Heidelberg. Von Bettina Eschbacher
Warum produziert Heidelberg Materials weiter in Russland? Viele Unternehmen haben sich seit Ausbruch des Ukraine- Kriegs aus dem Land zurückgezogen, der Heidelberger Baustoffhersteller aber nicht: Drei Werke laufen weiter in Russland – „auf kleiner Flamme“, wie Vorstandschef Dominik von Achten am Donnerstag bei der Vorlage der Geschäftszahlen für 2022 betont.
Man stelle nur Baustoffe für den lokalen Markt her, alle Investitionen dort seien eingefroren. „Wir beobachten die Situation sehr detailliert“, so von Achten. Auch der ethisch-moralische Aspekt werde im Vorstand immer wieder diskutiert. Konkurrent Holcim hat dagegen seinen Rückzug angekündigt.
Die Macht des russischen Staats
Möglich ist aber, dass die Entscheidung den Heidelbergern aus der Hand genommen wird. Von Achten schließt nicht aus, dass der russische Staat das Unternehmen enteignen könnte – ähnlich wie beim Öl- und Gaskonzern Wintershall. „Politische Vorbereitungen werden getroffen“, sagte er. Eine Enteignung sei von heute auf morgen durchsetzbar.
Der Vorstand könne nicht einfach entscheiden, das Russland-Geschäft zu beenden, so von Achten. Man sei den Anteilseignern verpflichtet. Die könnten nach der rechtlichen Grundlage für eine solche Entscheidung fragen – und mit Hilfe „cleverer Anwälte“ ihr Geld zurückfordern.
2022 hat Heidelberg Materials bereits rund 100 Millionen Euro auf das Russland-Geschäft abgeschrieben, 150 Millionen Euro stehen noch in der Bilanz. In Russland erzielt der Dax-Konzern nur drei Prozent seines Umsatzes, der 2022 bei 21,1 Milliarden Euro lag.
Deutlich stärker auf die Zahlen wirkten sich 2022 die indirekten Folgen des Ukraine-Kriegs aus: Die Energiekosten stiegen um 54 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro, das sind 1,2 Milliarden Euro mehr als im Jahr davor. Finanzvorstand René Aldach rechnet für das laufende Jahr nicht mit so dramatischen Ausschlägen. Aber: „Wir gehen davon aus, dass die Energiekosten hoch bleiben.“
Deshalb schaut man laut von Achten „mit Argusaugen“ auf ältere Produktionen, die besonders viel Energie verbrauchen. Zu diesen zählte auch das Stammwerk in Leimen. Dort wurde die Klinkerproduktion eingestellt, weil nicht mehr genügend Nachschub aus dem benachbarten Steinbruch vorhanden war. Außerdem wurde in den USA ein altes Werk stillgelegt. Und immer wieder wird die Produktion flexibel hoch- und runtergefahren, je nach aktuellem Energiepreis.
Die gestiegenen Kosten konnte Heidelberg Materials schließlich zum Jahresende hin durch höhere Preise kompensieren. Ein sehr starkes viertes Quartal führte dazu, dass der Konzern 2022 mehr verdiente als erwartet. Diese Nachricht brachte dem Aktienkurs im Tagesverlauf ein Plus von 1,6 Prozent. Anders als Unternehmen in der Nachbarschaft, etwa BASF, sieht von Achten keine Notwendigkeit „für ein großflächiges Sparprogramm“. Für 2023 zeigt er sich optimistisch: Der private Hochbau werde – wegen der steigenden Zinsen für Baukredite – unter Druck bleiben. Aber im Industriebau sieht er eine Belebung, auch weil Europa und die USA wieder Produktionen aus Asien zurückholten. Das bringe zum Beispiel Aufträge beim Bau von Chip- und Batteriefabriken.
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In den USA läuft es besonders gut
Und dann ist da noch der viel diskutierte Inflation Reduction Act der USA, der massive Steueranreize für nachhaltige Projekte bringt. Dadurch lohnten sich jetzt Investitionen in solche Projekte – und der Baustoffhersteller profitiert.
Der Dax-Konzern kommt auch direkt in den Genuss der Steuererleichterungen für das geplante CO2-Abscheideprojekt in Mitchell, USA. Es ist das konzernintern größte Projekt dieser Art. Ab 2028 sollen rund 95 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen des US-Zementwerks abgeschieden werden. Bei der Herstellung von Zement entstehen große Mengen an CO2. Der Dax-Konzern sieht in der Abscheidung und Speicherung des Kohlendioxids eine zentrale Technologie, um die Emissionen zu verringern. 2022 seien diese um weitere zwei Prozent auf 551 Kilogramm pro Tonne zementartigen Materials reduziert worden.
Für 2023 erwartet der Vorstand ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern zwischen 2,35 Milliarden und 2,65 Milliarden Euro. Der Umsatz soll erneut zulegen.
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