Arbeit

Mindestlohnbetrug: Gökay Akbulut geißelt "Lohnraub"

Der Zoll in Baden-Württemberg hat 2023 weniger Unternehmen kontrolliert. Wie groß der Betrug beim Mindestlohn war, wollte die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Linke) von der Bundesregierung wissen

Von 
Walter Serif
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Ein Zollbeamter kontrolliert in einem Einkaufszentrum in Heidenheim Angestellte. Die Zahl der Verstöße gegen den Mindestlohn ist 2023 gestiegen. © Stefan Puchner/dpa

Stuttgart. Bekommt in Deutschland auch jeder den Mindestlohn, der ihm zusteht? Die Linke im Bundestag bezieht sich in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung auf Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, wonach im Jahr 2017 bis zu 2,4 Millionen Beschäftigte den ihnen zustehenden Mindestlohn nicht erhielten. Solche Zahlen sind natürlich immer mit Vorsicht zu genießen, es gibt da ja keine verlässlichen Statistiken wegen der hohen Dunkelziffer beim Mindestlohnbetrug.

Das gilt dann auch für den Schaden, der dem Staat entstanden ist, weil ihm die Sozialbeiträge und Steuereinnahmen entgehen. Nach Angaben der ebenfalls gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sind das mehrere Milliarden Euro pro Jahr.

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Müsste der Staat deshalb nicht den Mindestlohnbetrug wirksamer bekämpfen? Ja, meint die Linkspartei. „Nur so können die Rechte der Beschäftigten sichergestellt werden“, heißt es in der Kleinen Anfrage der Abgeordneten, zu denen auch Mannheimer Abgeordnete Gökay Akbulut gehört. Die Antworten bergen Zündstoff. Demnach hat die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) 2023 in Baden-Württemberg nur noch 5681 Kontrollen bei Arbeitgebern durchgeführt. Das waren 1195 weniger als 2022. Dies ergibt ein Minus von 17 Prozent. Bemerkenswerterweise ist die Zahl der Ordnungswidrigkeiten aber nicht gesunken, sondern um 286 auf 1078 gestiegen. Ein Plus um 36 Prozent.

Politikerin wirft schwarzen Schafen „Lohnraub“ vor

„Die erhebliche Zunahme der Ordnungswidrigkeiten beim Mindestlohnbetrug ist völlig inakzeptabel“, sagt Akbulut. Da weniger Unternehmen überprüft wurden, sind die „aufgedeckten Verstöße“ für die Mannheimerin nur „die traurige Spitze des Eisbergs“. Es sei nicht hinnehmbar, dass Baden-Württemberg weniger Arbeitgeberprüfungen als im Vorjahr durchgeführt habe, sagt sie. Und richtet einen entsprechenden Appell an die grün-schwarze Koalition in Stuttgart: „Die Landesregierung muss endlich handeln und deutlich mehr Kontrollen durch den Zoll veranlassen.“

Die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Linke) kritisiert, dass es in Baden-Württemberg 2023 weniger Betriebskontrollen gab. © Bernd von Jutrczenka

Auch den Arbeitgebern, die ihre Beschäftigten betrügen, bekommen ihr Fett ab: „Wer seinen Mitarbeitenden den gesetzlichen Mindestlohn vorenthält, darf sich nicht über einen Mangel an Fachkräften wundern“, kritisiert die Politikerin und legt nach: „Diese Unternehmen begehen Lohnraub an denjenigen, die täglich hart arbeiten. Die schwarzen Schafe unter den Unternehmen dürfen sich nicht sicher fühlen.“

Interessant ist, dass es in der Landwirtschaft kaum Kontrollen gab, obwohl es ein offenes Geheimnis ist, dass ausländische Erntehelfer oft um ihren Lohn betrogen werden. 2023 wurden von den 8910 Betrieben gerade mal 48 überprüft. Das sind 0,5 Prozent. Dagegen war die Quote im Gaststättengewerbe deutlich höher. Von den 29 224 Betrieben bekamen immerhin 1281 Besuch vom Zoll. Das waren vier Prozent.

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Reicht der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn? Kommt drauf an, wen man fragt. Zum Jahresbeginn ist er von zwölf auf 12,41 Euro gestiegen, 2025 steht eine weitere Erhöhung um 41 Cent an. Das ist den Gewerkschaften zu wenig, aber sie wurden in der Mindestlohnkommission 2023 überstimmt, als die zwei Anhebungen beschlossen wurden.

Kanzler Scholz schwebt ein Mindestlohn von 15 Euro vor

Klar ist jedenfalls, dass Beschäftigte, die nur den Mindestlohn bekommen, stark unter der hohen Inflation leiden. SPD-Chefin Saskia Esken drohte im Mai in einem Interview mit dieser Redaktion sogar damit, dass die Bundesregierung wie bereits 2022 den Mindestlohn per Gesetz regeln könnte. Damals stieg er von 10,45 auf zwölf Euro.

„Inzwischen sind die Preise so stark gestiegen, dass der Mindestlohn von 12,41 Euro nicht mehr ausreicht“, sagte sie. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schwebt deshalb eine Erhöhung in zwei Schritten auf 14 und 15 Euro vor. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützt den Regierungschef in diesem Ziel. Arbeitgeber, aber auch Koalitionspartner FDP und die Union lehnen dies allerdings ab.

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Nach Angaben des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts (WSI) mit Sitz in Düsseldorf liegt Deutschland innerhalb der EU mit den genannten 12,41 Euro immerhin auf Rang vier. Luxemburg (14,86), die Niederlande (13,27) und Irland (12,70) belegen demnach die ersten drei Plätze. Belgien (12,09) und Frankreich (11,65) schneiden schlechter ab. Österreich, die nordischen Länder und Italien haben dagegen keinen gesetzlichen Mindestlohn. „In diesen Staaten besteht aber eine sehr hohe Tarifbindung. Faktisch ziehen dort also Tarifverträge eine allgemeine Untergrenze“, heißt es. In Deutschland würden dagegen nur rund die Hälfte der Beschäftigten mit Tarifbindung arbeiten.

Die Mindestlöhne in den süd- und osteuropäischen EU-Staaten liegen wiederum niedriger als die in Westeuropa. Allerdings verweist das WSI darauf, dass die reine Höhe des Mindestlohns wenig Aussagekraft hat ohne Vergleich mit den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten. So beläuft sich zum Beispiel der Mindestlohn in Deutschland gemessen an der Kaufkraft nur noch auf 9,94 Euro, während Polens nominaler Mindestlohn von „nur“ 5,56 Euro gemessen an den sogenannten Kaufkraftstandards (KKS) dann bei 8,38 Euro liegt.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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