Marcus Lingel (Jahrgang 1969) wurde in Aalen geboren.
  • Nach der Banklehre studierte der Schwabe in Mannheim Betriebswirtschaft. Thema seiner Doktorarbeit: „Zukünftige Wettbewerbsstrategien deutscher Privatbankiers“.
  • 2000 trat Lingel in die Merkur Privatbank seines Vaters ein und übernahm dann 2008 die Geschäftsleitung. Lingel ist außerdem Honorarkonsul für Mosambik. was

Wollten Sie eigentlich schon immer Bankier werden?

Lingel: Nein, Architekt.

Warum hat das nicht geklappt?

Lingel: Unsere Bank ist 1959 von einem Cousin des berühmten Pianisten Vladimir Horowitz gegründet worden. 1986 hatte sie gerade mal sieben Mitarbeiter und eine Bilanzsumme von acht Millionen Euro und geriet arg in finanzielle Schwierigkeiten. Die Bank sollte deshalb liquidiert und das Verwaltungsgebäude in München verkauft werden. Da hat mein Vater dann zugeschlagen. Er kam aus der Baubranche und hat das Gebäude samt Bank gekauft und sich damit einen Traum erfüllt. Er hatte ja nur eine Banklehre. Ich war damals 17.

Und dann?

Lingel: Als ich 2000 im Unternehmen begonnen habe, hatten wir eine Bilanzsumme von 380 Millionen Euro und 90 Mitarbeiter. Das war die Aufbauleistung meines Vaters. Bis 2019 habe ich die Bilanzsumme auf 1,7 Milliarden Euro gesteigert und dann die Bank Schilling übernommen. Nach der Fusion sind wir auf 2,5 Milliarden Euro gewachsen und haben zwei zusätzliche Standorte in Darmstadt und Mannheim eröffnet. Inzwischen kommen wir auf eine Bilanzsumme von immerhin knapp vier Milliarden Euro.

Das ist weniger als die Sparkasse Rhein Neckar Nord in Mannheim, die bei knapp sechs Milliarden Euro liegt.

Lingel: Das ist richtig, aber unter den inhabergeführten Banken sind wir nach dem Bankhaus Metzler immerhin die zweitgrößte. Inzwischen haben wir ja auch 500 Mitarbeiter.

Als Schwabe haben Sie Mannheim erst während Ihres Betriebswirtschaftslehre-Studiums Anfang der 1990er Jahre kennengelernt. Deshalb expandieren Sie jetzt aber nicht in Mannheim, oder?

Lingel: Doch, ich musste wieder zurück nach Mannheim. Ich habe hier so viel im Studium gelernt und konnte das in meinem Beruf anwenden.

Netter Versuch.

Lingel: Der Grund ist natürlich, dass Mannheim mit seinem Einzugsgebiet für uns ein florierender Markt ist. Wir gehen immer in die großen Ballungsräume und errichten dort Filialen. Übrigens in einer Zeit, in der andere welche abbauen. Und das trägt natürlich Früchte. Vor der Fusion war unser Schwerpunkt das Kreditgeschäft, die Bank Schilling war dagegen auf die Vermögensverwaltung spezialisiert. Die Übernahme hat bei uns auch deshalb diesen großen Wachstumsschub ausgelöst. Wir haben in den vergangenen drei Jahren unser Depotvolumen um mehr als eine Milliarde Euro gesteigert. Wir verwalten inzwischen Vermögen in der Höhe von knapp vier Milliarden Euro. Und wir wollen auch in umkämpften Märkten wie Mannheim weiter wachsen.

Wie gehen Sie das an?

Lingel: Wir verfolgen konsequent unseren unternehmerischen Ansatz und glauben, dass die unabhängige Beratung der Garant dafür ist, dass wir so stark wachsen. Wir hatten ja nach der Fusion in der Augustaanlage schon eine kleine Filiale.

Sie haben die von der Bank Schilling übernommen.

Lingel: Richtig. Da saß aber anfangs nur ein Berater. Ein einziger Mitarbeiter kann sich aber nicht umfassend um die Kunden mit ihren unterschiedlichen Wünschen kümmern. Deshalb sind wir jetzt in die Quadrate umgezogen und haben die Zahl der Mitarbeiter in Mannheim auf drei erhöht, vielleicht kommt noch einer hinzu.

Wie viel Geld muss ich mitbringen, damit wir ins Geschäft kommen?

Lingel: Wir weisen niemanden ab, aber die Beratung lohnt sich erst ab einem gewissen Betrag für beide Seiten. Für die Einrichtung eines Tages- oder Festgeldkontos stehen unsere Onlinekanäle zur Verfügung. Unser Schwerpunkt liegt in der Beratung und da geht es ab 100 000 Euro los.

Die Superreichen kommen also nicht zu Ihnen?

Lingel: Was ist superreich? Superreich ist, wenn man viele Freunde hat. Wir haben aber auch Kunden mit 80 Millionen Euro auf dem Konto. Ich will aber keine elitäre Bank sein. Ich bin ein bodenständiger Mensch.

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Sie machen in Mannheim also auch den Platzhirschen wie zum Beispiel der Sparkasse Rhein Neckar Nord Konkurrenz?

Lingel: Ich mache allen Konkurrenz. In Mannheim und seinem großen Einzugsgebiet. Im Ernst: Ich suche den Kunden, der Spaß hat in einem unternehmerischen Umfeld zu sein. Und der eine kompetente Beratung braucht, die er von einer Vertrauensperson bekommt. Der Finanzmarkt ist so groß und unübersichtlich, dass ein normaler Bürger diesen nicht durchschaut. Die Niedrigzinsphase hat uns doch gezeigt, dass das Sparbuch niemanden reich machen kann. Ich muss mich am Kapitalmarkt beteiligen, wenn ich vom volkswirtschaftlichen Erfolg profitieren will. Anders geht es nicht.

Das Risiko inbegriffen.

Lingel: Das stimmt. Deshalb ist es entscheidend, dass eine Bank vernünftig und ehrlich mit den Risiken in den Kundenbeziehungen umgeht. Dafür stehe ich.

Zu Ihrer Kundschaft im Kreditgeschäft gehören auch die Projektentwickler, die gegenwärtig große Probleme haben.

Lingel: Ja, darauf sind wir schon seit mehr als 25 Jahren spezialisiert.

Sagt Ihnen das Postquadrat in Mannheim etwas?

Lingel: Nein.

Dort warten die Käufer von rund 140 Eigentumswohnungen seit mehr als zwei Jahren darauf, dass ihre Immobilie fertig gebaut wird. Der Grund: Der österreichische Projektentwickler Eyemaxx Real Estate ist insolvent.

Lingel: Ja, solche Fälle kommen leider Gottes immer häufiger vor, wenn die Bauträger insolvent gehen und die Eigentümer in die Röhre schauen. Da spielt aber die Verantwortung einer Bank meines Erachtens eine große Rolle. Bei unseren Projekten ist es so, dass wir mit Unterstützung der Käufer gemeinsam eine Lösung suchen, damit der Bau fertiggestellt werden kann.

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Klappt das dann auch?

Lingel: In den vergangenen drei Jahren hatten wir bei 180 Bauträgern sechs Insolvenzen. Aber keine der Baustellen wurde geschlossen, wir haben überall Lösungen gefunden, und klar ist natürlich, dass da auch die Käufer ein Stück mitgehen mussten. Viele finden bei anderen Insolvenzen niemanden, mit dem sie reden können.

Und die Insolvenzverwalter?

Lingel: Die können nur weiterbauen, wenn sie das Geld bekommen. Und da müssen die Banken natürlich mitspielen. Ich möchte nicht über andere reden . . .

. . . das stört mich nicht . . .

Lingel: . . . aber was mir auffällt: Viele Banken verstecken sich einfach und stellen sich nicht ihrer Aufgabe.

Zinsen, Baukosten, Inflation: Das Eigenheim ist für viele Menschen nur noch ein Wunschtraum. Sie sehen das aber anders. Warum?

Lingel: Der Zeitpunkt, eine Immobilie jetzt zu kaufen, ist sehr günstig, weil die Preise gefallen sind.

Müssten sie nicht mehr fallen, weil der Markt so überhitzt war?

Lingel: Nein, im Gegenteil: Die Preise werden eher wieder hochgehen. Schauen Sie sich nur die Mieten an, die so stark steigen. Wohnraum wird immer knapper, weil immer weniger gebaut wird. Das treibt die Preise weiter nach oben.

Immerhin hat die Europäische Zentralbank den Leitzins von 4,25 auf vier Prozent gesenkt.

Lingel: Die EZB hat die Inflationsgefahr vor drei Jahren unterschätzt, hat dann zu spät reagiert und musste ihren Fehler mit vielen, schnellen Zinsschritten korrigieren. Inzwischen überschätzt die EZB aber die Inflationsgefahr. Die Teuerung lag im Mai in Deutschland bei 2,4 Prozent. Das ist doch nicht besorgniserregend. Ich glaube jedenfalls schon, dass wir auf Dauer niedrigere Zinsen bekommen werden. Die brauchen wir auch in Deutschland. Wir investieren ja nichts mehr. Dabei haben wir doch alle zwei Hände und können arbeiten.

Ihnen geht der Pessimismus in Deutschland auf den Geist?

Lingel: Ja, ich wehre mich da dagegen. Ich bin Optimist, sonst hätte ich in den vergangenen drei Jahren nicht 150 Leute eingestellt und würde nicht hier in Mannheim mit der neuen Filiale durchstarten. Wir wollen in Mannheim beim Vermögensgeschäft angreifen. Wir haben übrigens bewusst einen zehnjährigen Mietvertrag unterschrieben. Denn wir sind gekommen, um zu bleiben.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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