Prozess um Marktmanipulation am Landgericht Mannheim - hohe Gefängnisstrafen gefordert

Verhandlungstag 73 vor dem Mannheimer Landgericht: Der Oberstaatsanwalt fordert im Prozess um Marktmanipulation hohe Gefängnisstrafen für die Angeklagten. Für eine Überraschung sorgen die Verteidiger

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Möglicher Betrug mit Billigaktien beschäftigt die Mannheimer Richter. © dpa

Mannheim. Am 73. Verhandlungstag haben in dem Mammutprozess am Mannheimer Landgericht rund um Vorwürfe der Marktmanipulation in Zusammenhang mit kanadischen Billigaktien, sogenannten Pennystocks, die Schlussvorträge  begonnen. Oberstaatsanwalt Pfeiffer fordert Gefängnisstrafen in Höhe von fünf Jahren und drei Monaten, sieben Jahren und neun Monaten sowie für den  „Kopf“ der drei Finanzakteure acht Jahre und neun Monate. Außerdem spricht sich der Strafverfolger für das Einbehalten von Vermögen aus, das durch „erhebliche kriminelle Energie“ erzielt worden sei.

Die für die Angeklagten jeweils unterschiedlich bezifferten Summen sind stattlich: Zwölf, 21 beziehungsweise 64 Millionen Euro sollen abgeschöpft werden. Obendrein plädiert der Strafverfolger dafür, dass jene beiden in das Strafverfahren einbezogenen  Firmen, über welche die werbende Aktien-Kommunikation abgewickelt wurde,  Werteersatz in Höhe von fünf beziehungsweise sieben Millionen Euro leisten sollen.

Ohnehin hat die Staatsanwaltschaft bereits bei der Festnahme der drei Männer im Februar 2022 mittels Arrestbeschlüsse Vermögen gewissermaßen eingefroren – insbesondere Immobilien sowohl in Mallorca, wo einer der Angeklagten verhaftet  wurde, und im Rhein-Neckar-Raum. Bis heute sitzen zwei der  angeklagten Männer in U-Haft.  Ein Kompagnon ist aufgrund geständiger Aussagen auf freiem Fuß.

In seinen knapp zweieinhalbstündigen Ausführungen blickt der Staatsanwalt auf eine „extrem lange Hauptverhandlung“  mit  „nicht enden wollenden Zeugenvernahmen“ und einer „rekordverdächtigen Anzahl an Befangenheitsanträgen“. Von der  „Konfliktverteidigung“ der fünf Anwälte plus einer  Kollegin habe er insofern profitiert, als das Oberlandesgericht  Karlsruhe strittige Rechtsfragen in  Stellungnahmen zu anwaltlichen Beschwerden und Rügen bereits umfassend geklärt habe.  Der Strafverfolger räumt ein, dass Investments in Billigaktien grundsätzlich mit Risiko behaftet seien. Sich als Anleger bewusst auf  einen spekulativen Markt einzulassen, heiße aber noch lange nicht, einen manipulierten Markt zu akzeptieren. Pfeiffer verglich die im Prozess ausgeleuchtete Situation mit dem Kartenspiel Poker, das die Grenze der Legalität dann überschreite, wenn gezinkte Karten verwendet werden.   

Die auf einem beschlagnahmten Smartphone noch nicht gelöschten Gruppenchats, so der Staatsanwalt, hätten „enorme Bedeutung“:  Weil die Kommunikation offenbare, dass die Bewerbung von Ramschaktien - intern als „Schrott und Pisse“ eingestuft – über die in der Branche übliche Kreativität zwecks Kurspflege weit hinausgegangen ist. So sei wiederholt davon die Rede gewesen, jetzt gelte es „die Lemminge“ (womit kopflose Anleger gemeint waren) „heiß zu machen“. Beim Täuschen seien gemeinsam mit kanadischen Hintermännern „alle Register gezogen haben“. Der Strafverfolger hält freilich den drei nicht vorbestraften Angeklagten zugute, dass sie keine einzelnen Anleger gezielt  in den Ruin getrieben haben.

Eigentlich hat  die vierte Große Wirtschaftsstrafkammer geplant, dass nach dem Staatsanwalt  auch die  Verteidigung ihre Schlussvorträge hält. Dagegen wehren sich die Anwälte vehement  – auch mit dem Argument, es bedürfe Zeit, die  umfangreichen Ausführungen des Anklagevertreters auszuwerten.  Weil die schon seit langem festgezurrten  Sitzungstermine eine Pause  vorsehen, werden die Plädoyers erst am 29. April fortgesetzt. 

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