Nachhaltigkeit

Warum Osapiens in Mannheim schon wieder neue Büros braucht

Die letzten Kartons im Lokschuppen sind nicht ganz ausgepackt, da verhandelt der ESG-Spezialist über weitere Flächen. Was das Unternehmen in Mannheim plant.

Von 
Tatjana Junker
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Osapiens-Mitgründer und CEO Alberto Zamora im Lokschuppen. Mitte Dezember hat das Unternehmen die zusätzlichen Flächen im Mannheimer Glückstein-Quartier bezogen. © Thomas Tröster

Mannheim. Es herrscht ein Hauch von Baustellen-Atmosphäre im Lokschuppen. In einer Ecke neben dem Eingang stapeln ein paar Kisten, etwas weiter weg steht eine Leiter. Erst wenige Wochen ist es her, dass das Mannheimer Unternehmen Osapiens, Anbieter von Nachhaltigkeits-Software, hier seine neuen Räume bezogen hat. Auf den großzügigen Büroflächen in dem umgebauten Industrie-Denkmal hinter dem Mannheimer Hauptbahnhof finden insgesamt rund 50 Beschäftigte Platz. Ein paar von ihnen sitzen an diesem Vormittag an ihren Schreibtischen, andere stehen in der großen, offenen Küche zusammen und unterhalten sich.

Doch die letzten Kartons im Lokschuppen sind noch nicht ganz ausgepackt, da ist das aufstrebende Mannheimer Unternehmen schon wieder auf der Suche. „Wir sind mit unseren Räumen am Anschlag und verhandeln über weitere Flächen in der Stadt“, sagt Alberto Zamora, Mitgründer und CEO von Osapiens, der sein Büro ebenfalls im Lokschuppen hat. Einen Steinwurf entfernt, im repräsentativen Büroturm Loksite, belegt das Unternehmen ebenfalls schon dreieinhalb Etagen. Und auch gegenüber, im Gründungszentrum Mafinex, wo das Start-up Osapiens quasi groß geworden ist, hat der Softwareanbieter noch Flächen über mehrere Ebenen gemietet.

Osapiens: In Mannheim sind 200 neue Jobs geplant

Gegründet wurde Osapiens 2018. Das Unternehmen hat eine digitale Plattform entwickelt, die Unternehmen helfen soll, entlang ihrer Lieferketten ESG-Vorschriften, also Nachhaltigkeitsrichtlinien, einzuhalten. Inzwischen seien auf der Plattform mehr als 20 Lösungen verfügbar – von der CSRD (Corporate Social Responsibility Directive) über die EU-Entwaldungsverordnung bis hin zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

In dem umgebauten Industrie-Denkmal hinter dem Mannheimer Hauptbahnhof finden rund 50 Osapiens-Mitarbeitende Platz. Weitere Beschäftigte arbeiten im benachbarten Bürohochhaus Loksite und im Gründungszentrum Mafinex. © Thomas Tröster

Schon im vergangenen Jahr war Osapiens stark gewachsen. Die Belegschaft verdoppelte sich von 200 auf 400, inzwischen sei man bei weltweit rund 450 Beschäftigten angelangt. Etwa 280 davon arbeiten in Mannheim – und 2025 sollen laut Zamora allein hier noch einmal 200 dazukommen. Weitere 250 neue Stellen seien in diesem Jahr in Madrid geplant, dem zweitgrößten Standort des Unternehmens nach dem Mannheimer Hauptsitz. „Wenn wir jemanden für eine offene Stelle in Mannheim finden, hat das immer Priorität. Der Großteil der Top-Positionen muss hier in unserem Headquarter angesiedelt sein“, sagt Zamora, der früher unter anderem einige Zeit für SAP gearbeitet hat. Sein Traum: Ein Mini-Campus im Mannheimer Glückstein-Quartier.

Mannheim soll Nachhaltigkeitshauptstadt werden

Und das ist nicht die einzige Vision: Wenn es nach Zamora geht, könnte Mannheim so etwas wie die Hauptstadt für ESG werden, also für Environmental, Social und Governance, was zu deutsch so viel bedeutet wie das nachhaltige Wirtschaften von Unternehmen. „An welche Stadt denkt man, wenn man ESG sagt? Dieser Titel ist noch unbesetzt und Mannheim hat die einmalige Chance, sich hier an die Spitze zu setzen“, sagt Zamora. Die Stadt habe dafür beste Voraussetzungen, nicht nur wegen ihrer zentralen Lage in Europa. Der Osapiens-Chef verweist auf die vielen Unis und Hochschulen, die hier beheimatet sind, den Rosengarten, der sich im vergangenen Jahr nach langer Suche auch in anderen Städten als der perfekte Veranstaltungsort für den zweitägigen Sustainability osapiens Summit (SoS), also den europaweit größten Nachhaltigkeitsgipfel von Osapiens, erwiesen habe. In unmittelbarer Nähe der Osapiens-Zentrale, Zamora zeigt aus dem Fenster zur Glücksteinallee, seien zudem alle großen Wirtschaftsprüfer - u.a. EY, PwC, KPMG - in einer Straße vertreten. „Wirtschaftsprüfer spielen eine zentrale Rolle beim Thema ESG“, sagt er.

Seit 2018 in Mannheim

Das Software-Unternehmen Osapiens wurde 2018 von Alberto Zamora, Stefan Wawrzinek und Matthias Jungblut gegründet.

Osapiens hat eine digitale Plattform entwickelt, die Unternehmen helfen soll, entlang ihrer Lieferketten ESG-Vorschriften – also Nachhaltigkeitsrichtlinien einzuhalten.

Im Sommer 2024 war die US-Bank Goldman Sachs bei Osapiens eingestiegen. Bei der Finanzierungsrunde sammelte das Mannheimer Unternehmen 110 Millionen Euro ein. Seit 2023 ist außerdem der Investor Armira Growth an Bord.

Wenig beeindruckt zeigt sich der Unternehmer in seinen Wachstumsplänen von dem politischen Gegenwind, der dem Thema ESG aktuell entgegenschlägt, allen voran in den USA. Dort hat der neue Präsident unter anderem mit seinem Mantra „drill baby drill“ nicht nur dem Klimaschutz den Kampf angesagt. Auch die Diversitäts-Bewegung hat unter ihm einen schweren Stand. Einige große Unternehmen in den USA haben auf die neue politische Marschrichtung bereits reagiert und rudern bei ihrem Nachhaltigkeits-Commitment zurück. Aber auch in Deutschland könnte sich das politische Klima in Bezug auf Nachhaltigkeit nach der Bundestagswahl ändern. So drängt die Union bereits seit Monaten darauf, das in der Wirtschaft heftig kritisierte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abzuschaffen.

Keine Angst vor politischem Gegenwind in den USA

Letzteres bereitet Zamora nach eigenen Worten kein Kopfzerbrechen. „Wir haben viele verschiedene Lösungen auf unserer Plattform. Wenn eine Regulierung wegfällt, haben wir trotzdem noch ein großes Angebot.“ Auch insgesamt ist der Osapiens-Chef überzeugt: „ESG wird bleiben.“ Die Herausforderungen, zum Beispiel mit Blick auf den Klimawandel, würden größer statt kleiner. „Wir können ESG-Gesetze abschaffen, aber dann werden wir sehen, wo die Welt in zehn oder 20 Jahren steht.“ Ziel von Osapiens sei es, Firmen zu unterstützen, indem man es durch Automatisierung „beherrschbar und kostengünstig“ mache, Regularien zu erfüllen und den bürokratischen Aufwand ressourcenschonend zu lösen.

Wenn ESG in den USA vorübergehend in den Hintergrund rücke, könne das für Osapiens sogar ein gewisser Vorteil sein. „Wir haben bisher kaum Konkurrenz in und aus den USA. Die großen Player dort fokussieren sich auf andere Themen, weil ESG scheinbar unwichtiger wird. Das lässt uns umso mehr Raum, um uns auf dem Markt dort zu positionieren“, sagt Zamora. Erst kürzlich hat das Mannheimer Unternehmen ein eigenes Team mit sechs Mitarbeitenden in New York aufgebaut. Seit Sommer 2024 hat Osapiens mit Goldman Sachs außerdem ein US-Schwergewicht als Investor an Bord: Der Growth-Equity-Bereich von Goldman Sachs Alternatives hatte eine Finanzierungsrunde mit einem Volumen von mehr als 120 Millionen US-Dollar angeführt und hält seither eine Minderheit an Osapiens. „Wir profitieren natürlich auch von dem Namen Goldman Sachs. Wenn so jemand in uns investiert, schafft das Aufmerksamkeit.“

Bisher hat das Unternehmen die meisten Kunden - laut Zamora etwa 55 Prozent - in Deutschland. Auch in den skandinavischen Ländern sei man gut vertreten. In den USA habe man ebenfalls einige Leuchtturm-Kunden, beispielsweise Coca-Cola. Ziel sei es, vor allem bei den Unternehmen aus der kritischen Infrastruktur Nummer 1 zu werden: also zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel, im Gesundheitswesen, in der Energieversorgung und Telekommunikation. „Dort gibt es in der Regel besonders viele Auflagen, zum Beispiel für Cybersecurity.“ Insgesamt soll die Zahl der Kunden 2025 auf mehr als 2500 wachsen. Ende 2024 waren es rund 1700. Das Mannheimer Unternehmen hat vom Glückstein-Quartier aus noch Großes vor.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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