Justiz

Prozess in Mannheim: Embargo umgangen und Luxusautos nach Russland geliefert?

Vor dem Mannheimer Landgericht müssen sich zwei Männer verantworten, die in 96 Fällen Nobelkarossen trotz Verbots nach Russland verkauft haben sollen.

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Für Luxusautos gilt ein Ausfuhrverbot von der EU nach Russland. Verstöße landen wie nun in Mannheim vor Gericht (Symbolbild). © picture alliance / dpa

Rhein-Neckar. Maserati, Bentley, Porsche, BMW, Mercedes: Nicht von ungefähr ploppen beim Verlesen der Anklage Herstellernamen von Luxusautos auf. Schließlich geht es in dem Strafverfahren am Mannheimer Landgericht um Vorwürfe in Zusammengang mit dem Schmuggeln von Nobelkarossen für den russischen Markt – trotz eines von der EU aufgrund des Angriffs Putins gegen die Ukraine verhängten Ausfuhrembargos. Der vor einer Großen Wirtschaftsstrafkammer angelaufene Prozess ist kein Einzelfall.

Auf der Anklagebank und in Untersuchungshaft sitzen zwei Männer, denen zur Last gelegt wird, zwischen April 2022 und dem letztjährigen Juni gemeinschaftlich, nämlich in 58 Fällen, aber auch im Alleingang an strikten Ausfuhrverboten vorbei hochpreisige Autos unterschiedlicher Marken für das „Russlandgeschäft“ beschafft zu haben.

Eine GmbH soll 1,3 Millionen Euro sogenannten Wertersatz leisten

Erster Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge spricht von „nicht unerheblichen Gewinnen“. Eine wichtige Rolle spielten wohl zwei in einer baden-württembergischen Kreisstadt ansässige Unternehmen, von denen inzwischen eines insolvent ist und das andere laut „North Data“ neben Ausarbeiten und Betreuen von Marketingkonzepten auch Autohandel betrieben hat. In der Anklage ist von 1,3 Millionen Euro die Rede, welche eine GmbH als Wertersatz leisten soll. Die Gesellschaft ist als sogenannte Einziehungsbeteiligte angedockt.

Sanktionen auf Luxusgüter

  • Im März 2022 und im Juni 2023 hat die EU detailliert Verordnungen zu Russland-Sanktionen als Reaktion auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine erlassen. Unter das Ausfuhrverbot fallen unterschiedliche Luxusgüter .
  • Dazu gehören auch hochpreisige Fahrzeuge . Zunächst waren nur Modelle jenseits der 50.000 Euro betroffen. Inzwischen spielt der Wert bei dem Auto-Embargo keine Rolle mehr. Verstöße werden strafrechtlich geahndet .

Zwar kann eine Firma nicht strafrechtlich verurteilt werden – wohl aber vermag das Gericht eine Abschöpfung von unrechtmäßig beziehungsweise mit krimineller Energie erworbenen Geschäftserlösen anzuordnen. Dass in einem Prozess Rechtsanwälte speziell für Unternehmen auftreten, ist eine neuere Entwicklung und mit dem im Juli 2017 in Kraft getreten Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung verknüpft. Im Jahr 2023 gab es in Baden-Württemberg 6124 Einziehungsentscheidungen mit einem Gesamtwert von 140 Millionen Euro.

Verfahrensbeteiligte trafen sich zum „Ausloten der Positionen“

Laut Ermittlungen soll ein inzwischen 42-Jähriger in seiner Eigenschaft als tatsächlicher beziehungsweise faktischer Geschäftsführer von zwei Firmen in 94 Fällen Luxusfahrzeuge im jeweiligen Wert zwischen 64.000 und 343.000 Euro für den russischen Markt beschafft haben. Bei 58 der Taten soll dies gemeinschaftlich mit einem Verkaufsmitarbeiter erfolgt sein. Der Mittvierziger und zweite Angeklagte habe auf Provisionsbasis mitgewirkt. Bei beiden Akteuren geht der Staatsanwalt davon aus, dass sie die von der Europäischen Union erlassenen Ausfuhrbeschränkungen sehr wohl gekannt und bewusst umgangen haben. Teilweise sollen über Drittstaaten Lieferungen organisiert worden sein.

Beim Prozessauftakt verliest die Vorsitzende Richterin Bettina Krenz ein Protokoll, aus dem hervorgeht, dass sich die Verfahrensbeteiligten im Vorfeld der Hauptverhandlung am Mannheimer Landgericht zum „Ausloten der Positionen“ getroffen haben. Dabei ging es auch um Frage, mit welchem Bonus ein Geständnis bei der Strafzumessung bedacht werden würde.

Angeklagte stammen aus Kasachstan und Russland

Am ersten Verhandlungstag wollen sich die Angeklagten lediglich zu ihrem Lebenslauf, nicht aber zur Sache äußern. Auch wenn die zwei Familienväter (Jahrgang 1983 und 1981) unterschiedlich verlaufene Biografien haben und sich ihre Wege erst beruflich kreuzten, so gibt es Parallelen. Beide Männer sind in einem Land auf die Welt gekommen und dort die ersten Jahre aufgewachsen, das früher zur Sowjetunion gehörte – nämlich Kasachstan und Russland. Die Umsiedlung der deutschstämmigen Familien erfolgte jeweils im Kindesalter, auch weil in der Bundesrepublik bereits enge Verwandte lebten. Juristisch formuliert geht es in dem Strafverfahren um den Verdacht der gewerbsmäßigen Zuwiderhandlung des Außenwirtschaftsgesetzes in mehreren Fällen.

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Ein ähnlich gelagerter Prozess ging Anfang Juli in Marburg zu Ende. Eine Kammer des dortigen Landgerichts verurteilte einen 56-Jährigen wegen Schmuggels von insgesamt 71 Luxusfahrzeugen nach Russland zu fünf Jahren Gefängnis. Die Ermittlungen gegen ein freies Autohaus hatte die Staatsanwaltschaft gemeinsam mit dem Zollfahndungsamt Essen geführt. Wie sich herausstellte, sind die Nobelkarossen unter Vortäuschung rechtmäßiger Ausfuhren in Drittländer an dem Embargo vorbei nach Russland zwecks dortigem Verkauf verbracht worden. Neben der fünfjährigen Haftstrafe ordnete das Gericht das Einziehen von fünf Millionen Euro an – was dem Wert der geschmuggelten Fahrzeuge entspricht. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Reiche Elite Russlands gelangt nach wie vor an deutsche Nobelfahrzeuge

Immer wieder künden Schlagzeilen vom illegalen wie lukrativen „Russlandgeschäft“ mit hochpreisigen Autos. Dieser Tage kursierte die Meldung, dass ein Mann aus Gladbach angeklagt wurde, weil er unter anderem ein Porsche Cayenne GTS nach Moskau verschoben haben soll. Und Anfang des Jahres teilte die Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern mit, gemeinsam mit dem Zoll gegen einen Autohändler aus dem Rhein-Pfalz-Kreis zu ermitteln. Der Beschuldigte mit deutschem und russischem Pass könnte in 150 Fällen teure Fahrzeuge an EU-Sanktionen vorbei ausgeliefert haben. Außerdem gab im Frühjahr die Staatsanwaltschaft Berlin gemeinsam mit dem Zollfahndungsamt die Verhaftung einer 46-Jährige bekannt. Die Geschäftsfrau soll 192 Autos im Wert von mehr als 21 Millionen Euro zum Schein nach Belarus, Kirgistan oder auch Usbekistan geliefert haben – mit dem Wissen, dass diese letztlich in Russland verhökert werden.

Dass dort die reiche Elite nach wie vor an deutsche Nobelfahrzeuge kommt, dazu recherchierte bereits vor knapp zwei Jahren das ZDF-Magazin „Frontal“. In einem Anfang 2024 ausgestrahlten Beitrag wird geschildert, wie statusträchtige Fahrzeuge jenseits der 100.000 Euro laut Listenpreis beispielsweise an die EU-Außengrenze gebracht und dort für den Weitertransport übergeben werden. Laut „Frontal“-Recherchen fungiert Belarus dabei als Transitland.

In dem vor einer Mannheimer Wirtschaftsstrafkammer angelaufenen Prozess wurden bis Mitte Dezember 20 Verhandlungstage terminiert – was für eine wohl nicht einfache Beweisaufnahme rund um die 96 angeklagten Taten spricht. Als Zeugen sind Zollbeamte, aber auch Fahnder vom Fiskus geladen. Wie zu hören ist, läuft parallel ein Steuerverfahren, bei dem wohl die Autoverschiebungen erst auffielen.

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