Interview

Was ein Handelsexperte vom neuen Galeria-Konzept hält

Der Wormser Handelsexperte Jörg Funder ordnet das neue Konzept des angeschlagenen Kaufhauskonzerns Galeria ein. Was er anders gemacht hätte und warum er Zweifel hat, dass das Konzept funktioniert

Von 
Christian Schall
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Blick in ein Warenhaus von Galeria. Den geplanten Schwerpunkt beim Sortiment hält der Experte für richtig. © dpa

Mannheim. Herr Funder, Galeria Karstadt Kaufhof will 52 Filialen schließen. Reicht das, damit das Unternehmen wieder erfolgreich wird?

Jörg Funder: Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass man einmal einen richtigen Kahlschlag macht und auf den gesunden Kern zurückschneidet. Ich könnte mir vorstellen, dass es geholfen hätte, die dann verbleibenden Filialen schneller und passgenauer auf ihre lokalen Standorte und neue Formate umzurüsten.

Das heißt, Sie hätten mehr als 52 Kaufhäuser geschlossen? Welche Größenordnung hätten Sie für richtig gehalten?

Funder: Wir sind schon seit 2008 davon ausgegangen, dass es in Deutschland ein Potenzial für ein zentral geführtes Warenhaus, wie es Karstadt ist, von etwa 40 bis 50 Filialen gibt - ohne die Premiumhäuser (Anm.: KaDeWe Berlin, Oberpollinger München, Alsterhaus Hamburg), die es im Moment nicht betrifft, weil sie zur Signa Premium Gesellschaft gehören. Natürlich muss man sich immer die einzelnen Filialen anschauen. Wenn man aber Zugeständnisse bei Mieten oder Umbauten macht und das dann dazu führt, dass man das eine oder andere Haus länger offenhält - ich weiß nicht, ob da nicht ein Ende mit Schrecken besser gewesen wäre und von dort aus ein Neuaufbau. Ich hätte mir gut vorstellen können, dass das die Geschwindigkeit der Restrukturierung und Sanierung erhöht.

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Sie kennen auch die Warenhäuser in der Region. Nehmen wir das Beispiel Mannheim: Was müsste dort getan werden, um es für die Kunden attraktiver zu machen?

Funder: Der Kernpunkt, warum das Warenhaus nicht mehr so attraktiv für Kunden ist, liegt auf der einen Seite darin, dass es mit seinen Sortimenten sehr stark in der Mitte positioniert ist. Also im Prinzip nicht wirklich Premium und auch nicht wirklich Discount, sondern ein bisschen Allerweltsmarken. Insbesondere betrifft das das Umfeld von Textilmarken, die nach wie vor einen hohen Anteil im Warenhaus haben. Diese Problematik haben alle in der Mitte positionierten Händler. Da braucht es einfach neue, bessere, zielgerichtetere Sortimente, die der Kunde wünscht. Da geht es nicht einfach darum, mehr oder neuer, sondern auch auf die jeweilige Zielgruppe und Standorte ausgerichtet.

Wo hakt es noch?

Funder: Ein Warenhaus stand schon immer für Erlebnis, Beratung, Service und Warenvielfalt. Ich würde mir einfach wünschen, die Dienstleistung wieder mehr zu spüren. Das ist meiner Meinung nach ein zentraler Erfolgsgarant oder Differenzierungsfaktor. Die Problematik bisher ist, dass man Mitarbeiter und damit Service abgebaut hat. Bei den bestehenden Konzepten für die Mittelstädte weiß ich nicht, ob sich das so umsetzen lässt. Nämlich, der zentrale Magnet der Innenstadt zu werden mit Dienstleistungen aus dem städtischen oder kommunalpolitischen Bereich. Ich glaube, dass das sehr schwierig ist, die Kommunen davon zu überzeugen. Der Kern-Erfolgsfaktor wäre tatsächlich eine lokale Ausrichtung auf die jeweiligen Standorte. Dann müssen sie aber auch Sortimente, Dienstleistungen und Flächen darauf ausrichten.

Also viel dezentraler…

Funder: …viel dezentraler. Man hatte das ja in den 1990er Jahren beispielsweise bei Hertie, dass einzelne Häuser aus der Region zusammen eingekauft haben, sie sozusagen als eigene Einheit gesteuert und sich auf den Markt ausgerichtet haben, sogar mit eigenen Lagerzentren. Das war natürlich auch mit hohen Kosten verbunden, und darum hat man das zentralisiert und den Filialen die Kompetenzen genommen. Jetzt einfach wieder zu sagen, gib sie dorthin zurück, wird nicht funktionieren. Man kann nicht den Mitarbeitern, die dort noch sind, aber bisher keine Freiheitsgrade hatten, sagen: „Du musst jetzt lokaler Unternehmer sein.“

Galeria will sich nach lokalen Bedürfnissen ausrichten. Reicht das?

Funder: Nein. Nachdem, was ich vernommen habe, ist der lokale Anteil marginal. Das wird man nicht hinbekommen. Man mischt das bei, um zu sagen, man hat auch eine regionale Ausrichtung. Es gibt lokale, erfolgreiche Kaufhäuser, wie in Bensheim. Wahrscheinlich ist eine starke Dezentralisierung bei den heutigen Kostenstrukturen im Zuge eines zentral geführten Warenhauses auch nur schwer möglich. Wenn Sie standardisieren wollen und sagen, ich kann gar nicht so lokal sein, weil es zu komplex ist und ich es effizient bewirtschaften muss, dann brauche ich eine große Markteinzugsfläche vor Ort, damit ich für diese teilstandardisierten Sortimente immer noch eine hinreichende Nachfrage generieren kann. So kommen die eingangs genannten 40 bis 50 Filialen zustande.

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Veröffentlicht
Von
Michaela Roßner und Christian Schall
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Im Sortiment sollen die Schwerpunkte bei Bekleidung, Home und Beauty liegen. Sind das die richtigen Warengruppen?

Funder: Home auf jeden Fall. Von einem Ausbau des Textilsortiments wird man sich eine Stärkung der Marge erhoffen. Die beiden Sortimente sind die angestammten Bereiche. Home und Living ist nach wie vor nicht so groß, das ist ein bisschen Depot auf größerer Fläche. Das ist auch ein sehr kleinteiliges Geschäft, aber mit hohen Margen, weil die Importe aus Asien kommen. Es passt aber zur Wertigkeit eines Warenhauses, weil man Welten schaffen kann. Es sind häufig kuratierte Sortimente, mit denen man einen Unterschied schaffen kann, auch in der Differenzierung. Von daher passt das sehr gut. Das ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss, dass man sagt: etwas Home und Living dazu, und alles ist okay.

Sicher muss man auch an den Filialen etwas machen. Wie kann man da noch mehr Erlebnis bieten?

Funder: Das wird die große Krux sein. Mehr Erlebnis ist das zentrale Argument. Die Warenhäuser, wie wir sie kennen, sind heute kaum mehr für den Einzelhandel geeignet. Sie haben zu große Flächen, sind zu tief, niedrige Decken, häufig dunkel. Das wird noch mal eine Herausforderung, sie so umzubauen, dass das passt. Das kann man fast nur durch Beratung und Marketingmaßnahmen sowie Veranstaltungen, Kultur und Musik vor Ort, die man integriert. Im Prinzip machen das großformatige Warenhäuser wie das KaDeWe schon vor. Man darf aber nicht vergessen: Dort müssen dann auch zahlungskräftige Kunden kommen und auch bereit sein, zu kaufen.

Wird die Sanierung gelingen?

Funder: Das ist immer ein bisschen Glaskugel lesen. Ich wünsche es dem Warenhaus, weil ich auch glaube, dass es eine Daseinsberechtigung hat. Nur würde ich mir wünschen, einmal einen klaren, tieferen Schnitt zu machen, um dann in der Umsetzung klarer und schneller zu sein.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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