Mannheim/Berlin. Gute Nachrichten sind selten bei der Deutschen Bahn. Umso mehr genießt es das Verkehrsunternehmen, wenn mitunter der Fall eintritt, doch mal etwas Positives zu berichten. „Die Arbeiten auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim liegen voll im Zeitplan“, verkündete die Deutsche Bahn (DB) vor zwei Wochen. Um den Fortschritt bei der Generalsanierung zu beweisen, füllte sie einen Bus des Ersatzverkehrs mit Dutzenden Medienvertretern und fuhr vom Frankfurter Hauptbahnhof an die Baustelle ins hessische Walldorf.
Drei Mitreisende strahlten an diesem Tag besonders: die beiden Bahn-Vorstände Evelyn Palla (Regionalverkehr) und Berthold Huber (Infrastruktur) sowie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). „Wir haben in den letzten sechs Wochen alles geschafft, was wir uns vorgenommen haben“, erklärte Huber. Und Wissing verkündete stolz, dass das neuartige Bauverfahren einer Generalsanierung, bei dem unter Vollsperrung der Strecke alle Arbeiten auf einmal erledigt werden, auf besondere Beachtung beim Infrastrukturchef der Schweizerischen Bundesbahn gestoßen sei. Die Botschaft war eindeutig: Es geht doch noch etwas voran in diesem Land.
Gibt es Probleme mit einem Sicherungssystem?
Möglicherweise haben die Verantwortlichen sich zu früh gefreut. Denn einem Bericht des „Tagesspiegel“ zufolge gerät das Pilotprojekt der Riedbahn-Generalsanierung ins Stocken. Die Zeitung schreibt, dass die Bahn die neue digitale Zugsicherung ETCS nur schrittweise in Betrieb nehmen könne. Das gehe aus einem vertraulichen Statusbericht der DB für den Verkehrsausschuss des Bundestags hervor. Demnach erfolge die Inbetriebnahme des ETCS-Systems ab 15. Dezember in mehreren Stufen.
Fakten zur Riedbahn
- Die Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt ist nach Angaben der Deutschen Bahn Deutschlands meistbefahrene Bahnstrecke.
- Mehr als 300 Züge des Fern-, Nah- und Güterverkehrs rollen täglich über die zweigleisige Strecke.
- Im Zuge der Generalsanierung tauscht die Bahn 117 Kilometer Gleise, 152 Weichen, 140 Kilometer Oberleitung, 230 000 Schwellen und 380 000 Tonnen Schotter.
- Die Auslastung der 70 Kilometer langen Strecke liegt bei über 150 Prozent.
ETCS steht für „European Train Control System“, ein laut Bahn in Europa einheitliches Sicherungs- und Zugbeeinflussungssystem. Es ist eng verknüpft mit einer Digitalisierung der Stellwerke. Die Bahn sieht beide Technologien als „zentrale Meilensteine auf dem Weg zur Digitalisierung der Schiene“. Die Technik ist zentraler Bestandteil für einen zuverlässigeren Bahnverkehr und eine dichtere Taktung der Züge.
Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigt die Bahn die schrittweise Einführung. Mit Siemens sei die Inbetriebnahme endgültig detailliert festgelegt. „Alle technischen Komponenten werden wie geplant pünktlich zum 15. Dezember auf der Gesamtstrecke eingebaut. Die Inbetriebnahme erfolgt ab diesem Zeitpunkt stufenweise, wobei der längste Streckenabschnitt den Anfang macht“, sagte ein Bahnsprecher.
Für Bahnreisende stellt sich die Frage, ob sie sich über weitere Wochen oder gar Monate auf Behinderungen an einer der wichtigsten Bahnstrecken Deutschlands einstellen müssen. Laut dem „Tagesspiegel“-Bericht müssten ICE-Züge auf den betroffenen Streckenabschnitten das Tempo von 200 auf 160 Kilometer pro Stunde drosseln. Trotzdem verlängere sich die Fahrzeit nur um 30 bis 40 Sekunden, zitiert die Zeitung aus Bahnkreisen.
„Entscheidend ist: Die Kundinnen und Kunden werden die stufenweise Inbetriebnahme nicht bemerken“, stellt der Bahnsprecher klar. Die ab 15. Dezember geltenden Fahrplanzeiten blieben davon unberührt. „Die Inbetriebnahme der Strecke am 15. Dezember ist nicht gefährdet, das Umleitungskonzept sowie das Ersatzangebot mit Bussen wird dann nicht mehr benötigt.“
Riedbahnsanierung: Auch andere Arbeiten scheinen zu stocken
Von Anfang an war klar, dass die Installation der Leit- und Sicherheitstechnik komplex und eine Herkulesaufgabe wird. Das zeigen Beispiele aus der Vergangenheit: Schon bei der Eröffnung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm vor fast zwei Jahren gab es Schwierigkeiten bei der Einwahl in das ETCS-System. Und auf der Weschnitztalbahn zwischen Fürth (Odenwald) und Weinheim läuft die Technik seit der Installation im Sommer 2023 immer noch nicht reibungslos, weshalb die Strecke kürzlich erneut gesperrt war.
Die Bahn wusste also, was hier auf sie zukommt. Dass die bislang genutzte Technik auf der Riedbahn fast 60 Jahre alt ist, macht die Sache nicht einfacher, es handelt sich um einen Komplettaustausch. Eine Rückkehr zum alten System ist ausgeschlossen. Die Technik ist längst ausgebaut.
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Ahnte Huber bereits, dass es Schwierigkeiten gibt, als er vor zwei Wochen in Walldorf die Vorgabe für die nächsten Monate - „Wir müssen mit der gleichen Hartnäckigkeit dabei bleiben. Die komplexeren Aufgaben stehen noch bevor.“ - ausrief? Der Bahn-Vorstand nannte ausdrücklich die Leit- und Sicherungstechnik. Schon im Februar 2022 hat die Bahn mit dem Aufbau begonnen. Laut „Tagesspiegel“ können die neuen Elektronischen Stellwerke (ESTW), die in Walldorf, Gernsheim und Mannheim-Waldhof gebaut werden, nicht alle sofort mit dem neuen System an den Start gehen.
Offenbar hakt es aber nicht nur an der Digitalisierung der Strecke. Wie diese Redaktion aus einer sicheren Quelle erfahren hat, sollen auch andere noch anstehende Arbeiten an der Riedbahn stocken. Demnach hätten mehrere Bauunternehmen bei der DB-Infrastrukturtochter InfraGO angemeldet, dass sie die Bauplanung nicht einhalten könnten, da wichtige Genehmigungen für die Arbeiten fehlten. Erst wenn sie dafür grünes Licht bekämen, könnten sie das nötige Material bestellen. Hierzu äußerte sich die Bahn auf Nachfrage nicht.
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