Herr Schwarz, der Kaffee wird immer teurer - ist ein Ende der steigenden Kaffeepreise in Sicht?
Steffen Schwarz: Nein, wir sind ganz sicher noch nicht am Ende mit den Preissteigerungen. Der Preis für Rohkaffee geht eigentlich täglich immer weiter nach oben. Auch die Kaffeeart Canephora oder Robusta, die immer günstiger als der Arabica war, ist so teuer wie nie - und hat inzwischen Preise erreicht, die früher für Nobelkaffees bezahlt wurden. Es kommt immer öfter vor, dass Händler einfach gar keine Ware bekommen. An der Börse wetten einige gerade darauf, dass es Ende 2026 wieder günstiger wird - aber ich wette dagegen.
Wie massiv sind denn die Preissteigerungen bisher?
Schwarz: Wir haben längst alle historischen Höchststände hinter uns gelassen. Das Kilo Canephora kostet aktuell rund 5,50 Euro, Anfang des Jahres waren es noch drei Euro. So etwas gab es noch nie. Die Preise für Arabica sind nicht ganz so stark gestiegen, von knapp vier Euro auf knapp 5,40 Euro. Das heißt, dass beide Kaffeearten jetzt auf einem ähnlich hohen Niveau liegen.
Und was sind die Gründe für diese Preisexplosion?
Schwarz: Das hängt mit dem Klimawandel zusammen. Den Canephora treffen die Folgen des Klimawandels besonders, weil er sehr flache Wurzeln hat. Wenn Indien als zweitgrößter Canephora-Produzent der Welt Ernteausfälle hat, wirkt sich das enorm auf den Kaffeemarkt aus. Bei extremen, sich häufenden Trockenphasen hat der Canephora immer größere Schwierigkeiten, genügend Wasser zu bekommen. Und wenn dann auf eine Dürreperiode innerhalb von drei Tagen eine Regenmenge folgt, die sich früher auf vier Wochen verteilt hat, kann der Boden den Niederschlag gar nicht aufnehmen. Irgendwann sterben die Wurzeln der Kaffeepflanze ab.
Wie groß sind die Schäden mittlerweile?
Schwarz: Wir haben riesige Ernteausfälle, in Indien sind es inzwischen fast 50 Prozent. In Vietnam, dem größten Canephora-Anbauer, ist es nicht ganz so schlimm, weil es dort Bewässerungssysteme gibt.
Aber Indien ist nicht das einzige Land mit drastischen Ernteausfällen.
Schwarz: Auch Brasilien, der größte Arabica-Produzent der Welt, hat Riesenschwierigkeiten. Die Arabica-Pflanze hat zwar längere Wurzeln als Canephora, aber leidet natürlich auch unter der wachsenden Trockenheit. Wenn 40 bis 45 Prozent des Weltmarkts 30 Prozent Fehlernte haben - dann knallt es auf dem Kaffeemarkt. Dazu kommt, dass die Wetterextreme dafür sorgen, dass öfter gepflückt werden muss. Die Arbeitskosten steigen also, auch das macht den Kaffee teurer. Und die Qualität wird schlechter, weil immer mehr unreife Kaffeekirschen mitgeerntet werden.
Was bedeuten die Preissteigerungen beim Rohkaffee für den Endverbraucher?
Schwarz: Die Kaffeepreise sind auch für den Endverbraucher gestiegen. Wir haben jetzt ja nur über die Rohware gesprochen. Dazu kommen noch die gestiegenen Energiekosten für das Rösten und die höheren Personalkosten - und die dramatisch veränderten Logistikkosten. Trotzdem sind die Erhöhungen nicht ganz so extrem beim Endkunden angekommen.
Warum nicht?
Schwarz: Weil die meisten Verbraucher - zumindest bei der Industrieware - nach Sonderangeboten kaufen. Und: Die großen Röstereien haben lieber schlechtere Qualitäten genommen, um die Preise einigermaßen stabil halten zu können. Das hat dazu geführt, dass im zweiten Quartal dieses Jahres zum allerersten Mal alle Großen Einbrüche im Abverkauf hatten. Ich glaube, der Verbraucher will den schlechten Geschmack einfach nicht mehr schlucken.
Kaffeeexperte lädt zum Branchentreffen
- Steffen Schwarz ist ein weltweit angesehener Experte für Kaffee. Er ist promovierter Arzt, aber längst als Vorkämpfer für Kaffeequalität und -diversität aktiv.
- Schwarz ist Berater, Ausbilder, Röster und Händler in einem.
- In Mannheim ist sein Ausbildungszentrum Coffee Consulate angesiedelt. Über die Rösterei The Coffee Store vertreibt Schwarz Spezialitätenkaffees etwa der Marke Neckarrösterei.
- Schwarz arbeitet direkt mit Kaffeefarmern in Brasilien, El Salvador, Mexiko und Indien zusammen..
- Er ist Mitveranstalter der International Coffee Convention, laut Schwarz das größte wissenschaftliche Forum für Kaffee.
- Für zwei Tage wird Mannheim das Zentrum der Kaffeewelt - zum zweiten Mal nach der Premiere 2023. Farmer, Röster, Wissenschaftler, Baristas, ob aus Costa Rica, Brasilien, Italien, Deutschland oder der Türkei kommen in das Museum Weltkulturen.
- Das Motto lautet „Coffee in Transition“ („Kaffee im Wandel“). Der Kongress soll eine Plattform für Diskussionen und Präsentationen rund um die neuesten Herausforderungen und Lösungen in der Kaffeebranche sein.
- Kaffee wird nach Zahlen des Deutschen Kaffeeverbandes auf einer Gesamtfläche von circa zehn Millionen Hektar angebaut. Jährlich werden rund 158 Millionen Säcke à 60 Kilogramm Rohkaffee produziert.
- Fast 99 Prozent der Gesamtproduktion entfallen dabei auf die beiden Hauptarten Arabica und Robusta/Canephora. Brasilien ist vor Vietnam größter und wichtigster Lieferant des Weltmarktes. be
Dazu kommt noch die Gefahr der Huthi-Miliz im Roten Meer, die immer wieder Containerschiffe angreift, etwa aus Vietnam.
Schwarz: Das Problem hatten wir auch bei unserem Kaffee aus Indien. Die Schiffe aus Indien müssen auch durchs Rote Meer. Aber nur wer Teil der internationalen Staatengemeinschaft ist, wird von den alliierten Truppen verteidigt. Indien gehört nicht dazu, deshalb fahren indische Schiffe entweder mit höchster Geschwindigkeit durch die Gefahrenstelle oder sie nehmen einen Umweg und umrunden Afrika.
Und die Umwege machen die Lieferung teurer.
Schwarz: Nicht nur das. Bei uns kam eine im Januar bestellte Lieferung aus Indien erst im Mai an. Das ist natürlich eine Katastrophe. Wir haben zum Glück ein großes Lager, trotzdem lassen sich solche Engpässe nur schwer ausgleichen. Und die meisten Röstereien haben nur eine Lagerkapazität von zwei bis vier Wochen. Die haben dann auf einmal keinen Rohkaffee und müssen auf die Schnelle woanders einkaufen. Gleichzeitig profitieren Spezialitätenröstereien wie wir von den Marktverschiebungen.
Wieso?
Schwarz: Weil die Top-Qualitäten jetzt nicht mehr vier oder fünfmal so viel kosten wie Industrieware, sondern höchstens noch doppelt so viel. Deshalb kommen jetzt viele neue Kunden, auch Unternehmen zu uns. Die sagen: Dann zahle ich lieber etwas mehr und bekomme richtig gute Qualität. Auch für die Gastronomie werden wir attraktiver.
Was muss ich denn als Endverbraucher für einen guten Kaffee zahlen?
Schwarz: Moralisch gut oder geschmacklich gut?
Beides.
Schwarz: Um die 30 Euro das Kilo. Der hohe Preis ist aber nicht die Garantie, dass der Kaffee wirklich gut schmeckt. Und auch nicht dafür, dass der Kaffeefarmer fair bezahlt wird. Nur unter diesem Preis ist beides nicht möglich.
Woran erkenne ich dann guten Kaffee als Laie?
Schwarz: Am Geschmack, wirklich! Jeder merkt doch, was ihm schmeckt. Und hochwertiger Kaffee ist auch verträglicher. Am besten schwarz probieren, da schmeckt man heraus, ob der Kaffee rein ist oder Defekte hat. Und am allerbesten ist, schwarzen Kaffee zu trinken, der noch dazu abgekühlt ist. So machen das auch die Profis. In heißem Zustand lassen sich Unterschiede viel schwerer erkennen. Einen Top-Kaffee können Sie ohne Probleme auch trinken, wenn er kalt ist. Der schmeckt dann immer noch gut. Ein schlechter Kaffee schmeckt ausgekühlt grausam.
Und woran erkenne ich moralisch guten Kaffee, also dass der Kaffeefarmer auskömmlich bezahlt wird?
Schwarz: Ein Farmer braucht rund 2,50 bis drei Euro das Kilo, um seine Produktionskosten zu decken. Liegt er darunter, verliert er Geld. Viele müssen trotzdem unter diesem Preis verkaufen, weil sie ein Cashflow-Problem haben. Sei brauchen ständig frisches Geld, um ihre Pflücker zu bezahlen. Das nutzen Zwischenhändler aus, um den Preis gnadenlos zu drücken. Die Selbstmordrate unter Kaffeefarmern, gerade in Indonesien oder Indien, ist so hoch wie nie. In Indien nennt man den Kaffeeanbaubereich sogar „Selbstmordgürtel“. Ich bin überzeugt, dass nur beim direkten Handel zwischen Farmer und Röster ein anständiger Preis für die Kaffeebauern möglich ist.
Wie erkenne ich, dass eine Rösterei direkt handelt und ihre Lieferanten gut bezahlt?
Schwarz: Ich halte nichts von Zertifikaten oder Siegeln, wie Fairtrade. Das sind moderne Ablassbriefe, die nicht wirklich faire Bedingungen garantieren. Mein Tipp ist: Einfach mal nachfragen und sich umschauen. Wenn ein kleiner Röster zum Beispiel nur Kaffeesäcke von großen Händlern rumstehen hat, kann das mit dem Handel vor Ort nicht so stimmen. Oder mal nachhaken: Sie besuchen doch Ihre Lieferanten regelmäßig, wo fliegen Sie denn da hin? Außerdem muss man wissen, dass Kaffee nur über Container zu uns kommt. Einfach mal ein paar Säcke bestellen, das geht nicht.
Sie veranstalten am 17. und 18. Oktober die zweite International Coffee Convention in Mannheim, mit Branchen-Vertretern aus der ganzen Welt. Wird es dabei auch um den Kaffeepreis gehen?
Schwarz: Natürlich, aber auch darum, wie man Kaffeeanbau nachhaltig machen kann oder wie man seltene Kaffeepflanzen trotz der strengen Vorgaben des Nagoya-Protokolls der Vereinten Nationen retten kann. Ich freue mich vor allem, dass dieses Mal sogar Vanúsia Nogueira, die Chefin der internationalen Kaffee-Organisation, zu uns kommt.
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