Miserabler Kundenservice

"Servicewüste Deutsche Bahn": Mannheimer zahlt sechsfachen Ticketpreis

Es ist eine groteske Geschichte: Ein Mannheimer versucht verzweifelt ein Ticket zu kaufen. Noch schlimmer: Wochenlang muss er seinem Geld hinterherlaufen

Von 
Walter Serif
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Nicht nur der Zugverkehr läuft bei der Bahn chaotisch ab. Auch das Ticketsystem funktioniert nicht gut, kritisiert die Verbraucherzentrale. © Jens Kalaene/dpa

Mannheim. „Was Sie erzählen, ist symptomatisch dafür, dass bei der Bahn nichts funktioniert. Sie hat nicht nur große Probleme mit ihrem Schienennetz, sondern bekommt auch die Softwarefehler bei Online-Buchungen nicht in den Griff“, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Dennoch staunt auch Buttler über den speziellen Fall eines Fahrgasts, den ihm der Reporter schildert. Er fügt aber gleich hinzu, dass solche Dinge bei der Bahn - wenn auch nicht in so krasser Form - leider recht häufig vorkommen würde.

Es ist in der Tat eine groteske Geschichte. Ein Bahnkunde aus Mannheim will am 2. Oktober gegen 15 Uhr kurz vor seiner Zugreise nach Lörrach ein Ticket online buchen. Doch das klappt nicht. Immer wieder bekommt er auf seinem Smartphone die Meldung, dass die Buchung nicht möglich sei. Nach dem sechsten Versuch schickt ihm der Online-Bezahldienst Paypal per Mail die Info, dass die Transaktion erfolgreich gewesen sei.

Deutsche Bahn versendet keine Buchungsbestätigung

Allerdings gibt es keine Buchungsbestätigung der Bahn, die in der Regel nach Sekunden erfolgt. Auch in der DB Navigator-App taucht kein Ticket auf. Der Reisende macht deshalb einen Screenshot von der Paypal-Mail und setzt sich in den Zug. Zum Glück wird er nicht kontrolliert, wer weiß, ob ihm der Schaffner die auf den ersten Blick ziemlich unglaubwürdige Story abgenommen hätte.

Am nächsten Tag nimmt der Fall eine neue Entwicklung. Die Deutsche Bahn teilt dem Kunden per Mail mit: „Auf ihrem Bahnbonus-Punktekonto wurde ein eventueller Missbrauch festgestellt. Um Sie davor zu schützen, haben wir Ihr Punktekonto vorsichtshalber gesperrt.“ Und in der Tat, der Kunde kann sich nicht mehr anmelden. Doch damit nicht genug: In der DB-Navigator-App stehen jetzt sechs Tickets.

Online-Buchungen sind mit der DB Navigator-App möglich. © Zacharie Scheurer/dpa

Bahn-System schlägt nur bei Bonuspunkten Alarm

„Unser System hat Alarm geschlagen, weil immer wieder von Ihrem Account ein Ticket von Mannheim nach Lörrach gebucht wurde“, begründet eine Mitarbeiterin die Sperrung des Kontos. Dazu muss man wissen: Bahncard-Kunden bekommen für jede Fahrt Punkte und können für diese Prämien einlösen. Das heißt, Missbrauch geht auf Kosten der Bahn und nicht des Kunden.

Gut also für die Bahn, dass ihr Sicherheitssystem Alarm geschlagen hat. Seltsamerweise hat dieses aber nicht gemerkt, dass jemand unwissentlich sechs Tickets gebucht hat, die ihm dann alle auch - und das ist der besondere Clou an der Geschichte - von der Bahn berechnet werden. Statt 44,60 Euro kassiert diese immerhin 267,60 Euro ab. „Wir bedauern die entstandenen Unannehmlichkeiten. Täglich werden von den Kundinnen und Kunden der Deutschen Bahn über bahn.de oder den DB Navigator tausendfach Fahrkartenbuchungen durchgeführt. 2023 gab es allein 96,5 Millionen Buchungen über die App DB Navigator“, teilt eine Bahn-Pressesprecherin später mit.

Nach langem Anlauf kommt die Bahn auf den Punkt

Nach diesem langen Anlauf kommt sie auf den Punkt und bestätigt, dass es „am 2. Oktober zu einer kurzen technischen Störung gekommen ist, die aber nach zwei Stunden behoben werden konnte“.

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Christian Schall
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Eine andere Sprecherin sagt auf Nachfrage, dass den Kundinnen und Kunden, die von den Doppelbuchungen betroffen waren, die zu viel gezahlten Beträge „selbstverständlich zurückgezahlt“ worden seien. „Dies ist ein automatisierter Prozess und erfolgt auch ohne, dass sich die oder der Betroffene mit uns in Verbindung gesetzt hat.“

Über die Zahl der Betroffenen - so die recht merkwürdige Auskunft - lägen der Bahn aber keine Daten vor. Der Bahnkunde, dem sechs Tickets berechnet wurden, kann jedenfalls nicht bestätigen, dass er sein Geld automatisch zurückbekommen hätte. Die Bahnmitarbeiterin hatte ihm am Telefon mitgeteilt, er solle eine Mail an den Fahrkartenservice schicken. Er notiert deshalb brav die Auftragsnummern und bekommt als Antwort die Bitte, er möge doch sagen, welches Ticket er benutzt habe, damit die anderen Buchungen storniert werden könnten.

Automatisierte Mails erschweren Kundendialog

Als der Kunde die Mail mit dem Hinweis beantwortet, er wisse ja nicht, welches Ticket er benutzt habe, weil die Bahn keines in die App gestellt habe, kommt die Mail zurück, wie das bei Noreply-Mails der Fall ist. Das sind automatisierte Mails, auf die der Empfänger nicht antworten kann. Damit will ein Unternehmen ihre Empfänger informieren, aber nicht mit ihnen kommunizieren. Das erschwert natürlich den Kundendialog.

Wer sich beschweren will, läuft also ins Leere und muss eine neue Mail schreiben - in der Hoffnung, dass das Problem irgendwann gelöst wird. Bei dem Mann mit den sechs Tickets dauert es drei Wochen, bis das Geld auf seinem Konto landet.

Verbraucherschützer: Immer wieder Pannen bei der Deutschen Bahn

Verbraucherschützer Buttler betont, dass es bei der Bahn immer wieder Pannen bei Online-Buchungen gebe. „Besonders krass war das bei der Einführung des Deutschlandstickets. Da dachten dann auch manche, sie hätten keines gebucht, weil sie keine Bestätigung bekamen, aber am Ende hatten sie drei. Und was macht dann die Bahn? Die sagt zu den Leuten: Ihr könnt das Ticket zum Monatsende wieder kündigen.“ Von einem „automatisierten Prozess“ kann auch nach seinen Erfahrungen in der Regel keine Rede sein.

„Man muss manchmal seinem Geld nachlaufen“

„Die EDV der Bahn ist mit Fehlern behaftet, ich habe Bekannte, die hatten bei der Einführung des Deutschlandtickets auch Probleme“, bestätigt Karl-Peter Naumann die Aussage von Verbraucherschützer Buttler. Wir erwischen den Ehrenvorsitzenden des Fahrgastverbandes Pro Bahn mit unserem Anruf beim Warten auf einen verspäteten Zug. „Es fehlt bei der Bahn einfach eine vernünftige Kundenschnittstelle. Die Wartezeiten sind viel zu lang, man muss dann manchmal seinem Geld nachlaufen“, sagt er.

„Die Bahn ist einfach eine Servicewüste, man muss ihr ständig hinterherrennen und hartnäckig sein“, sagt Buttler. Der Verbraucherschützer kann nicht nachvollziehen, dass es beim Online-Ticketsystem keinen Prüfmechanismus gibt, der Mehrfachbuchungen ausschließt. „Jeder Onlineshop oder E-Mail-Provider kann auf einfache Art feststellen, ob Daten doppelt eingegeben wurden. Dass die Bahn diesen Fehler in ihrem System nicht erkannt haben will, ist schwer vorstellbar“, kritisiert der Verbraucherschützer.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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