Justiz

Rechtsextreme Symbole im Job: So geht das Mannheimer Arbeitsgericht vor

Der Wolfsgruß, ein Symbol der rechtsextremen türkischen „Grauen Wölfe“, bleibt Diskussionsstoff. Im Arbeitsumfeld stellen sich Fragen über die Konsequenzen solcher Gesten. Was sagt das Arbeitsgericht in Mannheim dazu?

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Seitdem der türkische Nationalspieler Merih Demiral ein Tor des eigenen Teams bei der EM 24 mit dem Wolfsgruß gefeiert hat, wird hierzulande heftig darüber debattiert. © Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Mannheim. Wer bislang keine Ahnung hatte, was es damit auf sich hat, wenn Ring- und Mittelfinger auf den Daumen gepresst und gleichzeitig der kleine Finger sowie Zeigefinger nach oben gestreckt werden, der weiß es seit dem EM-Fußballspiel Türkei gegen Österreich. Die Debatte um den sogenannten Wolfsgruß reißt nicht ab.

Dabei beschäftigt auch die Frage, wie die Erkennungsgeste der als rechtsextrem geltendem türkischen „Grauen Wölfe“ juristisch zu werten ist - wenn sie beispielsweise im Joballtag gezeigt wird. Unsere Redaktion fragte beim Arbeitsgericht Mannheim nach. „Eine solche Geste kann Auswirkungen haben - muss aber nicht“, erläutert Sigrid Pult-Wilhelm, Vorsitzende der 6. Kammer mit Sitz in Heidelberg und Pressesprecherin des gesamten Arbeitsgerichtes. Ein Kommentar, der auch für andere radikale Symbole zutrifft.

Anders als in Österreich, wo der Wolfsgruß seit 2019 als „Zeichen der rechtsextremen türkisch-nationalistischen und somit Demokratie-kritischen Einstellung“ gesetzlich untersagt ist, gibt es in Deutschland kein solches Verbot. Auch deshalb nicht, weil der Verfassungsschutz die „Grauen Wölfe“ zwar als rechtsextreme Bewegung beobachtet, aber bislang auf keinen Index gesetzt hat.

Unabhängig davon entscheide grundsätzlich die Interessenabwägung im Einzelfall, erläutert Pult-Wilhelm. Obendrein gelte zu bedenken, dass Männer und Frauen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, „größeren Loyalitätspflichten unterliegen“.

Straßenreiniger scheitert mit Klage auf feste Anstellung bei der Stadt Mannheim

Dies spielte auch eine zentrale Rolle, als ein Straßenreiniger nach sechs befristeten Monaten auf eine feste Anstellung bei der Stadt Mannheim klagte - und scheiterte. Der von Kopf bis Fuß ziemlich düster tätowierte Mann hatte sich unterm Auge bei dem Schriftzug „Hass“ das Doppel-S als Runen in die Haut stechen lassen. Beim Einstellungsgespräch während der Corona-Pandemie hatte eine Mund-Nasen-Maske das Nazi-Symbol verdeckt. In dem Prozess gab der Mittdreißiger an, mit Rechtsextremismus nichts zu tun zu haben. Die wie Blitze aussehenden Runen habe er sofort übertätowieren lassen, als ihm deren Brisanz klar wurde.

Der Kläger und dessen Anwalt trugen vor, keiner der direkten Kollegen hätten sich an dem Tattoo gestört. Außerdem habe der Team-Vorgesetzte des auf Zeit eingestellten Straßenreinigers die „Entfristung“ des Vertrages befürwortet. Dass die Stadt Mannheim im öffentlichen Dienst keine rechtsradikalen Botschaften duldet, hatte der seinerzeitige Oberbürgermeister Peter Kurz bereits im Vorfeld des Prozesses signalisiert: Als oberster Dienstherr stellte er Strafanzeige. Das Arbeitsgericht wies die Klage im August 2022 mit dem Tenor ab, dass im juristischen Sinne ohnehin keine Zusage für eine feste Stelle vorgelegen hat.

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„Erzieher mit rechtsextremem Weltbild können entlassen werden“: So oder ähnlich titelten Medien, als im März 2016 das Landarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg die Kündigung eines Mannes bestätigte, der in einem kommunalen Hort zur Betreuung von Schulkindern eingesetzt war. Die Stadt Mannheim hatte ihn fristlos geschasst, als sich herausgestellt hatte, dass der Erzieher in der Fußballszene als gewaltbereiter Hooligan auftrat und deshalb beim SV Waldhof Stadionverbot hatte.

Besonders schwer wog, dass er seine Gesinnung nicht nur in der Freizeit auslebte und beispielsweise die NPD bei einer Kundgebung unterstützte, sondern mit dem Job verknüpfte. So fanden sich auf seiner Facebook-Seite Gewaltszenen, die mit Lego-Spielzeug aus dem Kinderhaus nachgestellt waren. Außerdem verwahrte er im Dienstspind einen Baseballschläger, auf dem stilisiert Blut dargestellt war. Die Stadt hatte aus „personenbedingten Gründen“ gekündigt und argumentiert, der Erzieher sei aufgrund seiner rechtsradikalen Einstellung nicht geeignet, Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis 14 Jahren zu betreuen.

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Vor dem Mannheimer Arbeitsgericht scheiterte die geschasste Hort-Kraft. Die Kammer urteilte: Gerade in einem besonders sensiblen Bereich des öffentlichen Dienstes könne von Beschäftigten „eine gesteigerte Treue zu den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Ordnung erwartet werden“. Ähnlich argumentierte die nächste Instanz. Zwar kippte das LAG den außerordentlichen Rauswurf, bestätigte aber die von der Stadt zusätzlich ordentlich ausgesprochene Kündigung.

Richterin warnt vor Tabubrüchen bei rassistischen Äußerungen

Glimpflich endete hingegen für einen Bahn-Mitarbeiter der juristische Konflikt um ein gepostetes Foto vom Eingangstor des Nazi-Konzentrationslagers Auschwitz mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“. Die Aufnahme hatte ein Zugführer versehen mit dem polnischen Untertitel „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“ auf seiner Facebookseite platziert. Der gefeuerte 37-Jährige trug in dem von ihm angestrengten Kündigungsschutzprozess vor, dass es ihm um satirische Kritik an der Flüchtlingspolitik seines Heimatlandes gegangen sei. Das ins Netz gestellte Foto habe er einer dortigen Satirezeitschrift entnommen. Der Zugführer, ein gebürtiger Pole, hatte sich schon vor Zugang der Kündigung für seine „unüberlegte, dumme Tat“ entschuldigt.

Auch wenn eine Heidelberger Kammer des Mannheimer Arbeitsgerichtes den Rauswurf für unwirksam erklärte, nutzte die Vorsitzende Richterin die Urteilsverkündigung für mahnende Worte und warf dem Bahn-Mitarbeiter einen Tabubruch vor. Sie stellte klar, dass rassistische oder menschenverachtende Äußerungen eines Arbeitnehmers auf einem privaten Facebook-Konto durchaus eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können - wenn diese den Ruf des Arbeitgebers schädigen.

Das von der DB Regio AG angerufene Landesarbeitsgericht rügte zwar ebenfalls eine Pflichtverletzung des Zugführers, sah aber bei der „Interessenabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“ das mildere Mittel der Abmahnung für ausreichend. Auch, weil der für zwei Kinder unterhaltspflichtige Mann 14 Jahre unbeanstandet in dem Unternehmen gearbeitet hatte.

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