Finanzen

Sparkassen im Südwesten geizen weiter mit höheren Zinsen

Die 50 Sparkassen in Baden-Württemberg haben im ersten Halbjahr 2023 einen massiven Einbruch bei den neuen Kreditzusagen erlitten. Wie das Geschäft sonst gelaufen ist, erklärt Sparkassen-Präsident Peter Schneider

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Walter Serif
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Peter Schneider, Präsident der Sparkassen Baden-Württemberg. © Bernd Weißbrod/dpa

Stuttgart. Nein, an diesem Mittwoch steht nicht die Abschiedspressekonferenz von Peter Schneider an. Und nein, der Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg ist auch kein lahme Ente, wie der Auftritt des wortgewaltigen Oberschwaben in Stuttgart nahelegt. Schneiders Nachfolger steht zwar mit Mattthias Neth - aktuell noch Landrat des Hohenlohekreises - bereits fest. Aber sein Amt wird er erst am 1. Mai 2024 antreten. Bis dahin bleibt Schneider der Steuermann.

Inflation ist Gift

Dass Schneider kein Blatt vor den Mund nimmt und ständig Tacheles spricht, ist kein Wunder. Auch nach 17 Amtsjahren schlägt da der frühere Politiker durch, der gerne Ratschläge an andere verteilt. Zum Beispiel an Christine Lagarde. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) an diesem Donnerstag die Zinsen weiter anheben muss, versteht sich für Schneider von selbst. Immerhin ist der Realzins mit minus vier Prozent negativ: „Das ist auf Dauer nicht tragbar. Wir brauchen deshalb weitere Zinsschritte.“

Dies sieht Lagarde auch so, sie bezeichnet die Inflation ja inzwischen als ein „Monster“. Dass die Zinswende der EZB vor einem Jahr aber nicht nur aus seiner Sicht viel zu spät kam - darauf will Schneider nicht mehr herumreiten.

Überraschend, denn die Zinsanhebung in acht Akten - um vier Prozentpunkte - verlief im Eilmarsch. Das hat die Sparkassen im Südwesten fast eine Milliarde Euro - rund die Hälfte des Gewinns - gekostet, weil sie viele Anleihen mit niedrigen Zinsen in ihren Depots haben.

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Dass Deutschland mitten in der Rezession steckt, lässt sich in der Halbjahresbilanz der Sparkassen an einem Punkt besonders ablesen: Die Nachfrage bei neuen Krediten ist drastisch gesunken - nämlich um 40 Prozent auf 11,1 Milliarden Euro. Noch stärker ist der Rückgang beim Wohnungsbau - 60 Prozent. „Einen Einbruch in dieser Größenordnung hatten wir in Baden-Württemberg noch nie“, sagt Schneider.

Der Zinsüberschuss dürfte dagegen nach 2022 (3,4 Milliarden Euro) in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge wieder steigen, auf geschätzt 600 Millionen Euro. „Damit bekommt unser Hauptergebnisträger, das Zinsergebnis, wieder Aufwind“, sagt Schneider. Auch deshalb erwartet er für 2023 „einen ordentlichen Gewinn“. Die Bilanzsumme ist auf 241,5 Milliarden Euro gestiegen. Rekord. Und die Kundeneinlagen auf 169 Milliarden. Auch ein Rekord.

Große Spreizung bei Kundeneinlagen

Aber jetzt kommt das große Aber. Bei der Bilanzsumme fällt das Wachstum mit rund einer Milliarde Euro recht mickrig aus. Und bei den Kundeneinlagen ist eine große Spreizung sichtbar. Während die Einlagen der Unternehmen und der öffentlichen Haushalte im ersten Halbjahr kräftig gestiegen sind, gibt es bei den privaten Haushalten ein Minus von 0,4 Prozent. Sie haben rund 500 Millionen Euro weniger auf der hohen Kante als vor einem Jahr.

„Die Inflation ist so stark, dass die meisten Menschen ihr Geld zum Leben brauchen“, sagt Schneider. „Auf der anderen Seite schichten sie ihre Sichteinlagen in höher verzinsliche Sparformen um, dazu gehört auch die verstärkte Nachfrage nach festverzinslichen Wertpapieren“, so der Sparkassen-Präsident. Das Wertpapiergeschäft bleibt zwar eine wichtige Säule. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um 600 Millionen auf 12,5 Milliarden Euro. Aber nur jeder Fünfte der fünf Millionen Kundinnen und Kunden hat ein Depot bei den Sparkassen.

Noch sind die Kunden treu

Deshalb müssen die Sparkassen aufpassen, dass sie ihre Klientel bei der Stange halten. Diese wechselt zwar nur ungern, aber auch Schneider weiß, dass das mit den niedrigen Sparzinsen auf Dauer so nicht weitergehen kann. „Wir dürfen es nicht überreizen, nur auf treue Kunden setzen, funktioniert nicht.“ Aber hat nicht selbst die Bundesbank höhere Zinsen angemahnt? „Unser Geld steckt zum großen Teil in niedrig verzinsten Krediten. Das belastet die Aktivseite der Bilanz. Da können wir auf der Passivseite nicht die Zinsen übermäßig erhöhen.“ Schneider schätzt nach seinen Worten Bundesbank-Chef Joachim Nagel. Aber seinen Rat befolgt er nicht unbedingt.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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